Wärmebildkameras im Test Fette Beute für Leckage-Jäger mit Wärmebildkameras

Autor / Redakteur: Frank Jablonski, Wolfgang Ernhofer / Wolfgang Ernhofer |

Wie eine Schlange mit Ihrem wärmesensitiven Organ ihre Beute erspäht, spüren immer mehr Instandhalter mit der Hilfe von Wärmebildkameras verborgene Probleme auf. Die Redaktion wollte wissen, wie sich die Geräte unterscheiden und hat den Test gemacht.

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Die PROCESS-Redaktion präsentiert den großen Wärmebildkamera-Test. Welche Modelle sind Flop, welche Modelle top?
Die PROCESS-Redaktion präsentiert den großen Wärmebildkamera-Test. Welche Modelle sind Flop, welche Modelle top?
(Bild: Ernhofer/PROCESS)

Leverkusen, 11:43 Uhr in der Leitwarte einer Kunststoffproduktion: Schichtleiter Erlatt fährt den Prozess zur Herstellung des neuen Spezialwerkstoffs nun schon unzählige Male. Doch heute stehen ihm Schweißperlen auf der Stirn. Auf einem der Monitore vor ihm blinkt das Icon des zentralen Rührreaktors erst gelb und kurze Zeit später rot auf. Bevor er noch in die Temperaturmessstelle einzoomen kann ist klar: es liegt kein Routine-Fehler vor.

Die Ursache der Fehlermeldung liegt nicht in einem einzigen Messpunkt, denn die Warnung vor unterschrittener Solltemperatur im Behälter wird von verschiedenen Stellen gemeldet. Auch sein schneller Check der Energiezentrale zeigt: keine außergewöhnlichen Vorkommnisse dort. Die Anlage spuckt wie gewohnt ihren Heißdampf aus. Druck, Temperatur alles in Ordnung. Dennoch zeigt das Leitsystem eindeutig, dass nicht genügend Hitze im Prozess ankommt. Diese Charge wird wohl nicht zu retten sein, trotzdem ist jetzt schnelles Handeln gefragt: Sicherheitsteam informieren, Betriebsleiter anfunken und das Instandhaltungsteam samt Wärmebildkamera mit der Fehlersuche beauftragen. Es kann sich ja eigentlich nur um eine Dampfleckage handeln...

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Wärmebildkameras in der Praxis

Falls es sich bei dem beschriebenen Problem tatsächlich um ein kapitales Dampfleck einer ungedämmten Leitung handelt, muss unser erfundener Schichtleiter Erlatt wohl nur aus dem Fenster schauen. Handelt es sich jedoch um ein entferntes Ereignis oder ein Leck, das sich von außen nicht sichtbar in eine Wärmedämmschicht ergeht, wird die Problemlösung schon schwieriger. Auch im Fall eines nicht gut zugänglichen Netzes, hilft der Einsatz einer Wärmebildkamera Zeit und Kosten zu sparen.

Viele Instandhaltungs-Teams sind bereits mit diesen praktischen Hilfsmitteln ausgerüstet oder planen eine Anschaffung. Das ergibt Sinn, denn die Kameras sehen mehr als das menschliche Auge. Der Einsatz erstreckt sich daher von der Leckagesuche heißer, bzw. kalter Medien bis hin zu Lecks in Druckluftleitungen oder einer mangelhaften Dämmung von Leitungen oder Behältern. Auch fehlerhafte oder falsch ausgelegte Motoren lassen sich mit Hilfe einer solchen Kamera sehr schnell ermitteln. Vereinzelt werden die Geräte sogar eingesetzt, um Reaktoren zu überprüfen, die aufgrund von ungleichmäßig durchströmten Wärmeaustauschern Hot-Spots erzeugen und so eine nicht optimale Produktzusammensetzung verschulden.

Die Ergänzung des menschlichen Sehvermögens um die Wärmestrahlung gibt an vielen Stellen und unter den verschiedensten Aspekten den Instandhaltern wertvolle Auskünfte über den Zustand der Anlage. So weist eine ungleichmäßige Wärmeverteilung in Kühlern oder Wärmetauschern auf Reinigungsbedarf hin. Hot-Spots bei feuerfest ausgekleideten Reaktoren sprechen eine deutliche Sprache bezüglich des Risikos eines künftigen Behälterschadens.

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Kauftipps: Praktische Funktionen erleichtern den Umgang mit Wärmebildkameras

Erster Schritt vor dem Kauf einer Kamera ist sicher, den genauen künftigen Anwendungsbereich im Vorfeld gut abzugrenzen. Sprechen Sie mit Kollegen aus Nachbarabteilungen, welche Anwendung ihnen vorschwebt. Eine Liste der Anforderungen mit Temperaturen, Größe/Entfernung von zu messenden Objekten sowie Anwendungsbeispiele helfen auch bei einem späteren Gespräch mit möglichen Lieferanten. Schauen Sie beim Preis, ob Zusatzkosten für Objektive, Datenauswertungssoftware oder Service hinzukommen. Ist im Paket eine Ladevorrichtung ohne Aufpreis enthalten, ggf. auch für ein Fahrzeug? Auch die Lieferkosten können unliebsame Überraschungen bieten.

Manches Gerät besticht nicht durch die technische Genauigkeit oder die physikalische Höchstleistung. Einige Anbieter haben ihren Geräten teilweise wertvolle Zusatzfunktionen mit auf den Weg in den rauen Industriealltag gegeben. Häufige Anforderung: Weitergabe der Informationen. Zur leichteren Berichterstellung sichern einige Kameras parallel ein "normales" Bild. Um die Auffindbarkeit noch einen Schritt zu verbessern, bieten sich zudem auch Geräte mit GPS-Funktion an. Testo wirbt sogar mit einer automatisierten Messorterkennung mit Messortverwaltung, die im Modell 885 Wärmebilder nach einem Messdurchgang voll automatisiert erkennt, abspeichert und verwaltet.

Zwar ist der Haupteinsatz wohl im mobilen Bereich zu sehen, dennoch kann auch das kontinuierliche Überwachen bestimmter Stellen eine wichtige Option sein. Interessant könnte hier die Möglichkeit zur Fernsteuerbarkeit der Kamera via W-Lan sein, mit dem einige Anbieter, wie zum Beispiel Flir mit der GF320, ins Rennen um die Käufergunst gehen. Tragegurt und Datenübertragungskabel hingegen sollten zur Standard-Ausrüstung gehören. Ein integrierter Laserpointer hingegen als nützliche Hilfe zum Anpeilen bestimmter Stellen ist nicht überall enthalten.

Staub und Feuchtigkeit sind ständiger Begleiter eines Instandhaltungstrupps. Daher sollte auch auf die Schutzart IP geachtet werden. IP 5X und IP 6X wären gegen Staub geschützt und bei einem X zwischen 1 und 4 sogar auch gegen Spritzwasser.

Professionelle Wärmebildkameras sollten mindestens 320 x 240 Messwerte ausgeben. Ein möglichst kleiner Messfleck (IFOV) bei gleichzeitig größtmöglichem Sichtfeld (FOV) verbessert die Übersicht. Idealerweise sollte ein FOV über 30° bei einem IFOV von ca. 1?mrad verwendet werden (~2?mrad bei kleineren Detektoren), um möglichst viele Detailinformationen auf ein Bild zu bekommen. Wechselobjektive statt Vorsatzlinsen sorgen für eine optimale relative Temperaturgenauigkeit und drehbare Handgriffe sowie schwenkbare Touch-Displays mit zusätzlicher Tastenbedienung erhöhen die Flexibilität vor Ort.

Neben der Kamera selbst ist auch eine intuitiv bedienbare PC-Software wichtig, die alle relevanten Daten in passender Form verarbeiten und auf beliebig vielen Rechnern installiert werden kann.

Waren diese Kameras in früheren Jahren ein entsprechend teures High-Tech-Produkt, hat sich der Markt mittlerweile um erschwingliche Modelle erweitert. Doch worin unterscheiden sich die einzelnen Geräte? Auf welchen Hersteller kann man sich verlassen? Worin liegen typische Leistungsunterschiede? Welche Rolle spielen Gesichtsfeld, Super-Resolution und Co. beim Kauf einer solchen Kamera?

Um die Anwender solcher Thermografie-Geräte bei der Entscheidung zu unterstützen, hat PROCESS den Test gemacht. Wir wollten es genau wissen und haben führende Hersteller von industriell eingesetzten Wärmebildkameras angeschrieben und um Test-Objekte gebeten. Doch weil die Redaktion eher aus Verfahrenstechnikern besteht als aus Optronik-Spezialisten, wurden die technischen Tests beim Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB in Auftrag gegeben. Die Fachleute aus Ettlingen sind die richtigen Experten zur Beurteilung der verschiedenen Parameter.

Auf der nächsten Seite erfahren Sie Details zum Test...

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