Von intelligenten Fabriken zu intelligenten Energie-ÖkosystemenWeg frei für ein digitales Energiesystem
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Drei Megatrends bestimmen derzeit die Industrie in Europa: Der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Gesellschaft angesichts der existenziellen Bedrohungen durch den Klimawandel, die fortschreitende Digitalisierung und das Überdenken des derzeitigen Wirtschaftsparadigmas. Damit ist die Zeit reif für ein neues, digitales Energiesystem, das intelligent, sicher, interaktiv und Echtzeit-orientiert ist.

Die Energiewende in Europa zieht eine gewaltige Transformation nach sich: weg von der zentralisierten, großtechnischen Erzeugung von Kohlenwasserstoffen hin zu einer dezentralen emissionsärmeren Erzeugung und Speicherung sowie zu einem dezentralen Transport und einer dezentralen Nutzung. Wie groß die Veränderung letztendlich ausfällt, hängt von der Art der Industrie, der Unternehmensgröße, aber auch vom Standort ab.
Schon heute bilden sich neue Partnerschaften in Form von Industrieclustern. Beispiele sind Stahlwerke, die Abgase von Koksöfen und Hochöfen für die Trockenreformierung von Methan zu wertvollem Synthesegas nutzen. Ebenso kann Wärme aus Raffinerien oder chemischen Prozessen in Fernwärmesystemen oder zur Kühlung von angrenzenden Lebensmittel- und Getränke-Kühlhäusern oder Rechenzentren verwendet werden. Auch Abwärme aus der Eisen- und Stahl-, Glas-, Nichteisenmetall-, Ziegel- und Keramikindustrie wird von benachbarten Anlagen genutzt. Weitere Synergieeffekte sind denkbar. Allerdings erfordert eine solche Integration von Anlagen und Unternehmen eine neue Denkweise.
Zu bedenken ist außerdem: Nicht alle Industrieunternehmen besitzen die Größe, den Umfang oder den geeigneten Standort, um von solchen industriellen Symbiose-Beziehungen in Clustern oder Industrieparks zu profitieren. Dabei verfolgen auch kleinere, weniger komplexe Unternehmen, die womöglich an abgelegeneren Orten angesiedelt sind, Ziele wie Netto-Null-Emissionen und Kreislaufwirtschaft. Diese Unternehmen benötigen kleinere, modulare und dezentrale Technologien und Lösungen. Die Folge: Nicht nur die Anlagen werden kleiner und modularer, sondern auch die dazugehörigen Technologiearchitekturen. Die Einführung offener Plattformarchitekturen wie O-PAS (Open Process Automation Standard) und Namur MTP (Module Type Packages) wird daher in Europas neuem Energiesystem Fahrt aufnehmen.
Auf dem Weg zu intelligenten Energie-Ökosystemen
Bisher konzentrierte sich die Digitalisierung des europäischen Energiesystems auf die Automatisierung des traditionellen individuellen, zentralisierten Anlagenbetriebs, um intelligenter, zuverlässiger, profitabler und sicherer zu werden. Nun steht man jedoch vor einer neuen Situation: Die Energiewende bringt eine große Anzahl kleinerer und weniger kapitalintensiver Anlagen in das europäische Energiesystem ein. Damit verlagert sich der Schwerpunkt von intelligenten Fabriken auf intelligente Energie-Ökosysteme. Nach der Digitalisierung einzelner Anlagen geht es nun um die Digitalisierung der Schnittstellen zwischen mehreren Anlagen. Nur so kann die Gesamtheit der Anlagen funktionieren.
Intelligente Fabriken verbinden Geräte, Maschinen und Produktionssysteme vertikal miteinander, sei es nun in On-Premise-, Edge- oder Cloud-Umgebungen. So können kontinuierlich Daten in Echtzeit gesammelt und ausgetauscht werden. Die gemeinsame Nutzung von Daten in Echtzeit führt zu:
- höherem Durchsatz oder optimiertem Gerätekapazität,
- besseren Erträgen, höherer Qualität und spezifizierter Produktion,
- höherer Produktionseffizienz,
- minimaler Ausfallzeit,
- besserer Rohmaterialbeschaffung und Produktplatzierung.
Mit Cloud-Umgebungen und IT/OT-Integration lassen sich auch große Datenmengen aus verschiedenen Quellen erfassen und für die Entscheidungsfindung bereitstellen. Nun müssen Angebot und Nachfrage auch über Industriecluster hinweg miteinander verbunden werden. Damit dies gelingt, muss jede Anlage oder Einrichtung so konzipiert sein, dass sie „Smart at the Edge“ ist, d. h. sie lässt sich mit anderen Anlagen in der Lieferkette integrieren. Wie dies aussehen könnte, lässt sich anhand des Wasserstoff-Ökosystems zeigen:
- Integration der einzelnen Wasserstoffproduktionsanlagen: Dies sorgt interaktiv, intelligent und in Echtzeit für einen sicheren, zuverlässigen und rentablen Betrieb.
- Horizontale Integration über homogene Anlagen: Mehrere unbemannte Wasserstoffproduktionsanlagen werden in ein Produktionssystem mit mehreren Standorten integriert, um die Wettbewerbsfähigkeit durch Größenvorteile zu steigern.
- Horizontale Integration zwischen heterogenen Anlagen innerhalb von Ökosystemen: Hierbei tauschen sich z. B. Wasserstoffproduzenten (grau, blau und grün), Speicher und Verbraucher, miteinander aus, um Angebot und Nachfrage effizient auszugleichen und Probleme in der Betriebs- und Lieferkette zu vermeiden.
- Vertikale Integration von On-Premise-, Edge- und Cloud-Technologien auf individueller und standortübergreifender Ebene: Hierbei werden modulare Plug-and-Produce-Frameworks wie das Modular Type Package (MTP) der Namur und Open Process Automation (OPA) für standardisierte Datenmodelle und Beschreibungssprachen genutzt. Dies sorgt für Interoperabilität und den sicheren Datenaustausch. Vorteile sind Kosten, Modularität, Skalierbarkeit, hohe Geschwindigkeit der Bereitstellung, Wartbarkeit und Systemintegrität.
Die Grundlage einer solchen IT/OT-Plattform sind Datenerfassungssysteme, die zunächst die Lebenszeichen eines einzelnen Anlagenbetriebs und insgesamt den Zustand des Systems widerspiegeln. Drahtlose Sensoren messen und übermitteln die Informationen entweder an die Edge-Geräte oder direkt an die Sensor-Cloud unter Verwendung verschiedener Protokolle wie ISA100, LoRa, Sigfox und anderer drahtloser Protokolle. Dabei kommt drahtlosen Sensoren und Messgeräten eine besondere Rolle zu.
Herausforderungen beim einheitlichen Datenmodell
Die Herausforderung besteht darin, dass jede Anwendung in der Regel ihre eigene Benutzerschnittstelle, Geschäftslogik und Datenbank mit sich bringt und mit einem Server verbunden ist. Das direkte Lesen oder Schreiben von Rohdaten in/aus solchen Datenbanken von außerhalb der Anwendung ist nicht möglich. Daher wurden Anwendungsprogrammierschnittstellen (APIs) entwickelt. Jedes Anwendungssystem ist in der Regel monolithisch, enthält Tausende oder Millionen von Codezeilen und reagiert sehr empfindlich auf Änderungen an der zugrunde liegenden Datenbank, dem Code und der Benutzerschnittstelle. Zudem hat jede einzelne Systemanwendung ihr eigenes Datenmodell und umfangreiche Datentabellen. Dies macht die gemeinsame Nutzung von Anwendungen besonders schwierig, ganz zu schweigen von der gemeinsamen Nutzung durch Unternehmen innerhalb eines industriellen Clusters oder Ökosystems.
Angesichts dieser Situation haben einzelne Unternehmen viel Zeit, Mühe und Geld in die Entwicklung und Einrichtung ihrer gewünschten Dateninfrastrukturen und der damit verbundenen Aktivitäten wie Sammlung, Speicherung, Verarbeitung, Zugriff und Bereitstellung von Informationen investiert. Einige dieser Organisationen arbeiten an einheitlichen Datenmodellen oder haben diese bereits eingeführt, um Daten aus verschiedenen Quellen und Plattformen an einem Ort zusammenzuführen. Die schiere Komplexität, die Menge der betroffenen Daten und deren oft urheberrechtlich geschützter und vertraulicher Charakter untergraben jedoch die Realisierbarkeit eines einheitlichen Datenmodells für das gesamte Ökosystem.
Datenzentrierter Ansatz beim systemweiten Austausch
Ein datenzentrierter Ansatz für den systemweiten Austausch in Echtzeit in einem industriellen Cluster oder Ökosystem benötigt die Entwicklung eines einfachen, erweiterbaren, föderierbaren und gemeinsam nutzbaren Datenmodells.
Das Wachstum der Sensordaten, die Zeit für die Annotation und die Abfrage von Ontologien sind zu einem Engpass bei der (quasi) Echtzeitverarbeitung von Daten aus IIoT-Umgebungen geworden. Daher werden leichtgewichtige Modelle mit einer minimalen Anzahl von Konzepten und Beziehungen zwischen den Konzepten benötigt.
Eine cluster- oder ökosystemweite Metadatenschicht ermöglicht die Integration und den Datenaustausch mit den einzelnen darunter liegenden Unternehmenssystemen über APIs, welche die Extraktion ausgewählter Schlüsseldaten (die als Input für das clusterweite Datenmodell dienen) erleichtern. Auf diese Weise werden der Aufbau eines monolithischen Datenmodells vermieden und die Ausführung von Abfragen über mehrere Unternehmen und Datenbanken hinweg ermöglicht, die im Wesentlichen einzelne unternehmensspezifische „Blackbox“-Modelle darstellen.
Zusammen die Ziele erreichen
Um gemeinsam ein Ziel, etwa die Reduzierung der Kohlenstoffemissionen in mehreren Unternehmen des Clusters, zu erreichen, sind zudem gemeinsame Leistungsindikatoren (Key Performance Indicators – KPI) nötig. In einigen Fällen kann es erforderlich sein, die Leistung eines einzelnen Geschäfts oder Prozesses innerhalb des Systems zu opfern, um die Gesamtleistung des Clusters zu erhöhen.
Relevante KPI, Ziele und Kompensationsmechanismen sind der Schlüssel zum harmonischen Funktionieren der Systeme, um den übergeordneten kollektiven Zielen des Clusters zu dienen. Solche Funktionen von Straf- und Ausgleichszahlungen gibt es bereits bei Ölqualitätsbanken, wo Rohöl in ein gemeinsames Ölpipelinesystem eingespeist wird. Ein unabhängiger „Systemadministrator“ verwaltet die kollektive Zielsetzung, die Überwachung der Ziele und die Straf-/Ausgleichszahlungen oder -maßnahmen.
Schnittstellen eröffnen neue Chancen
Sehr oft haben Unternehmen innerhalb von Industrieclustern und Energieökosystemen gemeinsame Ziele im Bereich der Ressourceneffizienz. Dazu gehören Energieoptimierung, Minimierung des Rohwasserverbrauchs, Abfallminimierung und Kreislaufführung von Materialien, Emissionsreduzierung, Optimierung von Wasserkraftwerken, Optimierung von Rohstoffen, Minimierung des Dampfverbrauchs usw. Diese bilden die Basis für die Zusammenarbeit zwischen mehreren Parteien, für die Projekt-Business-Cases definiert und die Rentabilität der Investitionen gerechtfertigt werden.
An den Schnittstellen solch komplexer industrieller Anlagen eröffnen sich große Verbund- und Skaleneffekte. Dies könnte unter anderem in den Bereichen Kunststoffrecycling, Recycling von Kohlenstoffmolekülen, Reduzierung von Treibhausgasemissionen, Aufwertung von Wasserkraft, gemeinsame Nutzung von Dampf und Energieversorgung geschehen. Um das Vorhandensein und die Durchführbarkeit dieser Möglichkeiten zu prüfen, bedarf es eines umfassenden Know-hows in Sachen Optimierung, digitaler Zwillinge und Fachwissen über verschiedene industrielle Prozesse – neue und alte –, um die Durchführbarkeit einer parteiübergreifenden Zusammenarbeit zu bewerten.
Leichterer und sicherer Zugang zu Daten
Für alle diese Ansätze ist eine sichere Zusammenarbeit und der Austausch von Daten erforderlich – interaktiv, intelligent und in Echtzeit, über Multi-Asset-Systeme hinweg und auf digitalem Wege. Hier gilt:
- Bei der Nutzung von Daten sind Datenqualität, Vertrauen, Verbreitung und Governance unerlässlich.
- Die Daten müssen für die Benutzer und Systeme, die auf sie angewiesen sind, zugänglich sein. Es muss also eine kritische Kommunikations- und Speicherinfrastruktur vorhanden sein, die über eine angemessene Kapazität verfügt und gegen Missbrauch und böswillige Angreifer gesichert ist. Zu den wichtigsten Aspekten der Infrastruktur gehören physische Infrastruktur, Sicherheit, Datenschutz und Vertraulichkeit, Software-Infrastruktur, Edge-Infrastruktur und Cloud-Infrastruktur.
- Datenintegrität, -zustand und -verfügbarkeit sind Voraussetzungen für die Nutzung durch Menschen und Softwareanwendungen. Das gilt auch für das Format, in dem die Daten für die „Nachvollziehbarkeit“ zur Verfügung gestellt werden. Die Daten müssen so bereitgestellt werden, dass sie leicht konsumiert werden können. Zum Beispiel unterscheidet sich das Format, in dem Daten übertragen werden, von der Art und Weise, wie sie auf einer Benutzerschnittstelle konsumiert werden.
- Berücksichtigt werden müssen zudem organisatorische Faktoren. Dazu zählen Aspekte, wie Menschen effizient Entscheidungen treffen und ausführen. Es müssen also die richtigen Leute mit den richtigen Fähigkeiten/Erfahrungen an den richtigen Stellen die entsprechenden Prozesse ausführen, mit klaren Entscheidungsrechten und Feedback-Mechanismen.
In der digitalen Konnektivität liegt die Zukunft
Bisher ging es bei der Digitalisierung des europäischen Energiesystems um die Automatisierung des individuellen Anlagenbetriebs, etwa um intelligenter, zuverlässiger, profitabler und sicherer zu werden. Um ein neues digitales Energiesystem in Europa auf den Weg zu bringen, ist ein Umdenken erforderlich. Dabei stehen die Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft im Mittelpunkt. Dies verlangt die digitale Konnektivität nicht nur innerhalb von Unternehmen sondern auch zwischen diesen. Der nächste Werthorizont liegt damit an den Schnittstellen dieser einzelnen Einrichtungen. Hier liegt der Schlüssel im sicheren Datenaustausch in Echtzeit.
Gelingt diese Symbiose können Fabriken zu intelligenten, vielfältigen, vernetzten industriellen Ökosystemen werden, die eine größere industrielle Autonomie bieten. Die dafür benötigten Technologien gibt es bereits. Mithilfe des digitalen Zwillings kann sich der Betreiber auf eine konsistente Darstellung der tatsächlichen Anlage verlassen und fundierte Entscheidungen treffen. Zudem erleichtern moderne Plug-and-Produce-Technologiearchitekturen und Standardisierungsrahmen wie das Modular Type Package (MTP) und der Open Process Automation (OPA)-Standard der Namur die Skalierung von modularen Unternehmen innerhalb von Ökosystemen. Sie sorgen nicht nur für intrinsische Sicherheit, Interoperabilität zwischen mehreren Anbietern und zukunftssichere Innovationen, sondern eröffnen einen einfachen Weg für die Migration zukünftiger Systeme.
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