Profinet Profinet etabliert sich in der Prozessautomatisierung

Von Dr. Peter Wenzel*

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In vielen Anlagen der Prozessindustrie ist die 4…20 mA-Technologie im Feldbereich nach wie vor vorherrschend. Aber der Wind dreht sich. Einen wesentlichen Beitrag zur Digitalisierung leisten die Technologien rund um Profinet.

Mit dem Etherne-Standard kann die Prozessindustrie küntig wesentlich flexibler und schneller auf neue und besonderen Anforderungen in der Prozessautomatisierung reagieren.
Mit dem Etherne-Standard kann die Prozessindustrie küntig wesentlich flexibler und schneller auf neue und besonderen Anforderungen in der Prozessautomatisierung reagieren.
(Bild: ©natara - stock.adobe.com)

In der Fertigungsindustrie sind Digitalisierung und Industrie-4.0-Anwendungen unter Einbindung des Feldbereichs längst Alltag. Um die sich daraus ergebenen Vorteile zu nutzen, treibt die Prozessindustrie das Thema jetzt ebenfalls mit Hochdruck voran. Schließlich fordern die Anwender aus der Branche schon länger die Einbindung von Daten und Informationen aus dem Prozess in Asset Management-, Condition Monitoring- oder weitere IT-Systeme, um diese nutzbringend zu verarbeiten.

Eine der größten Herausforderungen dabei ist sicherlich, dass heutige Leitsysteme die einfache Anbindung von ergänzenden Tools, z.B. zur Optimierung, nur unter bestimmten Bedingungen unterstützen. Eine solche Einbindung setzt in der Regel einen aufwändigen Engineeringprozess oder Schaffung entsprechender Schnittstellen voraus. Durchaus einfache Eingriffe im Sensor/Mess­umformer über die Steuerung vom Leit- oder Asset Management System vorzunehmen, ist also nur mit höherem Aufwand möglich.

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Gleichzeitig benötigen innovative Asset Management-Konzepte höhere Bandbreiten, denn es handelt sich nicht nur um einige wenige Geräte sondern um hunderte. Mit anderen Worten: Ohne Ethernet-Unterstützung sind solche Ansätze also auf Dauer nicht denkbar.

In der jüngsten Vergangenheit wurde daher eine ganze Reihe von Konzepten und Verfahren entwickelt, mit denen es möglich ist, auf die entscheidenden Daten im Feld einfacher zuzugreifen, die beispielsweise für Asset Management-Aufgaben benötigt werden. Bestes Beispiel ist NOA (Namur Open Architecture), mit dessen Hilfe neue Wege der Informationsbeschaffung und Verifikation bestritten werden sollen. NOA kann beispielsweise genutzt werden, um ein Optimierungsprogramm für Ventile oder Instandhaltungswerkzeuge anzubinden, ohne in die bestehende Leitsystemstruktur einzugreifen. Das hat den Vorteil, dass teuer etablierte Produktionsverfahren unangetastet bleiben und dennoch weitere Daten zur Anlagenoptimierung bereitgestellt werden.

Erweiterung der Dienste

Zur Unterstützung dieses Potenzials für prozessspezifische Anlagen hat PI (Profibus & Profinet International) in Bezug auf die Kommunikationstechnologie Profinet einiges getan. So wurde das Geräteprofil für PA Devices mit der Version 4.0 erweitert und auf Profinet ausgeweitet. Dadurch werden die spezifischen Anforderungen der Prozessindustrie, wie der einfache Gerätetausch oder das Eingreifen in die Anlage während des Betriebs, in Verbindung mit der Nutzung von Ethernet erfüllt. Überdies erlaubt Profinet die Koexistenz anderer Protokolle im Netzwerk, etwa um Webserver-basierte Diagnose oder weitere Geräte bzw. Diagnosetools im selben Netzwerk zu betreiben, ohne dass diese expliziert für Profinet konzipiert wurden. Von Vorteil ist, dass Profinet diese unterschiedlichsten Netzwerke kennt und die Übertragung der Daten entsprechend priorisiert. Im Gegenzug bedeutet dies für den Anwender, dass er nur noch mit einem einzigen Netzwerk umgehen muss.

PI kooperiert zudem seit längerer Zeit mit der OPC Foundation mit dem Ziel der Nutzung von OPC UA Informationsmodellen in den Technologien von PI. So nutzt beispielsweise die von der PI in Kooperation mit der Field Comm Group tatkräftig vorangetriebene FDI-Technologie das Informationsmodell von OPC UA. Die dort schon angewandte Spezifikation OPC UA for Devices wird auch bei der Profinet-Abbildung herangezogen. Dank des schon immer offenen TCP/IP-Kanals bei Profinet-Netzen kann der OPC UA-Zugriff über die Steuerungen, Gateways oder auch direkt auf unterlagerte Geräte erfolgen. Mit OPC UA wird der Anschluss an überlagerte Ebenen unter Anwendung der NOA-Prinzipien realisiert werden. Auch hier bleibt zu bedenken, dass Netzwerke ihre Kapazitätsgrenzen haben, doch mit 100 Mbit/s lässt sich einiges an Datendurchsatz erreichen.

Sichere Wege im Ex-Bereich

Die Prozessindustrie stellt jedoch noch weitere Anforderungen. So wird in der Prozessindustrie eine 2-Draht-basierte Kommunikation mit Distanzen bis hin zur Größenordnung von 1000 m benötigt. Die Versorgung der Prozesssensorik bzw. -aktorik soll idealerweise über die 2-Draht-Verbindung parallel zur Kommunikation (loop-powered) erfolgen. Ganz entscheidend für die Akzeptanz von Ethernet-Lösungen in der Prozessindustrie ist zudem deren Einsatz in explosionsgeschützten Bereichen.

Daher haben die drei Organisationen Field Comm Group (FCG), ODVA und PI sowie zwölf Indus­triepartner intensiv an einer 2-Draht-­Ethernet-Lösung für die Prozessautomatisierung gearbeitet. Kürzlich hat sich die OPC Foundation dem Projekt angeschlossen. Das Konzept wurde vor zwei Jahren unter dem Namen Ethernet-Advanced Physical Layer (Ethernet-APL) vorgestellt. Damit stößt nun die Ethernet-Technologie – und damit die Hochgeschwindigkeitskommunikation – bis in das prozesstechnische Feldgerät vor. Im Detail ging es nicht nur darum, eine Ethernet-­APL-Schnittstelle mit sehr geringem Energiebedarf zu entwickeln, um eigensichere Feldgeräte zu implementieren. Zugleich musste die Schnittstelle so gestaltet werden, dass diese noch wirtschaftlich ist. Schließlich gibt es zigtausende von ganz einfachen Temperatur- oder Drucktransmittern an einem Chemie-Standort. Teure Schnittstellen wären hier nicht realistisch.

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Im November 2019 wurde der Standard IEEE Std 802.3-2019 (10BASE-T1L) freigegeben. Dieser bildet die Grundlage für die Integration von Ethernet-APL in die Ethernet-Protokollspezifikationen. Diese wird voraussichtlich in den beteiligten Organisationen in 2020 abgeschlossen sein. Eine weitere wichtige Kernaufgabe des APL- Projektteams ist es, die Interoperabilität von APL-Komponenten sicherzustellen. Dazu gehört die Spezifikation einer eigensicheren Kommunikation und Versorgung und dazugehöriger Profile, sodass Industrial Ethernet Feldgeräte in explosionsgefährdeten Bereichen bis Zone 0 bzw. Class I/Division 1 eingesetzt werden können. Außerdem wird dem Thema „Sicherstellen der Konformität und damit der Interoperabilität der Geräte“ eine hohe Bedeutung beigemessen.

Gleichzeitig kann nun die Geräteentwicklung durchstarten. Auf der kommenden Achema 2021 sollen die ersten APL-Produkte gezeigt werden. Das Schöne daran: Diese Geräte werden Profinet sprechen und in vorhandene Netzwerke integriert. Die beteiligten Organisationen planen hierzu gemeinsam eine Live-Demo.

Praxistest bestanden!

Mittlerweile hat das Konzept einen wichtigen Testlauf mit Bravour abgeschlossen. In einer Testanlage der BASF kamen erste Prototypen von Geräten mit Profinet als Kommunikationsschnittstelle von verschiedenen Industriepartnern zum Einsatz. Beim Aufbau des Testszenarios orientierte man sich an gängigen BASF-Anforderungen für Neu-Anlagen. So wird eine performante digitale Kommunikation bis ins Feld für die Gesamtanlage erwartet. Man möchte ein Ethernet-Protokoll für alle Prozesskomponenten, wie Sensorik, Aktorik, Motorsteuergeräte, Frequenzumrichter. Auch die Redundanz, eine Stärke von Profinet, spielt eine große Rolle.

Weiterhin war für die BASF der Einsatz eines zentralen Asset Managements sehr wichtig sowie die parallele Ausschleusung von Daten entsprechend dem NOA-Konzept.

Das Ergebnis: Alle Tests wurden erfolgreich abgeschlossen und es konnte klar gezeigt werden, dass Ethernet-APL als ein Physical Layer im Bereich der Prozessautomatisierung und als Basistechnologie für übergeordnete Anwendungen geeignet ist. Ethernet-APL ist zudem ein Enabler für zusätzliche Anwendungen, wie das Beispiel von NOA zeigt. Zusammen mit dem PA Profil 4.0 und NOA steht also dem Einzug von Industrial Ethernet und damit dem Einzug von innovativen Ansätzen in der Prozessindustrie nichts mehr im Weg.

* Der Autor ist Geschäftsführer bei der Profibus Nutzerorganisation e.V., Karlsruhe.

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