Auf Wachstum programmiert Zwei Studien bestätigen: Die deutsche Biotech-Branche ist wieder auf Kurs

Redakteur: Dr. Ilka Ottleben

Die deutsche Biotechnologie-Industrie wächst und schafft Arbeitsplätze. Dieses Fazit zieht nicht nur der achte Biotechnologiereport der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young sondern auch eine vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung und dem Deutschen Institut für Wirtschaft zeitgleich vorgelegte Studie.

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In diesem Jahr wird die deutsche Biotechnologie-Branche die Umsatzmilliarde überschreiten. Die Stimmung ist deutlich besser als in den Vorjahren und es wird endlich wieder mehr investiert“, fasst Siegfried Bialojan, Leiter des Industriesektors Biotech bei Ernst & Young die Ergebnisse des achten Biotechnologiereports zusammen. Ähnlich optimistisch äußern sich die Autoren einer zeitgleich vorgestellten Studie, die Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigungspotenziale der Biotechnologie in Deutschland analysiert. Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (Fraunhofer ISI) erstellte diese Studie zusammen mit dem Deutschen Institut für Wirtschaft (DIW) im Auftrag der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) und der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie (DIB). „Bis 2020 werden mehr Menschen einen Arbeitsplatz haben, der mit der Biotechnologie verknüpft ist, als heute in der gesamten Chemieindustrie arbeiten“, prognostiziert Edeltraud Glänzer, für Forschung und Technologie zuständiges Mitglied des geschäftsführenden Vorstands der IGBCE. Gute Aussichten also, schließlich arbeiten in der Chemiebranche derzeit rund 440 000 Menschen.

Wann wird die Biotechnologie zum Jobmotor ?

Bis die Biotechnologie in Deutschland die zugewiesene Rolle als Jobmotor spielen kann, wird es allerdings noch etwas dauern. Laut Ernst & Young stieg die Zahl der bei deutschen Biotech-Unternehmen beschäftigten Mitarbeiter im vergangenen Jahr nur leicht von 9606 in 2005 auf 9670 Mitarbeiter. Wer nämlich 2006 nach neuen Biotech-Unternehmen suchte, wurde enttäuscht. Hinzu kommt, dass Pleiten und Neugründungen sich die Waage hielten.

Was allerdings das langfristige Beschäftigungspotenzial der Biotechnologie betrifft, kommen die Analysten des Fraunhofer ISI und des DIW zu optimistischen Prognosen. Sie betrachten neben dem Kernbereich der Biotech-Unternehmen alle Branchen, die direkt oder indirekt durch die Biotechnologie beeinflusst werden. Dies sind Industrien, die biotechnologische Produkte und Verfahren einsetzen (Chemie, Pharma, Lebensmittel, Landwirtschaft) aber auch Zulieferbetriebe und F&E-Dienstleister. Die Analysten haben berechnet, dass die deutsche Biotechnologie bereits heute 258 000 bis 443 000 Menschen beschäftigt (Abb. 2). Durch neue Produkte und verbesserte Methoden, die sich am Markt durchsetzen, soll die Biotechnologie bis 2020 mindestens 369 000 bis bestenfalls 596 000 Arbeitsplätze bereitstellen können. Den größten Zuwachs erwarten die Analysten bei den Anwenderindustrien.

Fortschritte bei der Wirkstoff-Entwicklung

Damit der von beiden Studien prognostizierte Aufwärtstrend kommt, bedarf es u.a. innovativer Medikamente, die schnell zur Marktreife gelangen. Und hier sind Fortschritte sichtbar: Laut Ernst & Young ist die Zahl der Entwicklungskandidaten von 286 in 2005 auf 324 in 2006 gestiegen. Immerhin 16 Wirkstoffe befinden sich bereits in der Phase III, also kurz vor der Zulassung. Und insgesamt nimmt die Zahl der Unternehmen zu, die mit fünf oder mehr Entwicklungskandidaten ein echtes Portfolio aufweisen können. Medigene scheint den Durchbruch mittlerweile erreicht zu haben. Das Münchner Unternehmen erwarb 2001 die europäischen Vermarktungsrechte für Eligard, einem Medikament gegen fortgeschrittenen Prostatakrebs von Atrix Laboratories und führte es erfolgreich durch den deutschen Zulassungsprozess. Derzeit hat das Unternehmen sechs Wirkstoffe in der klinischen Entwicklung oder Zulassung, darunter auch eigene, wie die Polyphenon E-Salbe. Das Medikament gegen Genitalwarzen erhielt 2006 die Zulassung der FDA.

Auch GPC Biotech ist auf vielversprechendem Weg. Ein Kombinationspräparat der Münchener zur Zweitlinien-Chemotherapie von Patienten mit hormonresistentem Prostatakrebs befindet sich derzeit im amerikanischen Zulassungsverfahren.

Aber um das Potenzial der deutschen Biotechnologie voll nutzen und auch zukünftig wettbewerbsfähig bleiben zu können, muss die Politik innovationsfreundliche Rahmenbedingungen schaffen – auch darin sind sich beide Studien einig. „Wir brauchen eine nationale Biotech-Strategie und international wettbewerbsfähige Gesetze, die auch das Wachstum kleiner und mittelständiger Biotech-Schmieden gewährleisten“, fordert deshalb Dr. Bernward Garthoff, Vorsitzender der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie.

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