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PROCESS: Wie schätzen Sie die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Anbieter ein?
Heymann: Auf der Technologieseite sind die deutschen Anbieter sicher top. Bei Meerwasserentsalzungs- und Kläranlagen, technischen Ausrüstungen (z.B. Pumpen, Kompressoren, Armaturen), Filteranlagen oder Desinfektionsverfahren (z.B. Ozonung oder Einsatz von UV-Licht) sowie effizienten sanitären Einrichtungen zählen deutsche Unternehmen zur Weltspitze. Das gilt auch in der Wertschöpfungskette vor- oder nachgelagerter Bereiche wie der Tief- und Rohrleitungsbau oder die Bereitstellung von Wasserzählern und Abrechnungssystemen. Bei integrierten Lösungen sieht das anders aus. Fordert eine Kommune z.B. in Südamerika, dass ein Anbieter die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung komplett zu übernehmen hat, sind deutsche Anbieter darauf noch nicht gut vorbereitet. Das liegt an den kleinteiligen Strukturen der deutschen Anbieter. Aber mit Initiativen wie dem Netzwerk ‚German Water Partnership‘ versuchen die deutschen Anbieter, dieses Manko auszugleichen.
PROCESS: In welchen Ländern sollten sich deutsche Anbieter bevorzugt engagieren – und warum?
Heymann: Die attraktivsten Länder für deutsche Anbieter sind sicher jene, wo Wasserknappheit herrscht und das Land aufgrund der Verfügbarkeit von Rohstoffen wie Öl oder Gas reich ist, man sich Hochtechnologie also leisten kann. Dort sind nach Installation der Technik auch die Services der deutschen Anbieter gefragt. Interessant sind auch solche Länder, wo zwar der Wasserpreis aus politischen Gründen niedrig ist, aber die Energie teuer ist. Dort sind dann in den staatlichen Wasserwerken beispielsweise Technologien zur Gewinnung von Energie aus Abwasser gefragt oder auch energieeffiziente Pumpen zur Verteilung des Trinkwassers. In unserer Studie über die Perspektiven der Weltwassermärkte haben wir 2010 mit einem Scoring-Modell die Attraktivität von 78 Ländern basierend auf elf Kriterien beurteilt. 2011 haben wir das Modell aktualisiert und ein neues Kriterium (Bedeutung der Bewässerungslandwirtschaft) in die Beurteilung aufgenommen. Im Ergebnis befinden sich unter den am besten platzierten Staaten viele Länder aus dem Mittleren Osten. Diese Länder haben ein Wasserproblem und gleichzeitig die Finanzmittel, diese Probleme zu bekämpfen. Ferner zählen die bevölkerungsreichsten Länder der Erde, China und Indien, sowie mit Deutschland und den USA auch zwei große Industrienationen zu den attraktivsten Märkten.
PROCESS: Herr Heymann, vielen Dank für das Gespräch.
* Das Interview führte Dipl.-Ing. Hans-Jürgen Bittermann, freier Mitarbeiter bei PROCESS.
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