Gastbeitrag: Chemielogistik Aufbruch ins digitale Zeitalter: So finden Sie die passende Outsourcing-Strategie
Was Unternehmen bei der Suche nach der passenden Outsourcing-Strategie für ihre Logistik bedenken sollten – Selbst machen oder einem Dienstleister vertrauen? Das ist für viele Chemieunternehmen eine zentrale Frage, vor allem bei Aufgaben, die nicht als Kernkompetenz definiert werden. Die Logistik ist oft so ein ungeliebter Job. Doch wie finde ich die richtige Strategie und den passenden Partner? Gastautor Constantin Reuter von Camelot Management Consultants erklärt, wie es funktionieren kann.
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Die Frage „Make or buy?“ stellen sich Manager der Chemiebranche immer wieder aufs Neue. Es gilt eine Antwort zu finden auf die zentrale Frage, welche Prozesse ein Unternehmen selbst durchführen kann und welche besser ein externer Dienstleister übernimmt. Ziel dieser Überlegungen ist es, die Prozesse entlang der gesamten Supply Chain zu verbessern, was letztendlich zu einer Optimierung der Total Cost of Ownership (TCO) führt. Damit sind Unternehmen der Chemiebranche in der Lage, ihre Wettbewerbsfähigkeit im immer stärkeren internationalen Wettbewerb weiter auszubauen.
Diese Fragen betreffen natürlich auch die Logistik. Hier verändert sich beim Outsourcing seit einiger Zeit die Nachfrage in Bezug auf den Serviceumfang und die Partnerauswahl.
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Supply Chain in Krisenzeiten
So stellt sich die Supply Chain der deutschen Chemie Post-Corona neu ein
Bislang standen vor allem operative Themen wie Lager und Transport im Vordergrund, die von 3PL-Providern übernommen werden. Im Rahmen der zunehmenden Vernetzung und Digitalisierung verlagert sich die Nachfrage allerdings immer mehr in Richtung Prozesswissen und innovative IT-Lösungen, bei denen Lead Logistics Provider (LLP) oder Fourth Party Logistics (4PL) Provider die Nase vorn haben.
Chemieunternehmen könnten stark von der wachsenden Angebotsvielfalt profitieren, denn Logistikpartner bieten immer mehr Services, um die verschiedenen Ebenen der Komplexität innerhalb eines Unternehmens beherrschbar zu machen. Die Kehrseite dieser Entwicklung führt jedoch dazu, dass der Markt durch die breite Angebotspalette ständig unübersichtlicher und die Suche nach einem geeigneten Partner schwieriger wird.
2PL, 3PL, LLP, 4PL - Was denn nun?
Für noch mehr Verwirrung sorgt die uneinheitliche und teilweise missverständliche Verwendung der Begriffe Third Party Logistics (3PL), Lead Logistics Provider (LLP) und Fourth Party Logistics (4PL). Hier gilt es grundsätzlich zwischen „Services“ und „Providern“ zu unterscheiden.
4PL-Services können von 4PL-Providern und weitgehend auch von Lead Logistics Providern erbracht werden. 3PL-Services hingegen werden von 3PL-Providern wie Netzwerkanbietern und Kontraktlogistikern angeboten.
Die 3PL-Provider beauftragen bzw. verfügen auch über Fähigkeiten von Spediteuren, Frachtführern und Lageristen, oft auch als 2PL-Provider bezeichnet. 3PL-Services umfassen das Management und die gebündelte Durchführung von mehreren primär operativen Logistikleistungen auf der Beschaffungs- oder Distributionsseite eines verladenden Unternehmens.
Ein 4PL-Service beinhaltet primär das zentrale Management idealerweise aller taktischen und strategischen Logistikprozesse auf der Beschaffungs- und Distributionsseite und den damit zusammenhängenden administrativen Aufgaben eines verladenden Unternehmens in einer Supply Chain.
Die Unsicherheit ist groß – das belegt beispielsweise die Einordnung des Begriffs 4PL-Provider. Zwar hat die Mehrheit der Logistikmanager in der deutschen Chemieindustrie bereits von dem Thema gehört, aber nur 15 Prozent können die Möglichkeiten und das Leistungsspektrum tatsächlich einordnen.
Sieben Schritte zur passenden Outsourcing-Strategie
Mit dem Ziel, die Orientierung in diesem Angebotsdschungel zu verbessern, hat die Camelot Management Consultants AG die Studie „Erfolgsfaktoren 4PL, LLP und 3PL in der Chemielogistik“ verfasst. In Zusammenarbeit mit der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS) zeigt das Beratungshaus, wie Unternehmen in Abhängigkeit von ihrer Logistik-Outsourcing-Strategie den optimalen Logistikpartner finden können und welche Dimensionen der Komplexität dadurch beherrschbar werden.
Die Ergebnisse ihrer Studie nutzten die Autoren, um einen Leitfaden für die Outsourcing-Strategie zu entwickeln, der insgesamt sieben Schritte umfasst.
Ausgangssituation, Unternehmenskultur und Stellenwert der Logistik - Am Anfang steht die Analyse?
Die Grundlage für die Logistik-Outsourcing-Entscheidung bildet die Analyse der Ausgangssituation innerhalb des Unternehmens. Dabei gilt es im ersten Schritt herauszufinden, wo die Motive für das Outsourcing von Logistik-Managementaufgaben liegen. Während bei manchen Unternehmen rein finanzielle Gründe dominieren, wie beispielsweise eine Kostensenkung, so ist für andere Firmen das Logistik-Outsourcing durchaus von strategischer Bedeutung.
Der nächste Schritt befasst sich mit der Unternehmenskultur, während Schritt drei die Rolle der Logistik im Unternehmen analysiert. Die Studie zeigt, dass je nach Unternehmensgröße die Logistik höchst unterschiedlich bewertet wird. Während große und spezialisierte Unternehmen die Logistik häufig als Differenzierungsmöglichkeit zum Wettbewerb sehen, betrachten mittelständische und familiengeführte Unternehmen die Logistik in der Regel als Kostenstelle.
Der vierte Schritt fügt die Ergebnisse der internen Analyse zusammen, um abzugleichen, ob die Motive und die Unternehmenskultur zur der anvisierten Outsourcing-Strategie passen.
Stimmen die Rahmenbedingungen? Nur dann ist Outsourcing sinnvol
Denn die gesetzten Ziele im Logistik-Outsourcing sind nur realisierbar, wenn die Rahmenbedingungen im Unternehmen eine Kooperation mit einem Logistikpartner erlauben. Sollte das nicht der Fall sein, so muss das Unternehmen vor dem Start einer Ausschreibung erst noch interne Maßnahmen durchführen. Diese könnten beispielsweise die Anpassung der Unternehmenskultur, der Outsourcing-Strategie oder der Rolle der Logistik innerhalb des Unternehmens betreffen. Viele Unternehmen sind sich dessen nicht bewusst, dass eine Organisation auch innerbetrieblich auf die Zusammenarbeit mit einem Partner vorbereitet sein muss. Insbesondere gilt es, Transparenz über die internen Prozesse zu schaffen und entsprechende Schnittstellen zum Partner sowie passende Kommunikationskanäle herzustellen.
Die Resultate aus dem vierten Schritt definieren, inwieweit ein Partner das Unternehmen bei seinen logistischen Herausforderungen unterstützen kann. In Schritt 5 wird dann festgelegt, welche Dimensionen der Komplexität bei der Zusammenarbeit mit dem externen Partner bewältigt werden ¬¬¬müssen. Schritt 6 bestimmt, welche Services, beziehungsweise welche Logistikprozesse der Partner idealerweise übernehmen kann. Der siebte und damit letzte Schritt definiert die Ausgestaltung der Kooperation mit dem Logistikpartner.
Wie verändert die Digitalisierung die Rolle der Logistik?
Die Digitalisierung bietet Chemieunternehmen zahlreiche Chancen und Möglichkeiten, ihre logistischen Aufgaben zu überarbeiten und zu optimieren. Mit dem siebenstufigen Prozess erhalten Unternehmen einen Leitfaden, um ihre Logistik für das digitale Zeitalter fit zu machen. Es ist zu erwarten, dass sich die Rolle der Logistik mit den neuen technischen Möglichkeiten grundlegend verändern wird.
Bereits heute erkennen innovative Unternehmen das Potential der Logistik, sich vom Wettbewerb abzugrenzen. Für diesen Typ Unternehmen ist es sinnvoll, einen 4PL-Provider oder LLP zu beauftragen. 4PL-Provider sind auf eine kooperative und prozessorientierte Unternehmenskultur angewiesen, während LLP in der Regel auch mit fortschrittlichen hierarchisch-funktionellen Strukturen zurechtkommen. Herrscht in einem Chemieunternehmen dagegen eine sehr hierarchische und funktionale Unternehmenskultur vor, so sollten sie strategische und taktische Managementaufgaben eher selbst durchführen.
Jetzt geht´s an Eingemachte: 4PL oder LLP – Unterschiede und Vorteile
Die informatorische Einbindung aller relevanten Prozesse in der Supply Chain eines Kunden ist ein wesentlicher Bestandteil von 4PL-Services. Durch die Transparenz lassen sich Kostenoptimierungen und Service-Verbesserungen realisieren. Für diesen Zweck ist eine offene und flexible IT-Plattform erforderlich, die auch ein Unternehmen der Chemiebranche selbst aufbauen und betreiben kann.
Anbieter von 4PL-Services verfügen aber in der Regel bereits über eigene, erprobte Plattformen. Ob letztendlich eine eigene Plattform oder ein 4PL-Provider oder LLP besser geeignet ist, hängt vom Abdeckungsgrad der Supply Chain sowie von der Leistungsfähigkeit der Plattform ab.
Eine weitere Herausforderung für Chemieunternehmen ist die Dynamik ihrer Supply Chain. Sie wird beeinflusst durch Produktionsmengenänderungen beispielsweise durch Preisschwankungen, verändertes Nachfrageverhalten, gesetzliche Änderungen oder Produktneueinführungen.
Auf der anderen Seite wird das Supply Chain Management durch Angebotsschwankungen im Bereich der Lager- und Transportkapazitäten gefordert. Diese Schwankungen kann ein Anbieter von 4PL-Services oder LLP teilweise besser ausgleichen als ein Unternehmen der chemischen Industrie selbst.
Ist eine taktische Neujustierung der Supply Chain bei einzelnen Ressourcen und Logistikpartnern notwendig, kann dies sehr gut von einem 4PL-Anbieter oder einem LLP übernommen werden. Bei der Frage, wer besser geeignet ist, sind Erfahrung und Wissen über Logistikmärkte und Netzwerkplanungen entscheidend.
Die Zukunftsfähigkeit einer Supply Chain wird nicht zuletzt durch die Innovationsfähigkeit bestimmt. Diese kann durch den Einsatz von 4PL-Service-Anbietern maßgeblich gesteigert werden. Sowohl 4PL-Provider als auch LLPs können hier die richtige Wahl sein. Chemieunternehmen sollten die Innovationsfähigkeit ihres Partners sowohl anhand von innovativen Zukunftskonzepten als auch von tatsächlich entwickelten Lösungen aus der Vergangenheit beurteilen.
Wie auch immer die Wahl ausfällt, eines steht fest: Die Digitalisierung bietet Chemieunternehmen die Chance, ihre Lieferketten zu optimieren. Es ist wahrscheinlich, dass die Anbietermodelle der Logistik mit einer größeren IT-Affinität zukünftig mehr Erfolg haben werden. Die Studie ist auch eine Aufforderung an die Logistikdienstleister, ihr Serviceportfolio zu überarbeiten, damit sie ihre Auftraggeber auf dem Weg der digitalen Transformation unterstützen können und auch den zukünftigen Anforderungen gewachsen sind.
* * Der Autor ist Berater bei Camelot Management Consultants
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