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Bei Chemieanlagenbauern wie Thyssenkrupp Industrial Solutions weiß man, dass Ingenieure heute bis zu 40 % ihrer Zeit damit verbringen, auf Baustellen Material und Dokumente zu suchen. Inkonsistente Daten und Änderungen sind für 20 % der Kostenüberschreitungen und Verspätungen verantwortlich. Dieses Potenzial wollen die Anbieter heben und darüber hinaus durch Digitalisierung neue Geschäftsmodelle etablieren. Dazu sollen auch bereits bestehende Datenbanken ausgewertet werden.
Der Technologiekonzern Linde hat dazu eigens ein Digitalsierungsteam aufgestellt, das gemeinsam mit Experten aus den Geschäftsbereichen digitale Produkte entwickeln soll. Zu den ersten Projekten gehört ein neues Service-Portal für Anlagenbetreiber, das die Ersatzteilbeschaffung deutlich vereinfachen soll. Ausgehend vom R&I-Schema, dessen Details in den Linde-Datenbanken vorhanden sind, entsteht dabei zunächst ein elektronischer Marktplatz für Ersatzteile. Künftig sollen anhand von Datenströmen auch Störungen vorhergesagt und die Wartungsplanung über das Service-Portal abgewickelt werden.
Neue Formen des Projektmanagements
Doch die Geschwindigkeit, mit der solche Entwicklungen in der digitalen Welt vorangetrieben werden, erfordert eine neue Art des Projektmanagements: Während bei der klassischen Anlagenplanung zunächst alle Projektziele im Detail definiert und beschrieben werden, starten Digitalisierungsprojekte bereits, bevor alle Funktionen des späteren Produkts festgelegt sind. Dazu ist agiles Projektmanagement ist gefragt – die dafür etablierten Projektmanagement-Methoden wie zum Beispiel „Scrum“ könnten künftig auch die im Engineering genutzten Werkzeuge zur Projektführung ergänzen.
Dass es sich lohnt, etablierte Methoden für die Abwicklung von Projekten zu überdenken, zeigt das Beispiel des Spezialchemiekonzerns Evonik: Diesem ist es durch eine neue Vorgehensweise in der Projektabwicklung gelungen, in Anlagenprojekten 15 % der Investitionskosten einzusparen. Der Trick: Während klassisch der Fokus der Projektsteuerung auf der Durchführungsphase liegt, werden beim neuen Ansatz die Projekte früher detailliert definiert und Projektrisiken intensiver bewertet. Zudem richtet sich der Projektumfang nun nach den minimalen Erfordernissen des Geschäfts und nicht mehr nach Ausbauoptionen.
Da Chemieprozesse in Deutschland und Europa überwiegend auf eigenen Technologien der Chemieunternehmen basieren, sollen künftig Prozessentwicklung und Engineering als ein zusammenhängender Prozess durchgeführt werden. Die Prozessentwicklung soll durch moderne Konzepte künftig deutlich verkürzt werden. Modularisierung und Digitalisierung sind hier die Schlüsselworte. Kernprozesse könnten so künftig auf modularen Plattformen basieren, an die Stelle des heutigen Engineering tritt das deutlich einfachere Konfigurieren von Modulen. Die technischen Grundlagen dafür werden derzeit geschaffen und auch in Pilotanlagen untersucht.
Fazit: Die Rahmenbedingungen im Chemieanlagenbau verändern sich. Dem steigenden Wettbewerbsdruck begegnen die Unternehmen des Anlagenbaus mit einer Neujustierung ihres Geschäftsmodells, bei dem Services über den Lebenszyklus einer Anlage eine größere Rolle spielen. Dazu kommen neue Methoden für die Projektabwicklung und die Digitalisierung von Geschäftsprozessen. Letztere soll zudem die Grundlage für neue künftige Geschäftsmodelle liefern.
Hinweis der Redaktion: Der Trendbericht wurde von internationalen Fachjournalisten im Auftrag der Dechema zusammengestellt.
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