Treibhausgas neutrale Chemieproduktion Let´s get circular - Die Chemie erfindet sich neu
Alle reden von Nachhaltigkeit - auch die Chemie. Doch die Transformation vom Klimasünder zu einer Treibhausgas neutralen Vorzeigebranche geht nicht von heute auf morgen. Mit dem Quartett aus regenerativen Energien, alternativen Rohstoffen, Recyclinglösungen und CO2-sparenden Technologien will Covestro zum Frontrunner werden.
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An Klaus Schäfer, Chief Technology Officer von Covestro, kommt momentan bei den Themen Circular Enconomy und Energietransformation in der Chemieindustrie keiner vorbei. Momentan präsentiert ihn seine Unternehmenskommunikation in den Home-Office-Talks als Frontmann der Covestro-Nachhaltigkeitsstrategie. Man erlebt ihn aber auch als Dechema-Vorstand, Vorsitzenden des VCI-Ausschusses Energie, Klima und Rohstoffe, als Keynotespeaker auf dem Rohstoffgipfel und jetzt als Mitglied des nationalen Wasserstoffrates - der Vielbeschäftigte ist unermüdlich unterwegs, um die Interessen der Chemie zu vertreten und die Transformation der Branche zu erklären.
Linear war gestern, heute wirtschaftet man circulär
Auch im eigenen Unternehmen macht er ernst. Als technischer Frontmann steuert er gemeinsam mit CEO Markus Steilemann den Kunststoffkonzern in Richtung Treibhausgasneutralität und Circular Economy.
"Von 2005 bis 2025 wollen wir den CO2-Ausstoß pro Tonne Produkt um 50 % reduzieren," erklärt Schäfer. Ein Ziel das realistisch scheint: zurzeit sei man bei einem Wert von 40 %.
Die neue Vision des Polyurethanproduzenten ist ebenso einfach wie klar: Weg von der linearen hin zur zirkulären Wirtschaft. Covestro, so der Wille der Unternehmenslenker, soll zur Speerspitze und zum Vorreiter der Kunststoffindustrie in Sachen Kreislaufwirtschaft werden.
Mit der Rückführung des Schonsteingases CO2 als Rohstoff für die PUR-Produktion habe man bereits den ersten Schritt in Richtung Circularität getan, erklärt Schäfer. Weitere sollen folgen: Es geht um biobasierte Rohstoffe. z.B. in einem Pilotprojekt mit Borealis, das den Einsatz von Biophenol in Polycarbonat untersucht und irgendwann in den großtechnischen Maßstab überführt werden soll.
Durch eine Kooperation mit Ørsted will man sich ab 2025 Strom aus Offshore-Windkraftanlagen sichern, um, so Schäfer, vermehrt "Strom aus erneuerbaren Energien in Energieportfolio aufzunehmen". Und last but not least, geht es um neue Recyclingtechnologien, wie die Chemolyse, mit der PUR-Schäume wieder für die Polymersynthese nutzbar gemacht werden sollen.
Economy-of-Scale ist wichtig, aber es geht noch mehr
Jetzt aber geht es an Eingemachte: Die Produktion von Methylen-Diisocyanat - kurz MDI - soll nun einen Effizienzsprung machen. Für den wichtigsten Baustein für Polyurethan-Hartschäume reklamiert Covestro seit mehr als fünfzig Jahren die Technologie- und Kostenführerschaft für sich. Und das aus gutem Grund: Marktforschern zufolge wächst der MDI-Markt bis 2026 um 3,6 Prozent jährlich insgesamt, heruntergebrochen auf Einzelbranchen wie etwa Automobilindustrie sogar um fünf Prozent.
Gleichzeitig ist die Konkurrenz groß, neben BASF, DowDuPont, Huntsman, Lanxess, oder Sadara Chemical Company gibt es noch weitere asiatische Hersteller, die Kapazitäten auf den Markt werfen und so die Preise drücken. So baut BASF gerade am Verbundstandort in Geismar (Lousiana) eine World-Scale-Anlage, welche die Produktionskapazitäten in den USA von 300 000 auf 600 000 verdoppeln soll.
Nur, mit Economy-of-Scale und Verbundsystemen allein werden die Herausforderungen der Zukunft kaum zu bewältigen sein. Vor allem nicht, wenn in Zukunft CO2-Emissionen mit Abgaben belegt werden. "Wenn es uns gelingt zu einer einheitlichen CO2 Bepreisung zu kommen, macht es uns als Covestro keine Sorgen, weil wir in CO2-sparende Technologien investieren," erklärt Schäfer.
Neues Verfahren zähmt den Phosgenprozess
Das unterstreicht nun die neue Pilotanlage in Brunsbüttel, deren Technologie Covestro als Durchbruch feiert. 20 Jahre konzeptionelle Arbeit stecke in der Anlage, sagt Schäfer. AdiP sei eine Technologie, an deren Entwicklung man intensiv standortübergreifend gearbeitet habe.
Das Kürzel AdiP steht für adiabat-isotherme Phosgenierung und für einen runderneuerten Phosgenprozess, der ohne externe Wärmezufuhr auskommt und daher deutlich effizienter als der aktuell genutzte ist. Bis zu 40 Prozent Wasserdampf und 25 Prozent Strom Energie pro Tonne produziertem MDI könne durch das neue Verfahren eingespart werden, haben die Verfahrenstechniker errechnet– und bis zu 35 Prozent weniger CO2 werde in die Atmosphäre gepustet.
Ein weiterer Vorteil des Verfahrens: Der Reaktor baue kleiner, dadurch können MDI-Anlagen kleiner werden, trotzdem seien höhere Kapazitäten möglich, von bis zu 50 Prozent spricht Covestro.
Der hohe Norden als Innovationsschmiede für den MDI-Prozess
Dass die Anlage in Brunsbüttel gebaut wurde ist natürlich kein Zufall. Hier steht Covestros Angaben nach die modernste MDI-Anlage weltweit und die Adip-Scheibe sei das I-Tüpfelchen auf der Technologie, sagt Dr. Uwe Arndt, Standortleiter in Brunsbüttel. Zwölf Monate rechnet er für die Inbetriebnahmephase. Das Pilotprojekt werde dann erfolgreich sein, wenn Covestro zeigen könne, dass mit dieser Technologie auch die nächste World Scale Anlage gebaut werden kann.
Ob die dann auch in Brunsbüttel steht? Ja, wenn man Schäfer beim Wort nimmt. Er sagt nämlich, es sei dem Klima nicht geholfen, wenn bestimmte Produkte nicht mehr in Deutschland oder Europa hergestellt würden, sondern im arabischen oder asiatischen Raum und dann hierher importiert würden.
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