Exklusiv-Interview: Meilenstein Bioprozesstechnik Für jede Anwendung die optimale Lösung
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Vom Filterlieferanten zum Komplettanbieter – Seit der wegweisenden Entscheidung vor rund 25 Jahren, sich auf die biopharmazeutische Industrie auszurichten, hat Sartorius einen rasanten Aufstieg hinter sich. Im Gespräch erläutern Bettina Berendsen und Fritjof Linz die Bedeutung von Einweg-Technologien und berichten über aktuelle Entwicklungen des Unternehmens und der Branche.

PROCESS: In seinem Jubiläumsjahr 2020 hat Sartorius einen neuen Markenauftritt gestartet und einen neuen Claim entwickelt. Wofür steht „Simplifying Progress“?
Bettina Berendsen: Sartorius hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt, vor allem was unseren Beitrag für die Entwicklung und Herstellung moderner Biopharmazeutika betrifft. Mit dem neuen Claim möchten wir ausdrücken, dass wir mit unseren Technologien Prozesse unserer Kunden vereinfachen und beschleunigen wollen. Dadurch möchten wir dazu beitragen, dass innovative, bezahlbare Medikamente zur Behandlung von Krebs und Autoimmunerkrankungen schneller verfügbar werden.
PROCESS: Wenn Sie in die Anfänge der Bioprozesssparte zurückblicken, wo lagen die Wurzeln von Sartorius?
Berendsen: Historisch gesehen natürlich in der Membranfiltertechnik. Vor der Hinwendung zur gesamten Bioprozesskette waren wir ein Filterhersteller mit eingeschränktem Portfolio. Mitte der 90er haben wir die Entscheidung getroffen, die Pharma- und Biotechbranche in den Fokus zu nehmen. Unsere Vision war: Sartorius sollte sich in Richtung eines „Total Solution Provider“ entwickeln. Dazu haben wir den Markt analysiert und untersucht, welche technologischen Lösungen benötigt werden. Wir haben uns auf wesentliche Applikationen konzentriert und damit begonnen, sukzessive unser Portfolio zu erweitern. Dies geschah durch eigene Entwicklungen, aber auch durch Zukäufe, wie z.B. B. Braun Biotech International, Stedim oder TAP Biosystems. Der Erwerb des Zellkultur- und Fermenterspezialisten B. Braun Biotech war ein erster großer Schritt für die Entwicklung hin zu einem Komplettanbieter. Er ermöglichte es uns, frühzeitig auch Lösungen für das Upstream anzubieten.
PROCESS: Single-use war zu diesem Zeitpunkt noch kein Thema?
Berendsen: Man hat damals versucht, alles fest zu verrohren, manuelles Handling war verpönt, alle Prozesse waren stark automatisiert, um die Fehlerraten und das Kontaminationsrisiko durch den Menschen so gering wie möglich zu halten. Man darf auch nicht die geringen Titer vergessen, die seinerzeit oft noch bei unter einem Gramm lagen. Deshalb wurden große Fermentervolumina bis zu 20 000 Liter benötigt. Mit Single-use-Technologie wäre das noch gar nicht darstellbar gewesen.
PROCESS: Wo steht die Branche beim Thema Single-use heute?
Berendsen: Die Durchdringung hat deutlich zugenommen, besonders in den USA und China. Hier sehen wir bereits Produktionsstätten, die komplett auf Single-use ausgelegt sind. Die Einweg-Technologie bringt u.a. zeitliche Vorteile mit sich, da neue Anlagen erst zu einem späteren Zeitpunkt in Auftrag gegeben werden können – dann, wenn die Wahrscheinlichkeit bereits sehr hoch ist, dass ein Wirkstoff-Kandidat auch tatsächlich Marktreife erlangt. Für die Produktion, Installation und Qualifikation eines Edelstahlsystems hingegen, benötigt man mehrere Jahre Vorlaufzeit – bedenken Sie, dass heute aber noch rund 50 Prozent der onkologischen Antikörper in der klinischen Phase 3 durchfallen und das mögliche Investitionsrisiko, das sich für Unternehmen hieraus ergibt.
Fritjof Linz: Ein anderer wesentlicher Aspekt für den Einsatz von Single-use ist die höhere Flexibilität bei Produktumstellungen. Die Batchgrößen werden kleiner. Dadurch steigt die Zahl der Chargenwechsel. Single-use verringert zudem den Reinigungsaufwand und die Gefahr von Kreuzkontaminationen ist weitaus geringer. Im Sinne der Einfachheit und Effizienz sind Single-use-Lösungen oftmals der definitiv bessere Ansatz – sowohl ökonomisch als auch ökologisch.
PROCESS Welche Rolle spielen Kontiprozesse zurzeit für die Biopharmabranche?
Linz: Kontinuierliche Prozesse sind ein wichtiger Ansatz, um Produktionskosten zu senken und qualitativ hochwertige Medikamente herzustellen. Die Herausforderung besteht darin, die einzelnen Prozessschritte in einen kontinuierlichen Prozess zu bringen. Im Upstream-Bereich gibt es mit der Perfusion bereits einen etablierten kontinuierlichen Prozess. Im Downstream-Processing gibt es Ansätze die Prozessschritte zu parallelisieren bzw. kontinuierlich zu betreiben, beispielsweise bei der Chromatografie. Wir arbeiten zusätzlich im Bereich der Crossflowfiltration an einer kontinuierlichen Lösung im Pilotmaßstab.
PROCESS: Wie hilft Ihnen der kürzlich erfolgte Erwerb von Teilen des Danaher-Portfolios dabei?
Linz: Unser Chromatographie-Portfolio war bislang stark auf Membranchromatographie fokussiert. Das ändert sich nun durch das von Danaher erworbene Portfolio. Es kommen u.a. Bio-SMB-Systeme und verschiedene Resins hinzu. Wir haben unser Angebot so erweitert, dass wir jetzt für jede Anforderung im Downstream-Processing eine optimale Lösung anbieten können. Wir verstärken uns auch in den Bereichen Einweg-Crossflowfilter-Systeme und -Flowkits und können nun aktuelle Therapietrends mit verschiedenen Lösungen bedienen. Insgesamt betrachtet wollen wir unseren Kunden eine Gesamtlösung anbieten, bei der verschiedene Systeme miteinander kommunizieren können.
PROCESS: Sie sprechen aktuelle Therapietrends an, mit welchen Lösungen begleiten sie z.B. die neuen Advanced Therapies?
Linz: Die Entwicklungen in diesem Bereich verfolgen wir sehr aufmerksam, weil hier große Chancen für Sartorius liegen. Wie früher bei den monoklonalen Antikörpern, stehen wir auch hier vor der Herausforderung, Produktionskosten und damit auch Therapiekosten zu senken. Welche Bedeutung das Marktsegment Advanced Therapies für uns hat, lässt sich auch an der mehrheitlichen Übernahme des israelischen Unternehmens Biological Industries ablesen. Durch diesen Schritt erweitern wir unser Angebot an Zellkulturmedien deutlich.
PROCESS: Vor welchen Herausforderungen steht die Biopharmabranche aktuell?
Berendsen: Das Thema Cost-of-Goods treibt alle um. Die derzeit noch hohen Kosten pro Patient und pro Therapie in den Griff zu bekommen, sind eine Herausforderung für alle Beteiligten. Hersteller wie Zulieferer sind gleichermaßen aufgefordert, effizientere Entwicklungs- und Produktionsprozesse zu etablieren. Einweg-Technologien, Prozessintensivierung und datenanalytischen Methoden kommt in diesem Zusammenhang eine entscheidende Bedeutung zu. Mit innovativen Technologien entwickeln wir deshalb neue Lösungen, die eine höhere Wirtschaftlichkeit ihrer gesamten Prozesskette bieten – von der Forschung im Labor bis hin zur Produktion.
Ich danke Ihnen für das Gespräch.
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