BIM-gestützter Gerüstbau BIM wird fit für den Anlagenbau
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Die Situation ist paradox. Die immer komplexeren Stoff- und Energieströme wären ohne die heutigen Software-Werkzeuge prozess- wie anlagentechnisch weder planbar noch im Betrieb beherrschbar. Für den Aufbau der Anlage aber spielt die Digitalisierung allenfalls eine Nebenrolle. Diese Diskrepanz war für die Unternehmen BASF, Promaintain und Peri der Anlass, die Potenziale des digitalisierten Industriegerüstbaus grundsätzlich zu untersuchen und bei Erfolg auch weiterzuentwickeln.

Erst digital bauen, dann real: dieses über zehn Jahre alte BIM-Versprechen (Building Information Modeling) ist im Anlagenbau bis 2018 ein weißer Fleck gewesen.
Mit dem Pilotprojekt der neuen Acetylenanlage, BASF Ludwigshafen, hat sich abgezeichnet, welche Wertschöpfungspotenziale der BIM-gestützte Gerüstbau tatsächlich bieten kann.
Diese in Fachkreisen bereits als „engineered saffolding“ bekannte Vorgehensweise basiert auf drei Faktoren: der Existenz von „Digitalen Zwillingen“, dem Einsatz von BIM als Planungs-, Informations- und Kommunikationsplattform und dem Potenzial einer innovativen Gerüsttechnik.
Digital und analog sind zweierlei
So wie der Hoch- und Ingenieurbau kämpft auch der Anlagenbau mit den prinzipbedingten Übergangsproblemen zwischen digitalen, algorithmisch exakten Planungswerkzeugen und dem Einsatz analoger, erfahrungsbasierter Bauverfahren, die im Rahmen von manuellen und/oder mechanisierten Bau- und Montageformen ausgeführt werden. Um die Planungsvorgaben dennoch möglichst verlustfrei umsetzen zu können, ist die konsequente Digitalisierung der Bauprozesse unumgänglich. Dieses beidseitige Wissen war für Promaintain und Peri der Ausgangspunkt, um für den Industrie- gerüstbau ein BIM-spezifisches Managementmodul zu entwickeln.
In dieser Kooperation übernimmt Promaintain federführend die Aufgaben des Projektentwicklers sowie der Projektsteuerung und Peri die Bereitstellung und das Engineering seiner Gerüst- und Schalungstechnik.
BIM wird anlagenbaufähig
BIM ist eine IT-gestützte Methode, die alle planungs- und ausführungsrelevanten Bauwerksinformationen mit einem virtuellen, digitalen 3D-Bauwerksmodell verknüpft. Diese Informationen werden innerhalb einer synchronisierten Datenumgebung hinterlegt, auf die alle Projektbeteiligten jederzeit zugreifen können.
Der Ausgangspunkt für die BIM-Gerüstplanung ist das jeweilige 3D-Anlagenmodell des Auftraggebers und späteren Betreibers. Innerhalb der identischen Softwareumgebung entwickeln die Teams von Peri und Promaintain ein sogenanntes digitales Fachmodell für das Gewerk des Gerüstbaus. Um BIM-konform zu sein, muss dieses Fachmodell alle geometrischen und alphanumerischen Daten zu Art und Ausführung der Gerüstkonstruktion enthalten.
Zu diesen Informationen gehören die statischen Bemessungen, die Materiallogistik, Montageabläufe, die Baufortschritts- und Kostenüberwachung oder die Arbeitssicherheit und der Gesundheitsschutz. Auf dieser Basis können sogenannte BIM-Anwendungen durchgeführt werden – häufig in Form von 3D-Visualisierungen. Dadurch können alternative Gerüstkonstruktionen untersucht, Kollisionen zwischen Anlagen- und Gerüstgeometrie identifiziert oder die geplanten Bau- und Montageabläufe simuliert werden. Über Tablets und Internetanbindung haben auch die Gerüstmonteure auf der Baustelle jederzeit Zugriff auf alle ausführungs- und prüfrelevanten Informationen. In der Literatur zum Planen, Umsetzen und Betreiben von verfahrenstechnischen Anlagen fällt auf, dass die Gerüsttechnik dort bestenfalls als nachrangiger Teil der Baustelleneinrichtung erwähnt wird. Promaintain und Peri dagegen sind in ihrer systematischen Analyse der komplexen Bau- und Montageabläufe zu ganz anderen Schlussfolgerungen gekommen.
Gerüstbau als Wertschöpfungsfaktor
Die theoretische Betrachtung zeigt, wie weitreichend der BIM-gestützte Gerüstbau in seiner Funktion als Arbeits-, Schutz- und Traggerüstkonstruktion die Fertigungsabläufe im Großanlagenbau mitbestimmt. Allein die Zahl der für den Anlagenbau notwendigen Gewerke macht dies plausibel. So waren während der Erstellung der neuen Acetylenanlage, BASF Ludwigshafen, zeitweise bis zu 1.300 Menschen tätig – zusammengesetzt aus den Gewerken für den Gebäudebau, den Rohrleitungs-, Apparate- und Maschinenbau und für die Installationsarbeiten der Elektro- und MSR-Technik.
Sie alle sind auf Gerüste angewiesen, um ihren gewerkespezifischen Materialfluss, Betriebsmitteleinsatz und Arbeitstätigkeit organisieren und ausführen zu können. Um die Bedeutung einer konsequent vorgeplanten und ausgeführten Baulogistik besser abschätzen zu können, ist ein Blick auf die Situation im Hochbau hilfreich. Dort haben Untersuchungen zwei Ursachen für die Kostentreiber bzw. Produktivitätshemmnisse in der Erstellungsphase nachgewiesen:
- die Ineffizienz der vorgelagerten Arbeitsschritte,
- und fehlgeleitete, blockierte sowie überflüssige Arbeitstätigkeiten während der Ausführung.
Im Ergebnis bedeutet dies, dass durchschnittlich nur 20 bis 25 Prozent der Baustellenarbeiten wertschöpfend sind; die übrigen 75 bis 80 Prozent werden durch Wartezeiten, Suchvorgänge und arbeitsvorbereitende Tätigkeiten verbraucht. Um solche Fehlentwicklungen künftig besser vermeiden zu können, sind Konzepte entstanden wie BIM oder Lean Construction, die als Projektmanagement-Methoden dafür sorgen sollen, dass Planungsvorgaben und Ausführungsergebnisse möglichst deckungsgleich sind.
Gewerkeübergreifende Schnittstellen- und Prozesskompetenz
Promaintain hat auf der Basis der BIM-Methodik ein eigenständiges Projektmanagement-Modul entwickelt, das die Gesamtheit der gerüstgebundenen Material-, Geräte- und Arbeitsströme baulogistisch kalkulieren, planen, koordinieren, überwachen und dokumentieren kann. Dazu gehören auch die logistischen Nebenprozesse wie die Bereitstellung von Kränen, Aufzügen, Hebebühnen oder der Einsatz von Gabelstablern oder Transportfahrzeugen.
Der Aufbau der Gerüstkonstruktion erfolgt synchron zum Baufortschritt im jeweiligen Anlagenabschnitt. Das 3D-Anlagenmodell in Kombination mit dem 3D-Gerüstmodell bietet daher für alle Baubeteiligten eine ideale Basis für die baustellenbezogene Vorplanung und Arbeitsvorbereitung, um die Ansprüche der gerüstabhängigen Gewerke baulogistisch optimieren zu können.
Digitale Bauakte im Zentrum
Promaintain untersucht, definiert und regelt daher alle Beschaffungs-, Produktions- und Entsorgungsvorgänge, die über die Gerüstanlagen geführt werden. Parallel dazu wird in einem kontinuierlichen Soll-ist-Abgleich das Anlagen- mit dem Gerüstlayout überprüft, um bei etwaigen Abweichungen oder Mängeln jederzeit gegensteuern zu können. Zudem wird je nach Planungs- und Fertigstellungsstand von den verantwortlichen Ingenieursdisziplinen in Model Reviews die prozess- und anlagentechnische Richtigkeit zwischen der virtuellen und realen Anlagenkonstruktion geprüft. Alle diese Vorgänge werden in einer digitalen Bauakte zusammengeführt und strukturiert abgelegt. Nach Projektabschluss dient die Bauakte dem Auftraggeber und Anlagenbetreiber als As-Built-Dokumentation für spätere Revamps oder Turn-Arounds.
Diese Form einer baulogistischen Projektleitung erfordert von Promaintain und Peri ein tiefgreifendes Verständnis für die ausführungstechnischen Zusammenhänge und Abläufe im Anlagenbau. Diese Kompetenz wird gegenwärtig kontinuierlich ausgebaut, indem Promaintain aus den Gewerken des Anlagenbau Spezialisten rekrutiert.
Statisch und dynamisch zugleich
Um das Potenzial der BIM-Methodik adäquat nutzen und umsetzen zu können, braucht es eine entsprechend leistungsfähige Gerüsttechnik. An dieser entscheidenden Schnittstelle ist die Kooperation zwischen Promaintain und Peri entstanden. Während die sonst eingesetzten Modulgerüste und Schwerlasttragwerke in den 1960er und 70er-Jahren entstanden sind, verkörpern der Peri up- Gerüstbaukasten (1998) und der Ingenieurbaukasten Variokit (2005) eine neue Generation von Montagesystemen.
Beide basieren auf den Entwicklungsprinzipien modularer bzw. integraler Techniksysteme, wie sie ab 1980 für den deutschen Automobil- und Maschinenbau typisch geworden sind. Konkret: Wenige Kernbauteile und Verbindungsmittel mit hoher Funktionsintegration bilden die Basis beider PeriI Baukastensysteme, die in den unterschiedlichsten Anwendungen und Ausführungen eine hohe Gleichteilquote aufweisen.
Zudem basieren beide Systeme auf einem (okta-)metrischen Bauteil- bzw. Verbindungsraster. Die Zwischenebenen für den Vertikalaufbau sind in 50 cm Abständen angelegt, die Flächen im Horizontalaufbau können in 25 cm Schritten erweitert werden und die Verbindungsstellen von den Variokit zu den Peri up-Bauteilen beruhen auf einem 12,5 cm Raster. Dadurch wird ein Optimum an geometrischer Aufbau-Variabilität und Lastaufnahme-Genauigkeit erreicht.
Zudem gilt der Peri up-Gerüstbaukasten bei den Arbeits- und Schutzgerüsten als Benchmark für die systemintegrierte Arbeitssicherheit – so zum Beispiel bei der Montage des Seitenschutzes oder von sicher nutzbaren Belagsflächen.
Dank einer intelligent ausgelegten Verbindungstechnik können selbst bei einer aufgebauten Gerüstkonstruktion jederzeit die von den verschiedenen Gewerken benötigten partiellen Um-, An- und Rückbauten schnell und sicher vorgenommen werden.
BIM bedeutet Verbindlichkeit und eine neue Kultur
Für BIM ist der Begriff „Kollaboration“ ein zentrales Verhaltensgebot. Es verpflichtet die Baubeteiligten darauf, für den Auftraggeber und Betreiber ein zeit-, kosten- und qualitätsgerechtes Bau-/Anlagenprodukt zu erstellen, das seine Erwartungen an Güte, Funktion und Dauerhaftigkeit erfüllt. Dieses Vorgehen erfordert einen Kulturwechsel im Rollenverständnis zwischen allen Baubeteiligten.
Auftraggeber BASF ist bereit, in verbesserte Bedingungen für die Planung, Arbeitsvorbereitung und Ausführung von Industriegerüsten zu investieren. Die gerüstnutzenden Auftragnehmer stehen dafür ein, dass sie ihre Gewerkeleistung innerhalb der gemeinsam erarbeiteten und festgelegten Gerüstausführung ausführen können. Entstehen dennoch ungeplante Änderungs- und Anpassungskosten am Gerüst, müssen die Verursacher dafür selbst aufkommen. Diese Besonderheiten in der Zusammenarbeit mit BASF ermöglichen eine neue Sicht auf den Gerüstbau. Es entsteht dadurch Kostensicherheit für ein Gewerk, das nach dem Rohrleitungsbau als das zweitteuerste gilt. Und der Gerüstbau ist – richtig gedacht, geplant und umgesetzt – ein indirekter Wertschöpfungsfaktor, der die Arbeitsabläufe der gerüstabhängigen Gewerke deutlich verbessern kann. ●
* * Der Autor ist Architekt und Fachjournalist. Kontakt zu Peri Deutschland: info@peri.de
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