Bioverfahrenstechnik Deutsch-französisches Konsortium erhält Zuschlag für Abfallverwertung in Paris

Redakteur: MA Alexander Stark

Ab März 2020 werden fünf Partner im Großraum Paris eine Pilotanlage mit neuen Verfahren zur gemeinsamen Behandlung von organischen Restabfällen und Klärschlämmen errichten und betreiben. Wenn sich das Pilotprojekt bewährt, soll nach diesem Konzept ab 2025 eine industrielle Großanlage unter anderem bis zu 76.000 Tonnen organischer Reststoffe pro Jahr umweltgerecht zu Biogas und Dünger verarbeiten.

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Flüssigphase und hieraus gewonnener Phosphordünger Magnesium-Ammonium-Phosphat (Struvit).
Flüssigphase und hieraus gewonnener Phosphordünger Magnesium-Ammonium-Phosphat (Struvit).
(Bild: Fraunhofer IGB)

Stuttgart; Paris/Frankreich – Der Großraum Paris hat sich für eine innovative Lösung zur Verwertung von organischen Abfällen entschieden. Dabei ermöglichte es ein neues Vertragsmodell den Unternehmen Tilia (Leipzig), Gicon - Großmann Ingenieur Consult (Dresden), France Biogaz Valorisation (Strasbourg), Fraunhofer IGB (Stuttgart) und dem DBFZ Deutsches Biomasseforschungszentrum (Leipzig), Anforderungen und Bedürfnisse zu erfüllen, die der Markt und vorhandene Produkte oder Dienstleistungen bisher nicht abdecken konnten.

Christophe Hug, Geschäftsführer des Leipziger Dienstleisters Tilia erklärte, dass es im Gegensatz zu üblichen Forschungsprojekten aber nicht dabei bleibe, innovative Lösungen zu entwickeln – sie würden auch unmittelbar in der industriellen Praxis umgesetzt. Der Auftraggeber habe dann die Möglichkeit, bei mehreren Auftragnehmern mitzuarbeiten und verschiedene Wege zu testen, bevor er sich für eine Lösung entscheidet. Gestartet war das Projekt bereits 2017.

Für eine erste Labor- und Konzeptphase haben zwei kommunale Pariser Zweckverbände (Syctom und SIAAP) 2018 zunächst vier Konsortien ausgewählt, technologische Konzepte für eine maximale Verwertungsquote der Abfallfraktionen zu entwickeln. Dies erfolgte zeitlich parallel im Sinne eines Wettbewerbs. Das in Phase 1 von der Leipziger Tilia geführte deutsch-französische Konsortium hatte im Ergebnis der ersten Projektphase ein innovatives Technologiekonzept aus verschiedenen Modulen präsentiert, mit denen eine maximale Umwandlung von organischem Kohlenstoff in den Energieträger Biomethan sowie eine Nährstoffrückgewinnung ermöglicht wird. Dafür wurden fast 8000 Kilogramm organischer Reststoffe (Hausmüll, Klärschlamm, Pferdemist sowie Fett) analysiert und hunderte Tests durchgeführt.

Um die Machbarkeit und die Leistung des konzipierten Behandlungskonzeptes beweisen zu können, entwarf das Konsortium anschließend eine Pilotanlage, die eine spätere Großanlage im „Kleinen“ darstellt. Grundlage für die Planung und Auslegung der Pilotanlage bildeten dabei die in den Laboren von DBFZ, Fraunhofer IGB und GICON ermittelten Versuchsergebnisse.

Anlage zum Trocknen der HTC-Kohle mit überhitztem Dampf.
Anlage zum Trocknen der HTC-Kohle mit überhitztem Dampf.
(Bild: Fraunhofer IGB)

Gicon-Geschäftsführer Dr. Hagen Hilse beschreibt die Bedeutung eigener Forschung & Entwicklung: „Gicon setzt seit der Firmengründung vor mehr als 25 Jahren auf die Entwicklung innovativer Technologien und hat dabei neben eigenen Forschungstätigkeiten eine enge Kooperation mit Forschungseinrichtungen aufgebaut. Dank unseres aufgebauten Know-hows und der vorhandenen Infrastruktur für Substratversuche konnten wir gemeinsam mit unseren Partnern eine passgenaue Lösung zur Behandlung und Weiterverwertung der Pariser Abfälle entwickeln. Das ist ein Musterbeispiel für anwendungsorientierte Forschung.“

Vom Pilotprojekt zur industriellen Großanlage

Das Konzept hat offenbar überzeugt: Im Januar 2020 haben Syctom und SIAAP zwei Konsortien beauftragt, in Phase 2 der Innovationspartnerschaft eine Pilotanlage zu errichten, darunter das von Tilia geführte Konsortium. Für den Auftrag hatte auch die langjährige Erfahrung der deutschen Konsortiumsmitglieder bei der Methanisierung und Nährstoffrückgewinnung eine entscheidende Rolle gespielt. „Tilia verfügt über ein breites Wissen in der Konzipierung von innovativen technischen Lösungen sowie im Betrieb von Anlagen und gewährleistet die technisch-wirtschaftliche Integration“, so Christophe Hug. „Als deutsch-französisches Unternehmen und dank ihrer Erfahrung bei der Zusammenarbeit mit Partnern aus unterschiedlichen Bereichen konnten wir auch den kooperativen Dialog und das Projektmanagement erfolgreich meistern.“

Im März 2020 wird die Umsetzung des Pilotprojekts beginnen, wofür der Dresdner Ingenieurdienstleister Gicon die übergreifende Generalplanung für die gesamte Pilotanlage übernimmt. Zunächst beschäftigt sich das Konsortium mit den detaillierten Planungen für die Pilotanlage, die aus mehr als acht einzelnen technologischen Komponenten (Modulen) besteht und eine Behandlungskapazität von ca. 400 Tonnen pro Jahr erreichen wird.

Ab 2021 werden die Bauarbeiten in der Nähe von Paris starten. Anschließend werden alle Module zusammen in einer zwölfmonatigen Testphase betrieben. Dabei werden die optimalen Betriebsparameter sowie ein für alle innovativen Module aufeinander abgestimmtes Betriebsregime ermittelt. Aufbauend darauf erfolgt eine Validierung der Umsetzbarkeit und Leistungsfähigkeit des Behandlungskonzeptes für die industrielle Anlage.

Am Ende dieser Erprobungsphase werden die zwei Zweckverbände auf Basis der Versuchsergebnisse und der Leistungsfähigkeit der Pilotanlage entscheiden, ob das Konzept auch im industriellen Maßstab realisiert werden soll. Mit der industriellen Anlage könnten dann pro Jahr enorme Mengen organischer Reststoffe mit einem hohen Wertschöpfungsgrad verarbeitet werden – unter anderem bis zu 76.000 Tonnen aufbereiteter organischer Restabfall und erhebliche Mengen von Klärschlamm und Pferdemist.

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