Industrie-Gerüstbau neu gedacht Digital, vernetzt und metrisch - Sieht so der Gerüstbau der Zukunft aus?

Von Dipl. Chem. Klaus Jopp |

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Bei Großprojekten wie der neuen Acetylenfabrik der BASF ist alles überdimensioniert – auch der Gerüstbau. Nach dem Rohrleitungsbau ist es das zweit teuerste Gewerk. Trotzdem wird hier immer noch viel Zeit und Geld verbrannt. Wie ein neues digitales Konzept aus 3D-Modell, metrischem Baukastensystem für den Gerüstbau und der BIM-Methode Geld- und Zeitverschwendung einen Riegel vorschiebt. Jetzt soll das Erfolgsprojekt bei der BASF Schule machen.

Beim derzeit größten Investitionsprojekt der BASF sorgt ein innovatives Gerüstkonzept auf Basis des Peri Up Flex Gerüstsystems für Zeit- und Kostenersparnisse – und setzt zusätzlich hohe Maßstäbe bei der Arbeitssicherheit.
Beim derzeit größten Investitionsprojekt der BASF sorgt ein innovatives Gerüstkonzept auf Basis des Peri Up Flex Gerüstsystems für Zeit- und Kostenersparnisse – und setzt zusätzlich hohe Maßstäbe bei der Arbeitssicherheit.
(Bild: Promaintain)

Die weithin leuchtenden Gasfackeln über der neuen Acetylenanlage der BASF in Ludwigshafen zeigen, wie weit die Inbetriebnahme fortgeschritten ist. Beim Anfahren der neuen Fabrik im Werksteil Nord überprüfen die Betriebsingenieure das reibungslose Zusammenspiel aller Steuerungselemente und technischen Einrichtungen. Dabei schicken die Fackeln immer wieder ihren tosenden Feuerschein über das Werksgelände. Doch wenn die Anlage nach Abschluss der Anfahrphase im Normalbetrieb läuft, erlöschen die Fackeln und es herrscht wieder Ruhe über dem Werksteil Nord.

Gerüstbau ist das zweitteuerste Gewerk

Spätestens dann wird der hochmoderne Komplex mit einer Kapazität von 90 000 Tonnen pro Jahr, der nach dem weltweit effizientesten Produktionsverfahren arbeitet, die seit den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts bestehende Altanlage ersetzen.

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Das Vorzeigeprojekt der BASF setzt nicht nur in Sachen Effizienz Maßstäbe, sondern hat auch auf anderen Gebieten neue Wege beschritten. Bei Großanlagen wie der neuen Acetylenfabrik gehört der Gerüstbau zu den aufwendigsten Aufgaben. Bei solchen Dimensionen müssen entsprechend große Gerüste errichtet werden, die jede Montagetätigkeit begleiten.

Das betrifft u. a. Maschinen und Apparate, den sekundären Stahlbau, Rohrleitungen, Kabeltrassen, Dämmung oder Korrosionsschutz. Kein Wunder, dass der industrielle Gerüstbau in der Chemieindustrie mittlerweile das zweitteuerste Gewerk nach dem Rohrleitungsbau ist. Das liegt auch an den permanent notwendigen Umbauten, die schon aus Platzgründen erforderlich sind. Zudem wurden Einrüstungskonzepte in den zurückliegenden Jahrzehnten kaum geändert, weil die entsprechenden Fachfirmen immer den vorhandenen Materialpool nutzten – schon um eigene Kosten zu sparen.

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Erstes Industriegerüstprojekt das BIM nutzt

Das Großvorhaben ist eines der ersten Industriegerüstprojekte weltweit, das nach der Methode „Building Information Modelling“ (BIM) errichtet wurde. Angesichts der beschriebenen Ausgangslage ist BASF damit erfolgreich neue Wege gegangen. Möglich wurde das auch durch einen neuen Partner, der nicht aus dem klassischen Gerüstbau kommt. Die Ingolstädter Firma Promaintain hat für derartige Aufgaben zusammen mit der Firma Peri ein umfassendes 3D-Gerüst-Modell im BASF-3D-Anlagenmodell entwickelt. Basis dabei ist das innovative Gerüstmaterial von Peri mit metrischen Maßen. „Damit konnten wir rund 80 Prozent aller Gerüste vorplanen, was einen enormen Vorteil bedeutet“, resümiert Raymond Mosbach, Contract Manager bei BASF.

Das System ist durchgängig digital aufgebaut. Dabei werden sämtliche Anlagenteile integriert, was Kollisionen verhindert. Zudem wird Gewerke-übergreifend geplant, so dass verschiedene Arbeiten gebündelt werden können. Sämtliche Gerüste sind mit einem QR-Code versehen, aus den vorhandenen Daten können so blitzschnell Stück- und Aufbaulisten sowie Gerüstzeichnungen angezeigt werden, was die Effizienz deutlich gesteigert hat. Ein Grund u.a. dafür, dass das Montagearbeiten der neuen Acetylenanlage im engen Zeitplan geblieben sind.

Gesamtlösung aus 3D-Planung, Koordination und Ausführung

Die Ausmaße der benötigten Gerüste belegen die Projektdaten: Bis zu 1300 Menschen arbeiteten in Spitzenzeiten auf der Baustelle, die mit rund 55 000 Quadratmetern eine Fläche von nahezu acht Fußballfeldern und eine Anlagenhöhe von bis zu 90 Metern bei den Fackeltürmen aufweist. Um die Anlagentechnik mit über 400 Maschinen und Apparaten sowie insgesamt 90 Kilometern Rohrleitungssystem und die Elektroinstallation effizient und sicher montieren zu können, wurde das Peri Up Flex Modulgerüst eingesetzt.

Nahezu täglich konnten damit neue Arbeitsebenen und Zugänge für die anstehenden Bau- und Montagearbeiten geschaffen werden. Die Kombination aus BIM-Methodik bei Planung und Ausführung sowie hohe Maßstäbe bei der Arbeitssicherheit bilden den zentralen Projektansatz im Industriebau. Das gemeinsam mit dem Unternehmen Promaintain entwickelte Gerüstkonzept bildet die Grundlage für eine umfassende Gesamtlösung aus 3D-Planung, Koordination und Ausführung, um Planungszeit und Kosten langfristig zu minimieren.

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Die vorausschauende und übergreifende Planung reduziert zeit- und kostenintensive Umbaumaßnahmen. Gleichzeitig sorgt die Flexibilität des Peri Up Flex Gerüstsystems in Verbindung mit Variokit-Systembauteilen für eine gute Anpassungsfähigkeit und damit Arbeitssicherheit auf hohem Niveau.

Einsätze in der Industrie fordern ein besonders anpassungsfähiges Gerüstsystem. Zugleich müssen die errichteten Arbeitsplätze höchste Anforderungen an die Arbeitssicherheit erfüllen. Das Gerüstsystem Peri Up trägt all diesen Forderungen Rechnung. Mit dem durchgängig metrischen Systemraster aller Bauteile und der Möglichkeit des Richtungswechsels der Beläge ist das Modulgerüst äußerst anpassungsfähig für unterschiedliche örtliche Gegebenheiten.

Sichere Arbeitsplätze auch in luftiger Höhe

Damit können sichere Arbeitsplattformen und Zugänge auch für höher gelegene Arbeitsplätze einer Industrieanlage geschaffen werden. Arbeitsflächen lassen sich überwiegend ohne Spalten abdecken, Störstellen sich ohne Bohlenüberwurf eben umbauen. Durch den selbstsichernden Riegelanschluss an der Rosette und der integrierten Abhebesicherung der Beläge ist das System einfach und sicher zu montieren. Während der Nutzung sorgen die umlaufenden Geländer und gelbe Bordbleche sowie rutschsichere Beläge für hohe Arbeitssicherheit.

Neben der Flexibilität generiert auch die Kombinierbarkeit von Schalung und Gerüst Vorteile bei der Projektabwicklung. Insbesondere lassen sich mit dem Variokit Ingenieurbaukasten unterschiedlichste Tragwerke kostengünstig herstellen. Beide Systeme – Variokit und Peri Up Flex – basieren auf dem metrischen Raster und sind daher untereinander kompatibel.

Zudem sorgen standardisierte Verbindungsteile für kraftschlüssige und nahezu unerschöpfliche Kombinierbarkeiten mittels Systembauteilen – das erspart improvisierte Montagearbeiten. Schwerpunkte der BIM-Methodik sind neben der 3D-Planung der eingesetzten Gerüstsysteme auch Themen wie Planungskoordination, automatisierte Kollisionsprüfung, Sicherheitschecklisten und QR-Codes für die Objektnavigation. Darüber hinaus werden relevante Daten für die Montage der Gerüste mittels Tablet-Lösung der Baustelle digital zur Verfügung gestellt.

Die Lösung der Partnerunternehmen ist eine Weltneuheit

Grundsätzlich wird in einem dreidimensionalen Raum geplant, der durch Zeit- und Kostenangaben auf fünf Dimensionen erweiterbar ist. Dank des BIM sind alle Daten für alle Beteiligten permanent abrufbar, wer auf welchem Gerüst arbeitet, welche Auf- und Abbauzeiten kalkuliert sind, welche Veränderungen sich kurzfristig ergeben, wann die letzte Sicherheits-Inspektion des Gerüsts stattgefunden hat oder wo Überschneidungen aufgelöst werden müssen. „Im Ergebnis ist die Vorgehensweise mit Promaintain nicht weniger als eine Weltneuheit. In Zukunft können wir die vorhandenen Gerüst-Modelle z. B. bei der Wartung der Anlage und den Turnarounds immer wieder verwenden“, freut sich Matthias Geyer, Construction Manager bei BASF. Künftig will BASF Neuanlagen mit diesem innovativen Gerüstbaukonzept und 3D-Planung von Gerüsten bauen.

„Die besondere Herausforderung in diesem Projekt war die Einführung der BIM-Technologie inklusive 3D-Planung auf technischer sowie menschlicher Ebene“, erklärt Gerhard Hawemann, geschäftsführender Gesellschafter von Promaintain. Die Schwierigkeit lag darin, alle Beteiligten für diese Innovation zu gewinnen. In der globalen Industriewelt und speziell im Industriegerüstbau ist dieser Lösungsansatz bei solch einer Größenordnung bisher einmalig.

Der Owner/Operator muss hinter dem Projekt stehen

Die Digitalisierung eröffnet auch und gerade hier grundlegend neue Möglichkeiten für den Gerüstbau. Diese Werkzeuge, beginnend bei der 3D- Planung bis zu einem durchgehenden Daten- und Schnittstellenmanagement mittels BIM-Technologie, kann in diesem Umfang bisher nur unser Unternehmen liefern“, so Hawemann. Die Zusammenarbeit der Partner war herausragend. „Gerade zu Beginn des Projekts war es für uns von enormer Bedeutung, dass BASF als Eigentümer der Acetylenanlage hinter dem neuen Konzept stand und keine Zweifel bei den Projektbeteiligten keimen ließ“, betont Hawemann. „Nur so war es möglich, diesen neuen Weg gemeinsam erfolgreich zu beschreiten.“

Die 3D-Gerüstplanung in Verbindung mit metrischem Material hat sich bei ihrem Großprojekt in der Chemieindustrie bestens bewährt und wird künftig die Basis für das innovative Konzept der BASF in diesem Bereich für den chemischen Anlagenbau. „Mit diesem Ansatz errichten wir auch künftig Gerüste Gewerke-übergreifend und vorausschauend – und reduzieren dadurch die Umbaumaßnahmen signifikant“, fasst Geyer den Erfolg zusammen. Das garantiert nicht nur Zeit- und Kostenersparnisse, sondern erhöht auch die Arbeitssicherheit im Industriebau. Sobald die Fackeln erloschen sind und die Acetylenanlage mit Volllast produziert, wird sie zugleich ein Referenzobjekt für den erfolgreichen und effizienten Gerüstbau im Digitalzeitalter sein.

* Der Autor ist freier Wissenschaftsjournalist in Hamburg.

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