GMP – Good Manufacturing Practices in der Übersicht Aus Schaden wird man klug: Wie funktioniert GMP in der Pharma-Praxis?
Man darf überall sparen - nur nicht an der Qualität: Gute Herstellungspraxis (englisch Good Manufacturing Practice, abgekürzt GMP) hat sich im Laufe des letzten Jahrhunderts zu einer der wesentlichen Anforderungen in Sachen Arzneimittelsicherheit entwickelt. Dieses „1x1 des guten Produzierens“ ist nicht vom Himmel gefallen - Es ist die Summe der Erfahrungen zum Teil drastischer Ereignisse, die im Rahmen von GMP-Konferenzen, -Schulungen und -Kongressen aufgegriffen werden, um eine Sensibilität für die Notwendigkeit von GMP zu erzeugen. Doch wie kommt es überhaupt zu solch tragischen Fehlern, Qualitätsmängel und Unfällen?
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Die Erfahrungen aus rund hundert Jahren Medikamentenherstellung zeigen, dass bei der Herstellung, Prüfung und dem Vertrieb von Arzneimitteln eine Menge passieren kann. Doch warum kommt es trotz aller Maßnahmen zur Arzneimittelsicherheit überhaupt zu Fehlern? Der enorme Kostendruck treibt unter anderem die pharmazeutische Industrie mehr und mehr dazu, billige Ausgangsstoffe und Fertigarzneimittel aus dem nicht-europäischen Ausland, vorwiegend dem asiatischen Raum, zu importieren. Diese Hersteller lassen sich nur sehr schwer mit den hiesigen Anforderungen an Qualität in Einklang bringen. So schafft beispielsweise die FDA nur eine Inspektionsquote von etwa 7 % der Hersteller aus dem asiatischen Raum. Kann Good Manufacturing Practice (GMP) unter diesen Umständen überhaupt ein Erfolg werden?
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Eine hundertprozentige Rückverfolgung gibt es also nicht. Kosten versus Qualität – eine schmale Gratwanderung, der man aber mit den GMP-Regularien wirkungsvoll begegnen kann. So veröffentlichte die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft auf Ihrer Website allein für das laufende Jahr 2018 über zehn so genannte Rote-Hand-Briefe, in denen Hersteller und Herstellerverbände von Fertigarzneimitteln wichtige Informationen zur Arzneimittelsicherheit über potentielle Risiken und Rückrufe von Arzneimitteln informieren.
Darüber hinaus lassen sich auf der Internetseite des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) weitere Risikoinformationen einsehen, die über potentielle Gesundheitsgefährdungen und Risiken informieren.
6896 Fälle: Arzneimittel im Verdacht
Im Berichtszeitraum 2007/2008 bearbeitete allein die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) insgesamt 6896 Meldungen zu Arzneimittelrisiken aus Krankenhausapotheken. Knapp 22,40 % der Berichte betrafen Beobachtungen zu unerwünschten Wirkungen oder Arzneimittelmissbrauch beziehungsweise -fehlgebrauch, die an die zuständigen Bundesoberbehörden weitergeleitet wurden.
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Aus dem Leben eines Auditors
Vom kreativen Umgang mit Daten in einem chinesischen Wirkstoffbetrieb
Der größere Teil der eingegangenen Berichtsbögen bezog sich auf Beanstandungen der pharmazeutischen Qualität, wie zum Beispiel galenische Mängel (26,20 %), Verpackungsfehler (28,50 %), mechanische Probleme bei Dosieraerosolen (11,60 %) oder Deklarationsfehler (6,40 %). 2007 wurden 1365 Untersuchungen von eingesandten Arzneimitteln im Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker (ZL) veranlasst.
In 565 Fällen (8,2 % der Meldungen) waren die Mängel so gravierend, dass von Seiten der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker die für den Hersteller zuständige Aufsichtsbehörde informiert werden musste. Insgesamt 435 „Wichtige Mitteilungen“ der AMK wurden im letzten Jahr in der Fachpresse veröffentlicht. Darunter waren unter anderem 33 Chargenrückrufe, die aufgrund der Meldungen aus Apotheken und entsprechender Hinweise der AMK von den Herstellern veranlasst wurden.
Warum GMP auch international kommen muss
Darüber hinaus lassen sich in der Literatur weitere Informationen für Rückrufe von Arzneimitteln finden. So wurden beispielsweise im Jahre 2007 ganze 133 Produkte zurückgerufen, davon alleine 67 aufgrund eines Verpackungsfehlers. Ist Arzneimittelsicherheit so überhaupt möglich?
Der Trend scheint erkennbar: Eine Steigerung der Mängel um nahezu 34 % im Jahre 2007. Dieser Trend ist nicht im Sinne von GMP und bedeutet, dass die Regeln auch in anderen Ländern der Welt konsequent eingeführt und angewendet werden müssen, um die Gesundheit und das Wohl von Patienten nicht unnötig zu gefährden.
Das Imperium schlägt zurück: Mit dem EU-GMP-Leitfaden steht die "amtliche" Grundlage für den Aufbau eines Qualitätssicherungssystems. Aber was steht eigentlich drin? Auf Spurensuche zwischen Hygiene und Dokumentation...
EU-GMP-Leitfaden: Das steht drin
Seit dem 9. November 2006 steht die aktuell wichtigste Grundlage für den Aufbau eines Qualitätssicherungssystems für die Arzneimittelsicherheitals amtliche und gültige deutsche Version des EU-GMP-Leitfadens zur Verfügung. Der EU-GMP-Leitfaden für Human- und Tierarzneimittel konkretisiert die Richtlinie 2003/94/EG zur Festlegung der Grundsätze und Leitlinien der Guten Herstellungspraxis für Humanarzneimittel und für zur Anwendung beim Menschen bestimmte Prüfpräparate sowie die Richtlinie 1991/412/EWG zur Festlegung der Grundsätze und Leitlinien der Guten Herstellungspraxis für Tierarzneimittel. Bereits im Jahr 1989 erschien erstmals ein EG-GMP Leitfaden als Empfehlung zur Richtlinie 75/319/EWG, der die Anforderungen der GMP größtenteils recht allgemein gefasst beschrieb. Im Jahr 1994 wurde dann die Richtlinie 91/356/EWG vom 13. Juni 1991 in nationales Deutsches Recht transformiert.
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Hintergrund GMP
GMP – eine (noch junge) Erfolgsgeschichte in Sachen Arzneimittelsicherheit
Die heute gültige Fassung aus dem Jahr 2006 in deutscher Sprache, die zur Auslegung der Regelungen der Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung (AMWHV) unverzichtbar ist, wurde im Bundesanzeiger veröffentlicht. Die Übersetzung aus dem englischen Original stammt vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG).
Dieser GMP-Leitfaden wird hierbei in zwei Teile unterteilt und damit wie folgt kurz dargestellt:
Qualitätssicherung zwischen Hygiene und Dokumentation
Der Teil I des EU-GMP Leitfadens richtet sich an die pharmazeutischen Herstellbetriebe innerhalb der EU. Seit 2006 liegt der Leitfaden in zwei großen Teilen samt Anneces vor. Das vorrangige Ziel ist, eine hohe Arzneimittelqualität sicherzustellen. Teil 1 beinhaltet folgende Kapitel:
- Kapitel 1 – Qualitätssicherungssystem/Quality Policy: Qualität darf kein Zufall sein, sondern soll das Ergebnis von sorgfältiger Planung, der ordnungsgemäßen Durchführung sowie einer permanenten und effizienten Überwachung sein. Ferner handelt es sich um eine Verpflichtungserklärung des Managements zur Qualität.
- Kapitel 2 – Personal: Alle Mitarbeiter müssen die aktuellen SOPs, Vorgaben, Vorschriften und die notwendigen gesetzlichen Grundlagen kennen und beherzigen. Fort-, Aus- und Weiterbildung müssen im Rahmen von Schulungsplänen gewährleistet sein. Die Verantwortungsabgrenzung hinsichtlich GMP muss allen bekannt sein. Die Aufgaben jedes Mitarbeiters müssen über eine Stellenbeschreibung definiert sein.
- Kapitel 3 – Räumlichkeiten, Einrichtungen und Ausrüstung: Im Bereich der Herstellung und Untersuchung von Arzneimitteln dürfen nur qualifizierte Räume, Einrichtungen und Ausrüstung eingesetzt werden. Es müssen regelmäßige Wartungen, Überprüfungen und Kalibrierungen erfolgen. Die Eignung muss im Rahmen von Qualifizierungen und/oder Validierungen überprüft und sichergestellt werden. Es muss ein Hygienekonzept vorliegen. Alle Wege des Produktes müssen nachvollziehbar charakterisiert und beschrieben sein.
- Kapitel 4 – Dokumentation: „Nur was sorgfältig dokumentiert ist, ist auch gemacht.“ Getreu diesem Leitsatz muss lückenlos, nachvollziehbar und leserlich, sowie fälschungssicher und nachhaltig dokumentiert werden. Ferner müssen die Rückverfolgbarkeit sowie die Bearbeiteridentifizierung nebst Datum gegeben sein. Hierzu gehören neben Protokollen auch die Chargendokumentation, die Erstellung von SOPs und das Change & Deviation Controls Management. Eine Regelung zur Archivierung muss vorhanden sein. Sämtliche EDV muss ebenfalls den Anforderungen von GMP genügen.
- Kapitel 5 – Herstellung: Die Herstellung ist abhängig von vielen qualitätsrelevanten Faktoren, unter anderem der Lagerhaltung, der Qualität der Ausgangsmaterialien (Packmittel, Hilfsstoffe und die eigentlichen Wirkstoffe) sowie den Verfahrensvalidierungen, den Fehlchargen und der Rückstellmusterbildung. Es müssen Inprozess-Kontrollen (IPC) durchgeführt werden. Lieferanten sind vor einem Erstbezug von Rohstoffen im Rahmen eines Lieferantenqualifizierungsprogramms auf Eignung zu überprüfen.
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- Kapitel 6 – Prüfung: Die Qualitätskontrolle basiert auf zuvor festgelegten Spezifikationen, die wiederum den eingereichten Zulassungsunterlagen entsprechen müssen. Es werden unter anderem Prüfungen im Bereich der Stabilität, der Reinheit, der Virenfreiheit und der Toxizität durchgeführt, bevor letztendlich eine Freigabe erfolgen kann. Sehr wichtig ist hierbei die Beobachtung und Erfassung von Trends. Diese sollten in einem jährlichen Bericht (Annual Review) dokumentiert werden.
- Kapitel 7 – Herstellung und Prüfung im Auftrag: Extern beauftrage Unterauftragnehmer unterliegen im gleichen Maße den Anforderungen nach GMP. Dies gilt sowohl für Hersteller, Laboratorien, Vertriebsorganisationen, Wartungsdienste und IT-Dienstleister.
- Kapitel 8 – Beschwerden und Produktrückrufe: Beschwerden (Complaints) müssen unverzüglich untersucht und innerhalb einer festgelegten Frist beantwortet werden.
- Kapitel 9 – Selbstinspektionen: In den internen Audits werden in regelmäßigen Abständen die Einhaltung der Richtlinien und Vorgaben überprüft. Sie dienen der Fehlererkennung, bevor ein Schaden auftritt, und der Risikominimierung, wenn ein Schaden aufgetreten ist.
Einfach mal machen: Was bedeutet der EU GMP-Leitfaden für die Hersteller von Arzneimitteln und Pharma-Produkten? Arzneimittelsicherheit in Theorie und Praxis...
Risikomanagement und GMP
Der Teil II des Leitfadens wendet sich an die Hersteller von Wirkstoffen innerhalb der EU. Am 16. April 2008 hat die EU-Kommission einen Entwurf für die anstehende Erweiterung dieses Teils publiziert. Damit will die EU-Kommission analog zu der Erweiterung von Teil I des Leitfadens für Fertigarzneimittel nun auch Risikomanagement (Quality Risk Management) gemäß den Vorgaben der Richtlinie ICH Q9 in den GMP-Leitfaden für Wirkstoffe integrieren.
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Alles neu in Sachen Arzneimittelsicherheit macht die EU: ICH Q9 wurde mittlerweile von der EU-Kommission als Annex 20 zum EU-GMP-Leitfaden publiziert. Seit der Neugliederung des Leitfadens sind die Anneces sowohl für Teil I als auch Teil II verbindlich. Daher ist eine Erweiterung des Leitfadens für Wirkstoffe ein logischer Schritt. Allerdings führt dieser nun dazu, dass der Teil II des EU-GMP-Leitfadens nicht mehr identisch mit der ICH Q7 („Good Manufacturing Practice Guide for Active Pharmaceutical Ingredients“) ist.
Dieses Dokument war Ausgangspunkt für die Harmonisierung der GMP-Anforderungen für Wirkstoffe in Europa, Japan und den USA.
Mit dem Inkrafttreten der AMWHV (Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung) am 4. November 2006 wurde als deren Anlagen 2 und 3 eine offizielle Deutsche Übersetzung des Teil I und II des EU-GMP-Leitfadens veröffentlicht.
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Good Manufacturing Practice
VDI veröffentlicht Richtlinie für GMP-konforme Projekte
Fokusthema GMP: So geht es weiter
Lesen Sie in Kürze im dritten und letzten Teil der großen Reihe über Good Manufacturing Practices, welche weiteren Richtlinien und Gesetze bei der Herstellung von Arzneimitteln zu beachten sind. Den ersten Beitrag der GMP-Reihe finden Sie hier:"GMP – eine (noch junge) Geschichte"
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* B. Niggemann ist freier Mitarbeiter, R. Schnettler ist Geschäftsführer der PTS Training Services, Arnsberg.
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