Insektenproteine verarbeiten Die krabbelnde Proteinquelle: Insekten als Futtermittel der Zukunft
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Kann die industrielle Zucht von Insekten als Tierfutter einen Beitrag leisten, die Welt zu ernähren? Wenn in Zukunft fast zehn Milliarden Menschen satt werden wollen, heißt es erfinderisch zu werden: Ausgerechnet den kleinsten und unscheinbarsten Bewohner des Planeten spielen dabei eine Schlüsselrolle: Insekten sind anspruchslos, ernähren sich von biologischen Rest- und Abfallstoffen und könnten als Tierfutter groß rauskommen. Doch dafür braucht es geeignete Produktions- und Verarbeitungsprozesse.

Schon 1998 brachte das Animationsfilm-Studio Pixar „Das große Krabbeln“ in die Kinos. 2021 krabbelt es nicht nur auf der Leinwand: Unscheinbare Insekten könnten als Proteinquelle für Viehfutter Karriere machen.
Die Weltbevölkerung und ihr Fleischkonsum wachsen in noch nie dagewesenem Ausmaß. Die Vereinten Nationen schätzen in Hochrechnungen, dass die Weltbevölkerung bis 2050 auf 9,7 Milliarden Menschen anwächst. Das würde einen Bedarfsanstieg von 50 Prozent bei der Bereitstellung hochwertiger Proteine bedeuten – doch sind bereits heute etwa 85 Prozent der potenziell landwirtschaftlich nutzbaren Fläche der Erde für die Lebensmittelproduktion gesichert.
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Um das für den menschlichen Verzehr vorgesehene Geflügel und Vieh mit einem hohen Nährstoffgehalt versorgen zu können, werden daher neue Lösungen benötigt. Denn obwohl bereits etwa zwei Drittel aller angebauten Gemüseproteine durch die industrielle Viehzucht verbraucht werden, ist die Fleischproduktion ineffizient: Im Schnitt werden vier Kilogramm pflanzliche Proteine benötigt, um ein Kilogramm tierisches Eiweiß zu erzeugen. Zudem treiben die riesigen Mengen an Soja, die als Viehfutter benötigt werden, die Abholzung von Wäldern voran.
Insekten – eine effiziente Futterquelle?
Dabei könnte die Lösung großer Probleme ganz klein daherkommen. Genauer gesagt: nicht einmal zwei Zentimeter groß und sechsbeinig. Insekten wie die Schwarze Soldatenfliege, schon heute als Futter für Geflügel und Fische eingesetzt, könnte die Zucht der kleinen Krabbler im großen Stil zum Gamechanger in der Nahrungskette werden. Blieben bisherige Versuche, Insekten etwa als Viehfutter industriell zu züchten, meist rein experimentell und auf kleine Maßstäbe beschränkt, haben Firmen wie Bühler Insect Technology Solutions (BITS) größere Pläne: Die Insektenspezialisten sehen enorme Vorteile für die Ernährungssicherheit und Umwelt in der Fütterung von Nutztieren mit insektenbasierten Proteinen. Dabei sind für ein Kilogramm Insektenprotein etwa zwei Kilogramm Futter nötig – eine vergleichbare Futterbilanz wie etwa Hühner.
Wollte man die gleiche Menge tierisches Eiweiß mit Rindern erzeugen, wären dagegen 20 Kilogramm Futter erforderlich. Zudem benötigt die Produktion eines Kilogramms Insektenprotein nur einen Quadratmeter nicht landwirtschaftlich nutzbarer Fläche. Damit hätte die industrielle Insektenzucht das Potenzial, große Flächen Land freizugeben, die derzeit für den Futtermittelanbau verwendet werden.
Als Futterquelle für die Insekten können organische Nahrungsabfälle dienen, die üblicherweise weggeworfen oder verbrannt werden. Die Insekten gewinnen hieraus Proteine und kombinieren sie neu. Anschließend gelangen diese Proteine als Futter oder Düngemittel wieder in den Nahrungskreislauf.
Waschen, trocknen und (zer-)legen
Bühler setzt dabei auf die Kombination aus Fachwissen über die Aufzucht von Insekten einerseits und Erfahrung in der Lebensmittel- und Futterverarbeitungstechnologie andererseits, um eine industrielle Insektenzucht und -Rohstoffverarbeitung zu entwickeln. Doch das geht nicht im Alleingang: Insbesondere bei der Wärmeübertragung und Flüssigkeitsabscheidung war Spezialisten-Expertise in Sachen Apparate- und Anlagenbau gefragt.
Der Prozess der Insektenverarbeitung beginnt mit dem Waschen, Zerlegen und Trocknen der Insekten. Über Extraktion bzw. Zermahlen werden Fette und Öle sowie Proteinmehl gewonnen. Andreas Aepli, CEO von BITS, betont: „Entscheidend für eine gleichbleibende Qualität ist die technologische Standardisierung. Eine sichere und effiziente Insektenzucht erfordert eine sorgfältige Klimakontrolle und biologisch sichere Umgebungen – was in dieser Größenordnung nicht einfach zu erreichen ist.“ Die Lösung lag im Einsatz bewährter Schlüsseltechnologien für die neuen Anwendungen in der Proteinversorgung.
Die industrielle Produktion hat begonnen
Fündig wurden die Insekten-Experten bei Alfa Laval: Der schwedische Apparatebauer hatte bereits Kunden mit entsprechenden Verarbeitungstechnologien unterstützt und wollte ohnehin das Angebot auf dem wachsenden Markt der Insektenverarbeitung verstärken. Dabei konnte Alfa Laval dank des umfangreichen Unternehmens-Portfolios zahlreiche Komponenten und Systeme entlang der Prozesskette einbringen.
Im ersten Schritt werden die Larven zur besseren Verarbeitbarkeit vorgeschnitten. Anschließend erfolgt eine Erhitzung durch direkte Dampfinjektion oder mittels eines Wärmetauschers, der Dampf als Heizmedium einsetzt. Ein speziell für die Insektenverarbeitung optimierter Drei-Phasen-Dekanter trennt nun das erhitzte Rohmaterial in Feststoff, Leimwasser und Lipide auf. Die Lipidfraktion wird in einem High-Speed-Separator gereinigt, während das Leimwasser mittels Verdampfung aufkonzentriert wird, um weitere Proteine zu gewinnen.
Abschließend werden das Konzentrat sowie die Feststoffphase aus dem Dekanter getrocknet. Die skizzierte Nassverarbeitung ermöglicht dabei deutlich hochwertigere Endprodukte bei gleichzeitig geringerem Energiebedarf als die Trockenverarbeitung.
Insekten auf einem neuen Level
Nach einer Pilotphase startete 2018 die Produktion im industriellen Maßstab bei einem niederländischen Kunden. Gemeinsam können BITS und Alfa Laval nun sowohl Lösungen für spezifische Aufgaben wie die Extraktion von Proteinen und Lipiden als auch komplette Anlagen einschließlich Insektenzucht und -verarbeitung anbieten.
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Dabei stellt Alfa Laval den Nass-Verarbeitungsteil – von einzelnen Komponenten und Modulen bis hin zur schlüsselfertigen Verarbeitungslinie. Die Produktionskapazitäten können dank des Baukastenprinzips der Teilanalgen flexibel erweitert werden. Und auch in Sachen Effizienz sieht man sich zukunftsfit aufgestellt: „Unsere Lösungen erzeugen hochwertige Endprodukte bei gleichbleibend geringem Energieverbrauch. Die Systeme ermöglichen eine schnelle Inbetriebnahme und erfüllen alle entsprechenden Hygieneanforderungen“, erklärt Sumit Pingle, Vice President Agro & Protein Systems bei Alfa Laval. Weitere Projekte sind schon geplant - einer Fortsetzung des großen Krabbelns steht also nichts im Wege.
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