Ergänzendes zum Thema
Nachgefragt
Neue Lösungen gesucht
Modulare Anlagenkonzepte fordern von allen beteiligten Komponenten eine neue Herangehensweise. Dr. Stefan Ochs, Bayer Technology Services und Ansprechpartner für Fragen rund um die Automatisierungstechnik im Forschungsprojekt F3 Factory, beschreibt die neuen Aufgaben.
Herr Dr. Ochs, wie weit ist die Umsetzung der Automatisierung im F3 Factory-Projekt?
Dr. Ochs: Im Rahmen des Projektes wurden die Anforderungen an die Automatisierungstechnik aus Anwendersicht – also aus Sicht eines potenziellen späteren Betreibers – in Form eines Lastenhefts formuliert. Dabei hat sich herausgestellt, dass viele der Anforderungen, die sich aus einer flexiblen, modularen Produktion ergeben, mit heutiger Automatisierungstechnik nicht zufriedenstellend gelöst werden können.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Dr. Ochs: Beispielsweise erlauben heutige Prozessleitsysteme (PLS) kein echtes Plug & Play, wenn automatisierte Anlagenteile (Module) an ein vorhandenes PLS angeschlossen werden. Falls das überhaupt bei laufender Anlage möglich ist, dann nur, wenn bereits entsprechende Strukturen im PLS angelegt waren. Damit sich aus der Verwendung standardisierter Module aber ein reduzierter Engineering-Aufwand ergibt, müssten die Module in der Lage sein, dem übergeordneten Automatisierungssystem mitzuteilen, welche Funktionen sie besitzen. Ein Reaktormodul müsste beispielsweise dem übergeordneten System mitteilen, dass es ein Modul vom Typ Reaktor ist, dass es über die Grundfunktionen Temperieren und Rühren verfügt, welche Parameter es besitzt und wie es bedient werden kann. Dies erfordert die Verwendung standardisierter Informationsschnittstellen und einer standardisierten Funktionsbeschreibung der Module. Dazu gibt es bereits Überlegungen, aber die industrielle Bereitstellung durch Hersteller und die Umsetzung in der Produktion stehen noch aus.
Was sind ihre größten technologischen Überraschungen bei dem Projekt?
Ochs: Eine Herausforderung lag darin, die elektrische Ausrüstung in der Ex-Zone unterzubringen, die für den Container aufgrund der dort verwendeten Chemikalien gilt. Die jetzt gefunden Lösungen führen zu großen und schweren Einhausungen z.B. zur Realisierung der Schutzart Ex d (druckfeste Kapselung) für die Elektroverteilung, für Frequenzumrichter und für Teile der Leittechnik. Hier wird man sicher zusammen mit den Herstellern besser geeignete Lösungen finden müssen.
Aus verfahrenstechnischer Sicht ist klar, dass man mit diesem Ansatz keine 100-Prozent-Lösung möglich ist. Gilt dies auch für die Automatisierung?
Ochs: Aus Sicht der Automatisierungstechnik ist zu erwarten, dass eine hohe geforderte Flexibilität von verfahrenstechnischen Modulen dazu führen wird, dass die Module für den schwierigsten Anwendungsfall instrumentiert werden, sowohl bei den Sensoren als auch bei den Aktoren. Für andere Anwendungsfälle können die Module dann überinstrumentiert sein. Das ist kein prinzipielles Problem, macht die Module in der Anschaffung aber teurer. Inwiefern Standardisierung und Absatzmenge gleichartiger Module diesen Mehraufwand (über-)kompensieren können, wird die Zukunft zeigen. Mit einer Standardisierung von Prozessmodulen erwarten wir aber eine signifikante Verringerung des Planungsaufwandes.
Können Sie diese Erkenntnisse für herkömmliche Automatisierungsprojekte nutzen?
Ochs: Die Verwendung von Automatisierungs-Typicals, beispielsweise die typische Instrumentierung an einem Wärmetauscher oder einem Reaktor, oder dessen Realisierung im PLS, ist auch für die Automatisierung von klassischen Anlagen sinnvoll. Hier werden heute oft nur Instrumentierungstypicals und Muster-Loops verwendet. Auch kann sich als Konsequenz des F³ Factory-Projekts eine Standardschnittstelle für verfahrenstechnische Module entwickeln, welche die Integration in die Gesamtanlage vereinfacht. Dies würde sicher Vorteile für heutige Package Units bieten.