MSR/Prozessautomatisierung Zwischen Pusta und Balaton
Die ungarische Pharmaindustrie hat eine lange Geschichte und eine große Bedeutung für die Wirtschaft des Landes. Dabei spielt nicht nur die Forschung eine große Rolle – auch die Produktion findet auf hohem Niveau statt, wie folgendes Beispiel einer neu automatisierten Anlage zeigt.
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Die ungarische Pharmaindustrie hat eine lange Geschichte und eine große Bedeutung für die Wirtschaft des Landes. Dabei spielt nicht nur die Forschung eine große Rolle – auch die Produktion findet auf hohem Niveau statt, wie folgendes Beispiel einer neu automatisierten Anlage zeigt.
Die Ungarn sind stolz auf ihre mehr als 100-jährige Tradition in Chemie- und Pharmaindustrie und führen gern auch die zumindest ungarischen Wurzeln der Chemie-Nobelpreisträger Zsigmondy, Hevesy, Pollányi und Oláh an. Dabei haben sie eine bewegte Entwicklung nach dem zweiten Weltkrieg durchlaufen. Gerade die Pharmaindustrie konnte Produktion und Exporte in den 50er und 60er Jahren deutlich steigern und erlebte in den 70er Jahren geradezu einen Boom an Lizenzvereinbarungen mit vielen westlichen Pharmaproduzenten. Auch heute bleibt die Pharmaindustrie auf ihrem Wachstumspfad, gestützt durch die Herstellung von Generika und den Export.
Flaggschiff der ungarischen pharmazeutischen Industrie ist das Unternehmen Gedeon Richter mit Sitz in Budapest. Gedeon wurde bereits 1901 von dem ungarischen Apotheker Gedeon Richter gegründet und ist mittlerweile weltweit tätig. An den beiden ungarischen Standorten Budapest und Dorog, aber auch in anderen Ländern werden humanmedizinische Fertigmedikamente, Wirkstoffe und Zwischenprodukte erforscht und entwickelt, produziert und vermarktet. Insgesamt stellt das Unternehmen etwa einhundert pharmazeutische Produkte her. Dank des langfristig aufgebauten Know-Hows auf dem Feld der Steroidchemie konnte sich die Firma weltweit als wichtiger Player im Bereich gynäkologische Präparate etablieren.
Dass nicht nur die Forschung auf höchstem Niveau stattfindet, sondern auch die Produktion mit neuesten Mitteln durchgeführt wird, zeigt die jüngere Vergangenheit: Gedeon Richter investierte über 35 Millionen Dollar in neue Produktionen, davon allein etwa fünf Millionen Dollar in die Prozessautomatisierung. Den Zuschlag, die Automatisierung der drei Projekte in der Steroid-Herstellungsanlage in Dorog bei Budapest durchzuführen erhielt ABB.
Amerikanische Vorschriften als Standard in Budapest
Die neue Automatisierungslösung, so eine zentrale Forderung, sollte durchgehend den Vorschriften der „current Good Manufacturing Practice“ (cGMP) auf der Grundlage von FDA-Standards entsprechen. In den cGMP-Regeln sind Verfahren, Anlagen, Einrichtungen und Automatisierungsmaßnahmen festgelegt, die für die Herstellung von humanmedizinischen Pharmaprodukten vorgeschrieben sind (21 CFR Part 11).
„Die Produktion muss von einem Automatisierungssystem gesteuert werden, das die Registrierung und Integration sämtlicher Planungs-, Steuerungs- und Überwachungsaufgaben leisten kann“, erklärt Lóránt Kovács, Leiter der Steroid-Produktionsanlage. „Außerdem möchten wir in Bezug auf künftige Verbesserungen in unserer Anlage möglichst flexibel sein. Dadurch ergeben sich bestimmte Anforderungen hinsichtlich der Visualisierung im Leitstand, der Geräte im Feld und insbesondere des Batch-Systems.“
Dass die Ungarn ihren Sinn für Sparsamkeit bei einem derartigen Vorhaben nicht vergessen, liegt auf der Hand: „Außerdem möchten wir bereits vorhandene Software-Module wieder verwenden können. Und eine besonders kritische Anforderung an unseren Automatisierungs-Zulieferer war es natürlich, dass die Produktion schon neun Monate nach dem Projektstart anlaufen musste“, ergänzt Kovács weitere Anforderungen. Andras Ujfaludi von ABB Ungarn beschreibt das Konzept für die Umstellung von der ABB Advant-Technik auf System 800xA: „ABB liefert seit zehn Jahren Leitsysteme an Gedeon Richter.
Für sämtliche bestehenden DCS-Systeme bieten wir eine Migration zu unserem neuen, modernen Extended Automation System 800xA an. Das Konzept lag also auf der Hand: Einsatz des 800xA für alle drei Projekte.“ Da 800xA die Anforderungen der 21 CFR Teil 11 erfüllt, ist die cGMP-Validierung bereits abgedeckt. Zur Erzielung der geforderten Flexibilität werden Feldbus-Technologie auf Basis von Profibus und 800xA Batch-Management eingesetzt. Eine weitere Anforderung, die auch in Ungarn gestellt wird, ist die hohe Verfügbarkeit der Anlage; diese wird durch vollständige Redundanz der Controller, Bedienstationen, Server und durch Gigabit-Ethernet bei Control-Netzwerken gewährleistet.
Da die gesamte Anlage ein eigensicherer Bereich ist, ergeben sich auch unter Sicherheitsaspekten besondere Anforderungen an die Ausrüstung. Daraus ergibt sich folgende Struktur der drei Projekte: Die Signale aus dem Feld werden von redundanten dezentralen S800 E/A-Modulen oder – im Falle von rauen Umgebungsbedingungen – von eigensicheren dezentralen S900 E/A-Modulen erfasst. Diese sind in vorkonfigurierten Edelstahl-Feldgehäusen von ABB mit Zulassung für Atex Zone 1 untergebracht, die sowohl innerhalb der Anlage als auch außerhalb im Tanklager zum Einsatz kommen.
Die dezentralen E/A-Module und die Antriebe sind mit den redundanten AC 800M Controllern über redundante Profibus-DP-Leitungen verbunden. Die Profibus-PA-Feldgeräte schließlich sind über das Linking Device LD 800P – den DP/PA-Umsetzer – angeschlossen. Der Einsatz von Feldbus-Barrieren FB 900, die die Feldbus-Hauptleitung auf vier Stichleitungen verteilen, ermöglicht gleichzeitig Kosteneinsparungen und die Erfüllung der strengeren Sicherheitsanforderungen EEx e.
Mit Sicherheit erreichbar und verfügbar
Das Produktionsmanagement basiert auf 800xA-Batch Management mit redundanten Batch-Servern. Historische Werte werden von 800xA Information Management archiviert und stehen jederzeit zur Verfügung. Zur Erhöhung der Flexibilität sind die Bedienstationen nicht nur im zentralen Leitstand angeordnet, sondern auch in den eigensicheren Bereichen in der Produktion. Dort kommen mobile Bartec-Terminals zum Einsatz. 800xA Operations, die Bedienerkonsolen-Software, sorgt für die systemweite Verfügbarkeit des gesamten Informationssystems. Die Bediener können so den Prozess lokal von jedem gewünschten Standort aus steuern.
Die Installation und Inbetriebnahme der Anlagenautomatisierung erfolgte unter erheblichem Zeitdruck. Andras Ujfaludi erläutert, wie er diese Herausforderung meistern konnte: „Zunächst einmal wird System 800xA mit einer leistungsfähigen Engineering-Umgebung geliefert, die die Einhaltung der Firmenstandards von Gedeon Richter – beispielsweise im Hinblick auf Faceplates oder Bildschirm- Layouts – vereinfacht. Darüber hinaus konnten wir die FDT/DTM-Technologie nutzen, mit der die Integration von dezentralen E/A-Modulen und Feldgeräten erheblich einfacher wurde. Das Gleiche gilt für die in System 800xA integrierten ABB-Antriebe.
Neben der größeren Engineering-Leistungsfähigkeit der FDT/DTM-Technologie hat die Feldbus-Lösung auch zu einer deutlichen Reduzierung des Verkabelungsaufwands geführt.“ Seit Oktober 2005 sind drei Produktionslinien in Betrieb, einige weitere werden in Kürze folgen. Lóránt Kovács von Gedeon Richter fasst die in seiner Anlage erzielten Fortschritte wie folgt zusammen: „Sobald wir neue wissenschaftliche oder produktionsbezogene Erkenntnisse gewinnen, können wir schnell reagieren. Mit den neuen Anlagen sind wir einerseits sehr flexibel und haben andererseits die Gewissheit, dass die cGMP-Bestimmungen eingehalten werden.“
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