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Pilotanlage zur Methanolproduktion Stahlwerk als Methanolproduzent: Klimafreundliche Verwertung von Hüttengas nimmt erste Hürde

Quelle: Fraunhofer Umsicht Lesedauer: 4 min

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Um die Stahlproduktion klimafreundlicher zu gestalten, entwickeln Forschende des Fraunhofer Umsicht im Projekt Carbon2Chem ein Verfahren, mit dem Hüttengase verwertet werden können. Im Fokus steht die Produktion von Methanol. Nach einer mehrjährigen Entwicklungsphase folgten ab 2020 Tests im Pilotmaßstab auf dem Institutsgelände in Oberhausen.

Blick auf die Methanolanlage an ihrem bisherigen Standort am Fraunhofer Umsicht in Oberhausen.
Blick auf die Methanolanlage an ihrem bisherigen Standort am Fraunhofer Umsicht in Oberhausen.
(Bild: Fraunhofer Umsicht)

Die bei der Stahlproduktion anfallenden Hüttengase – bestehend u. a. aus Wasserstoff (H2), Stickstoff (N2), Kohlenstoffmonoxid (CO) und Kohlenstoffdioxid (CO2) – werden zumeist auf der Hütte thermisch verwertet, also im ersten Schritt verbrannt. Dabei setzt der Prozess am Ende große Mengen klimaschädliches CO2 frei. Das Fraunhofer Umsicht forscht seit 2016 gemeinsam mit weiteren Projektpartnern aus Industrie und Wissenschaft an einer Lösung, mit der sich dieses CO2 stofflich verwerten und im Kreislauf führen lässt. Eines der Zielprodukte des Verbundprojekts Carbon2Chem ist die Grundchemikalie Methanol, die aktuell noch aus fossilen Rohstoffen gewonnen wird. Mit der Verwertung des CO2 knüpfen die Forschenden also gleich an zwei Stellen an: Das Klimagas gelangt nicht in die Atmosphäre und ist gleichzeitig die Basis für eine nachhaltige Methanolproduktion.

Erfolgreiche Skalierung der Versuchsanlagen

Auf die ersten vielversprechenden Versuchsreihen im Labormaßstab folgte die Skalierung bis hin zur Pilotanlage. Sie basiert im Kern auf einer vorhandenen Containeranlage und hat bisher drei Liter Rohmethanol – darin enthalten sind in etwa zwei Liter reines Methanol – pro Stunde produziert. Parallel dazu haben die Forschenden den gesamten Verbund simuliert und einen digitalen Zwilling erstellt. „So können wir jederzeit einen technisch möglichen Rahmen definieren. Und es lassen sich wesentlich mehr Betriebspunkte untersuchen als in einer begrenzten Versuchszeit möglich wäre“, erklärt Tim Schulzke, der am Fraunhofer Umsicht u. a. für die Pilotanlage und die einzelnen Versuchsreihen verantwortlich ist.

Bisher wurde die Anlage am Institutsstandort in Oberhausen mit Flaschengasen betrieben. Diese sauberen Gase wurden entsprechend der Zusammensetzung der verschiedenen Hüttengasen zusammengemischt. Um den Prozess für die spätere industrielle Methanolproduktion final zu optimieren, ist die Anlage jetzt an das Stahlwerk von Thyssenkrupp Steel Europe nach Duisburg umgezogen, wo sie mit Gasen der laufenden Stahlproduktion betrieben wird. Damit das Hochofengas für die Methanolsynthese nutzbar ist, wird es zuvor mit Hilfe der Pilotanlage von Thyssenkrupp Uhde gereinigt.

Umzug von Oberhausen ins Technikum nach Duisburg

Zunächst mussten hierfür jedoch sämtliche baubehördlichen Genehmigungen eingeholt und alle Vorarbeiten – z. B. das Fundament gießen – abgeschlossen werden. Und auch für Projektkoordinator Tim Schulzke und sein Team am Fraunhofer Umsicht, Verena Angenendt und Johannes Voß, begannen die Vorbereitungen bereits mehrere Wochen vor dem eigentlichen Umzug: Die Rohrleitungen zwischen den einzelnen Bauteilen wurden getrennt und die äußeren elektrischen Verbindungen rückgebaut.

Der zweitägige Umzug startete dann am 2. März. Zu Beginn von Tag eins wurde die Anlage transportfähig abgebaut. Nachdem das Dach und der Turm abgehoben waren, konnten Anbauteile wie Schachtleiter und Außenbühne abmontiert werden. Zwei Autokrane kamen dabei zum Einsatz, die auch die Verladearbeiten auf die bereitstehenden Sattelzüge übernahmen. Immerhin bringt es der Container auf gut 13 Tonnen Gewicht, dazu kommen noch einmal über 3,5 Tonnen für die restlichen Teile.

In Duisburg begann am zweiten Tag der Wiederaufbau. „Erfahrungsgemäß ist bei derartigen Projekten eigentlich immer mit spontanen Planänderungen zu rechnen. Deshalb hatten wir einen großen Zeitpuffer eingeplant und uns auf einen langen Tag eingestellt“, so Tim Schulzke. Es verlief jedoch alles wie geplant. „Selbst das zielgenaue Bohren der Ankerlöcher in das Betonfundament und das anschließende Verschrauben funktionierten reibungslos.“ Als letztes montierte das Umzugsteam die Anbauteile wieder an den Turm und setzte alles, einschließlich des Daches, wieder auf den Container. Dank der guten Zusammenarbeit aller beteiligten Gewerke war der Umzug bereits am frühen Nachmittag, gut zweieinhalb Stunden vor dem eigentlichen Zeitplan, abgeschlossen. Tim Schulzke: „Ich bin wirklich sehr zufrieden mit der Teamarbeit und dem Verlauf der gesamten Aktion.“

Nächster Schritt: industrielle Methanolproduktion

Sind die letzten Installationsarbeiten abgeschlossen, starten die Forschenden Mitte Juli einen ersten Testlauf zur Inbetriebnahme. Das nächste Etappenziel ist dann die tägliche Produktion von 75 Litern Rohmethanol im Dauerbetrieb. Ende Mai 2024 soll die Testphase abgeschlossen sein, sodass der Übergang in die industrielle Methanolproduktion aus Hüttengasen starten kann.

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„Wir von Thyssenkrupp Uhde freuen uns auf eine erfolgreiche Inbetriebnahme der Pilotanlage und blicken gespannt auf den ersten Testlauf. Unsere bewährten Technologien ermöglichen es, Hüttengase zu reinigen, sodass diese im Anschluss für die Methanolsynthese brauchbar sind. Den Betrieb der Pilotanlage werden wir nutzen, um unsere grüne Methanol-Technologie weiter zu optimieren“, so Ralph Kleinschmidt, Head of Technology & Innovation bei Thyssenkrupp Uhde.

Und künftig könnten nicht nur Stahlwerke vom Projekt Carbon2Chem profitieren: Aufgrund des modularen Aufbaus der Methanolanlage ist es möglich, den Prozess auf weitere CO2-emittierende Industrien zu übertragen – z. B. Müllverbrennungsanlagen oder Zementwerke. Bei der Zementherstellung etwa wird aufgrund der chemischen Reaktion beim Brennen von Kalk immer CO2 freigesetzt. „Die Technologie zur CO2-basierten Methanolherstellung ist daher auch dann eine nachhaltige und langfristige Investition, wenn die Stahlindustrie vollständig auf Wasserstoff umgestellt hat“, erklärt Tim Schulzke abschließend.

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