Best Practice Digitalisierung Sprachschwierigkeiten: Wenn das Digitalisierungsprojekt einen Übersetzer braucht
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Damit Digitalisierung im Betrieb funktioniert müssen Schranken fallen: In den Köpfen und zwischen Abteilungen. Das geht oft nur mit Hilfe von außen. Warum sich der Maschinen- und Anlagenbauer Körting Hannover einen „Übersetzer“ ins Boot geholt hat und welche Rolle Standardisierung, eine CAD-Software und SAP dabei spielt.

In jedem Unternehmen werden „verschiedene Sprachen“ gesprochen: Der kaufmännische Bereich hat seine Sicht der Dinge. Technik, Konstruktion und Fertigung schauen aus einem ganz anderen Blickwinkel auf Geschäftsprozesse. Informationen, die für den einen Bereich entscheidend sind, sind für den anderen eher nebensächlich und umgekehrt. Selbst wenn alle Beteiligten überzeugt sind, dass Digitalisierung der Schlüssel zum nachhaltigen Erfolg ist, sieht jeder andere, scheinbar alternativlose Ansatzpunkte.
Die unterschiedlichen Vorstellungen und nicht zuletzt fehlendes Verständnis für die Bedürfnisse der jeweils „anderen Seite haben schon so manches Digitalisierungsprojekt zum Scheitern gebracht. Der Maschinen- und Anlagenbauer Körting Hannover hat sich in dieser Situation das Beratungsunternehmen DLP Engineers als „Übersetzer“ ins Boot geholt, um weitere Digitalisierungsprojekte erfolgreich mit zu implementieren.
Das Maschinen- und Anlagenbauunternehmen Körting Hannover GmbH wurde 1871 gegründet und ist in fünfter Generation im Familienbesitz. Es bietet Engineeringleistungen, Komponenten und Systeme für verfahrenstechnische Anwendungen an. Mit der kundenspezifischen Entwicklung von Strahlpumpen, Vakuum- und Umwelttechnik ist Körting zum Weltmarktführer geworden und besetzt eine wichtige Marktnische. Tochterunternehmen in Brasilien, China, Indien, Malaysia, Polen und Russland schaffen Kundennähe.
Digitalisierung auch in Nischenmärkten
„Seit Anfang der 90er Jahre ging es primär um Globalisierung; seit der Jahrtausendwende gewinnt das Kernthema ‚Digitalisierung‘ immer mehr an Bedeutung“, erklärt Mitinhaber und Geschäftsführer Dr. York Fusch. Digitalisierung bedeutet aber immer auch Standardisierung: Komponenten, Baugruppen und Prozesse müssen nach Möglichkeit vereinheitlicht werden, damit sie digital abgebildet werden können. Standards ermöglichen, IT-Systeme in Konstruktion, Fertigung, Einkauf, Materialwirtschaft, Vertrieb usw. zu verknüpfen. Damit werden Kosten reduziert, die Qualität verbessert und Zeit gewonnen. Automatisierung steigert die Effizienz beim Engineering, und damit wächst auch die Marge.
Standards versus Individualität
Strahlpumpen werden für einen Betriebspunkt ausgelegt; die Prozesse beim Kunden werden individuell analysiert, passende Lösungen werden erarbeitet und umgesetzt; fast jede Strahlpumpe ist ein Einzelstück. Das klingt, als sei Standardisierung hier gar nicht möglich. Zudem lautet das Credo des Unternehmens „Den Erfolg macht der Mensch“. Würden Versuche zur Standardisierung von Komponenten und Abläufen nicht die persönliche Kreativität und den individuellen Stil der erfahrenen Ingenieure beschneiden?
Die Basis für die Digitalisierung war bereits gelegt
Bei Körting ist moderne Software selbstverständlich: Die Abläufe im kaufmännischen Bereich werden mit SAP gemanagt. In Konstruktion und Technik haben die dreidimensionale Konstruktion mit Autodesk Inventor sowie die Verwaltung der Konstruktionsdaten mit Autodesk Vault die „dummen“ 2D-Pläne und Explorer-Strukturen beim Speichern abgelöst. Echte Digitalisierung muss beide Welten verbinden: Informationen aus der Konstruktion müssen möglichst automatisiert ins SAP-System; und in der Konstruktion muss man z. B. auf auftragsneutrale parametrisierte dreidimensionale Master-CAD-Modelle zugreifen können. Schließlich bestehen auch individuelle Strahlpumpen aus Rohren, Düsen, Diffusoren, Flanschen usw., die nicht jedes Mal neu entwickelt werden müssen.
Wer führt – CAD oder ERP?
Soweit so klar. Doch wie so oft liegt die Tücke im Detail und hier ging es u.a. darum, welches System denn das führende sein soll. Für die kaufmännischen Seite lag die Lösung auf der Hand: Wenn die Kolleginnen und Kollegen in Konstruktion und Fertigung die SAP-Applikationen nutzten, wäre alles ganz einfach.
SAP ist aber für den Einsatz in Konstruktion und Fertigung wenig geeignet. Deshalb war für die technischen Abteilungen klar: Das führende System muss die Konstruktionssoftware sein, da die geometrische Ausprägung der Apparate in der Entwicklung und Konstruktion erfolgt.
„Wir brauchten jemanden, der als Übersetzer zwischen den Projektteams aus dem kaufmännischen Bereich und aus der Konstruktion agierte“, erklärt Christoph Saul, Hauptabteilungsleiter Konstruktion, Normung und Projektabwicklung.
In der DLP Engineers GmbH aus Hannover (DLP) fanden die Teams den passenden Partner. DLP berät Unternehmen dabei, Kosten zu senken, Prozesse zu beschleunigen und die Produktivität zu steigern. Organisatoren und Experten aus unterschiedlichsten Disziplinen beraten herstellerneutral und helfen, Veränderungsprojekte erfolgreich umzusetzen. Mit dem neutralen Blick von außen zeigt das Beratungsunternehmen Chancen und Risiken in der Digitalisierung auf.
Gemeinsam Ideen entwickeln
DLP brachte die Teams aus Konstruktion und Normung sowie aus dem kaufmännischen Bereich an einen Tisch. Auch Partnerunternehmen von DLP, die künftige Ideen umsetzen können, wurden einbezogen. In monatlichen Workshops analysierten externe Berater und interne Beteiligte Prozesse und Datenflüsse. Danach erarbeitete man die Vorgaben für Schnittstelle, mit der Daten künftig automatisiert verteilt werden können. Ideen und Argumente überzeugten die Geschäftsleitung, die Gelder für eine Pilot-Schnittstelle freigab. Datenstrukturen, der Aufbau von Materialnummern und anderen Suchbegriffen sowie Übertragungsverfahren wurden erarbeitet; die Schnittstelle und Tools wurden programmiert.
Vom Pilotprojekt in den Alltag
Heute generieren die Ingenieure mit Hilfe von Autodesk Inventor die dreidimensionalen Modelle der Strahlpumpen und greifen dabei aber über SAP-Nummern direkt auf Komponenten und Baugruppen zu. Über Klassifikationen stehen den Konstrukteuren die digitalen 3D-Modelle zur Verfügung. „Dubletten“ gibt es dank der automatischen Prüfungen nicht mehr. Die Zeichnungen werden im PDF-Format ans SAP-System übertragen, ebenso die Stücklisten. Neue Teile werden automatisch als neue Stammdaten angelegt. Gleichzeitig erhält die Arbeitsvorbereitung die Informationen, um daraus Arbeitspläne zu erstellen.
Zeit gespart, Kosten gesenkt – Erwartungen erfüllt
Für die Konstrukteure war die Umstellung nicht immer einfach. Schließlich gab es auch den einen oder anderen Denkfehler. So wurde der komplette Flansch-Katalog ins System übertragen – rund 11.000 Teile. In der Praxis brauchen die Konstrukteurinnen und Konstrukteure jedoch nur etwa 600. Beim nächsten Katalog wird man genauer hinschauen. „Natürlich fühlten sich einige Kolleginnen und Kollegen durch die teilweise Standardisierung gegängelt“, sagt Christoph Saul. „Aber inzwischen sehen alle die Arbeitsersparnis vor allem beim Auffinden von Gleichteilen. Die ist gewaltig.“ Es sind nicht nur die Konstrukteure, die Zeit sparen. Durch die automatisierten Prozesse beschleunigen sich die kaufmännischen Abläufe. Auch Material- und Lagerkosten sinken.
Für Geschäftsführer Dr. York Fusch ist das Digitalisierungsprojekt ein voller Erfolg: „Die Verbindungen zwischen den technischen und kaufmännischen Bereichen sind vielfältig und komplex. Die neue Lösung bildet das effektiv ab und erfüllt damit die Erwartungen – die der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die der Kunden und auch die der Geschäftsleitung.“
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