Gefriertrocknung Teil 2 Grundlagen des Gefriertrocknungsprozesses

Autor / Redakteur: John Barley / Wolfgang Ernhofer |

Proteine, Mikroorganismen und andere pharmazeutische Wirkstoffe lassen sich schonend mithilfe der Lyophilisation haltbar machen. Im ersten Teil unseres Grundlagenbeitrages ging es um die physikalischen Hintergründe. Im heutigen Abschnitt beschäftigt sich der Autor mit der kritischen Formulierungstemperatur, um den Prozess optimal zu gestalten.

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Labor GT: In einer einfachen Gefriertrocknungsanlage mit Kol- ben-/Flaschenanschluss wird die Wärme vorrangig durch Konvektion und Strahlung übertragen.
Labor GT: In einer einfachen Gefriertrocknungsanlage mit Kol- ben-/Flaschenanschluss wird die Wärme vorrangig durch Konvektion und Strahlung übertragen.
(Bild: Genevac)

Die Bestimmung der kritischen Formulierungstemperatur ist für das Design und die Optimierung eines Lyophilisationsprozesses von essenzieller Bedeutung. Die kritische Temperatur definiert die Grenztemperatur, die das Produkt nicht überschreiten darf, damit es nicht schmilzt oder kollabiert. Methoden zur Messung der kritischen Produkttemperaturen sind die thermische Analyse (Differential Scanning Calorimetry), die Gefriertrocknungsmikroskopie und die dielektrische Widerstandsmessung.

Gefrorene Materialien können entweder kristallin oder als amorphes Glas vorliegen. Kristalline Stoffe besitzen einen definierten eutektischen Gefrier- bzw. Schmelzpunkt (Teut), der die kritische Temperatur des Systems für den Prozess darstellt.

Bei amorphen Stoffen ist die korrespondierende kritische Temperatur die so genannte Glasübergangstemperatur der maximal gefriergetrockneten Lösung (Tg'). Die Kollapstemperatur (Tc) beschreibt die Temperatur, bei der erste visuelle Veränderungen in der getrockneten Produktmatrix nahe der Sublimationsfront auftreten, und liegt häufig ein paar Grad über der Glasübergangstemperatur. Obwohl die meisten gefriergetrockneten Produkte amorph vorliegen, wird häufig (irrtümlicherweise) die Bezeichnung eutektisch zur Beschreibung des Gefrierpunktes bzw. der kritischen Temperatur verwendet.

Der US FDA-Artikel „Lyophilization of Parenterals (7/93), Guide to Inspection“ gibt vor, dass der Hersteller den eutektischen Punkt (bzw. die kritische Formulierungstemperatur) des Produktes kennen sollte. Es zählt zur guten Praxis, diese für alle neu zu entwickelnden parenteralen bzw. oralen Lyophilisate zu bestimmen.

Ist die kritische Formulierungstemperatur des Produktes nicht bekannt, muss der Primärtrocknungszyklus auf Basis von Trial and Error definiert werden. Zu Beginn kann ein konservativer Zyklus mit niedrigen Temperaturen und Drücken verwendet werden, die in Folgeläufen schrittweise erhöht werden, bis ein Kollaps oder das Schmelzen beobachtet werden kann – ein Hinweis darauf, dass das Produkt zu warm geworden ist.

Förderung des Kristallisationsprozesses

Manche Systeme, z.B Mannitol oder Glycin, kristallisieren während des Einfrierens unvollständig. Um die Kristallisation zu unterstützen, wird häufig eine thermische Konditionierung, das sogenannte Annealing, in den Prozess mit aufgenommen. Beim Annealing wird die Temperatur vorübergehend erhöht (z.B. von -40 °C auf -20 °C für ein paar Stunden), dann erfolgt die Absenkung zurück auf die Ausgangstemperatur. Annealing fördert den Kristallisationsprozess und die Bildung größerer Eiskristalle und damit verbunden eine kürzere Primärtrocknungszeit.

Beim Einsatz organischer Lösemittel werden niedrigere Temperaturen benötigt, um das Lösemittel auszufrieren bzw. zu kondensieren. Die Gefahr ist, dass das Lösemittel nicht am Kondensator abgeschieden wird, sondern in die Vakuumpumpe gelangt und diese beschädigt.

Für solche Anwendungen gibt es Gefriertrockner mit entsprechend niedrigeren Stellflächen- und Kondensator-temperaturen. Spezielle Filterkartuschen oder Kühlfallen (flüssiger Stickstoff, LN2) sind für Lösungsmittel mit sehr niedrigen Gefrierpunkten verfügbar. Wenn flüchtige und/oder gefährliche Stoffe verwendet werden, müssen entsprechende zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden.

Unterhalb der kritischen Temperaturen

Die Trocknung in der Lyophilisation kann in die beiden Abschnitte Primär- und Sekundärtrocknung eingeteilt werden. Während der Primärtrocknung wird der Anteil an Wasser, der als gefrorenes Eis vorliegt (Hauptanteil an enthaltenem Wasser), durch Sublimation entfernt. Auch organische Lösemittel werden während dieser Phase entfernt.

Die Primärtrocknung ist ein langsamer Prozess, der bei niedrigen Temperaturen durchgeführt wird. Um das Produkt nicht zu gefährden, muss die Temperatur unterhalb der kritischen Formulierungstemperatur gehalten werden. Sublimation erfordert die Zufuhr von Energie (in Form von Wärme), um den Phasenübergang von fest zu gasförmig zu gewährleisten. Es gibt drei Möglichkeiten des Wärmetransfers: Konduktion, Konvektion und Strahlung.

In einer einfachen Gefriertrocknungsanlage mit Kolben-/Flaschenanschluss wird die Wärme vorrangig durch Konvektion und Strahlung übertragen. Dadurch, dass kaum Kontrolle über den Wärmefluss ins Produkt möglich ist, kann der Prozess nur schwer gesteuert werden. Bei Produkten mit einer niedrigen kritischen Temperatur ist es zuweilen nötig, die Flasche(n) zu isolieren, um den Wärmetransfer zu reduzieren und Kollaps zu vermeiden.

Bei Gefriertrocknern mit beheizbaren Stellflächen wird der größte Anteil an Wärme durch Konduktion übertragen. Je größer die Kontaktfläche zwischen dem Produkt und der Stellfläche, desto besser die Wärmeübertragung. Die Anteile von Strahlung und Konvektion dürfen jedoch hinsichtlich Produkteinheitlichkeit und Prozesskontrolle nicht vernachlässigt werden.

Von den Innenwänden der Produktkammer ausgehende Strahlungswärme bedingt eine schnellere Trocknung von Vials an der Außenseite der Stellfläche im Vergleich zum Produkt in der Mitte (sogenannter Edge-Effekt). Die Strahlung jedoch, die durch die Plexiglastür der Trocknungskammer (häufig verwendet in R&D- und Pilot-Anlagen) ins Innere der Kammer gelangt, hat eine noch größere Auswirkung.

Die dort angrenzenden Vials trocknen am schnellsten. Aus diesem Grund haben Produktionstrockner Edelstahltüren mit nur kleinen Sichtfenstern. Bei Pilot- und Laboranlagen mit Plexiglastür kann sich mit Alufolie beholfen werden, die an der Innenseite der Tür angebracht wird. Die visuelle Kontrolle geht dadurch aber verloren.

Da das Packmittel oft einen uneinheitlichen Kontakt zur Stellfläche hat, kann Konvektion zum homogenen Trocknen des Produktes beitragen. Bei extrem niedrigen Drücken (<50 mTorr) sind allerdings wenig Gasmoleküle vorhanden, resultierend in vergleichsweise ungleichmäßigerer und langsamerer Trocknung.

Bei der Primärtrocknung wandert die Sublimationsfront im Produkt von oben nach unten zum Gefäßboden. Über der Eis-Grenzfläche befindet sich die getrocknete Produktmatrix, auch Kuchen genannt. Unterhalb der Grenzfläche ist gefrorenes Produkt mit Eiskristallen, die noch nicht sublimiert sind. Am Ende der Primärtrocknung erscheint das Produkt trocken, es kann jedoch immer noch fünf bis zehn Prozent Feuchtigkeit in Form von an das Produkt adsorbierten Wassermolekülen enthalten sein.

Wie bereits diskutiert, ist es von essenzieller Bedeutung, das Produkt während der Trocknung kontrolliert unterhalb der kritischen Formulierungstemperatur zu halten.

Produkttemperatur exakt unter Kontrolle

Die Temperatur im Produkt ist abhängig vom Dampfdruck an der Sublimationsfront. Dieser Dampfdruck wiederum ist zum einen vom Wärmetransfer ins Produkt abhängig, der durch die Stellflächentemperatur bestimmt wird, zum anderen vom Kammerdruck. Die angestrebte Produkttemperatur sollte einige Grad niedriger als die kritische Formulierungstemperatur liegen.

Die Auswahl des Kammerdrucks kann mithilfe der Eis-Dampfdrucktabelle erfolgen (s.u.). Die Temperatur der Stellflächen wird dann langsam erhöht, die Produkttemperatur wird dabei mittels Thermoelementen überwacht. Erreicht die Produkttemperatur den Zielwert, wird die Stellflächentemperatur für die Zeit der Primärtrocknung konstant gehalten.

Einige Produkte weisen einen hohen Widerstand der getrockneten Produktmatrix auf. Gegebenenfalls muss hier die Stellflächentemperatur angepasst werden, um die Überhitzung des Produktes und damit einen Kollaps zu vermeiden. Eine willkürliche Anpassung der Stellflächentemperatur während der Primärtrocknung, wie sie in älteren Protokollen manchmal empfohlen wurde, sollte ebenfalls vermieden werden.

Der Kammerdruck sollte auf einen Druck eingestellt werden, der etwa 20 bis 30 Prozent des Dampfdrucks von Eis bei der Produkt-Zieltemperatur entspricht. Typische Vakuumeinstellungen liegen im Bereich von 50 bis 300 mTorr, meistens zwischen 50 und 200 mTorr.

Temperatur und Dampfdruck verhalten sich direkt proportional zueinander. Je niedriger die Temperatur, desto geringer der Druck und vice versa. Je höher der Dampfdruck, desto höher die Sublimationsrate (bei ungehindertem Abtransport der Gasmoleküle) und desto schneller die Trocknung.

Bei Gefriertrocknern mit Trockenrechen wird der Prozess durch den eingestellten Kammerdruck und die Umgebungstemperatur bestimmt. Da der Wärmefluss in das Produkt nicht kontrolliert werden kann, werden die Prozesse in solchen Anlagen meist sehr konservativ bei geringen Drücken gefahren, um die Produkttemperatur niedrig zu halten.

Dieser Beitrag ist Teil einer dreiteiligen Folge über Grundlagen, Entwicklungen und Optimierung des Gefriertrocknungsprozesses. Teil eins beschäftigte sich mit den physikalischen Hintergründen.

Lesen Sie darüber hinaus im dritten und letzten Teilunserer Reihe, welche Möglichkeiten es zur Endpunktbestimmung gibt und wie sich der Gefriertrocknungszyklus noch weiter optimieren lässt.

* Der Autor ist Mitarbeiter der SP Industries Inc.

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