Angsterkrankungen Wirkmechanismus für Medikamente gegen Angsterkrankungen identifiziert

Redakteur: Olaf Spörkel

Wissenschaftler konnten jetzt den Nachweis erbringen, dass sich über einen neuen Mechanismus Medikamente gegen Angsterkrankungen entwickeln lassen. Ein solches Medikament zeigte in Studien deutlich weniger Nebenwirkungen.

Anbieter zum Thema

München - Im Laufe seines Lebens entwickelt jeder siebte Deutsche eine Angsterkrankung, die therapiert werden muss. Gängige angstlösende Medikamente basieren auf der Wirkstoffklasse der Benzodiazepine. Diese Anxiolytika beruhigen die Patienten und verringern die Angstgefühle. Neben Psychotherapie und Antidepressiva, die erst nach längerer Zeit wirken, können Benzodiazepine meist kurzfristig und schnell die Angst dämpfen. Bei längerer Einnahme treten jedoch erhebliche Nebenwirkungen wie Toleranzentwicklung, Abhängigkeit und Entzugsprobleme auf.

Auf der Suche nach neuen Wirkmechanismen von Antidepressiva und Anxiolytika erforschen Florian Holsboer und Rainer Rupprecht vom Münchner Max-Planck-Institut für Psychiatrie, wie Neurosteroide die neuronale Kommunikation im Gehirn beeinflussen. In Zusammenarbeit mit der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Ludwig-Maximilians-Universität München und Novartis in Basel, untersuchten sie nun die Wirkung einer neuen Substanzklasse. Die Substanz XBD173 beeinflusste nach deren Angaben die Synthese von körpereigenen Neurosteroiden positiv und bewirkte die Dämpfung neuronaler Kommunikation, wie die Wissenschaftler mithilfe von Gehirngewebe der Maus nachweisen konnten. Auch auf der Verhaltensebene zeigte XBD173 im Tiermodell eine angstlösende Wirkung, ohne dass sedierende Effekte, wie sie vergleichsweise bei Benzodiazepinen auftraten, beobachtet werden konnten.

Klinische Studie zur Erforschung von Medikamenten gegen Angsterkrankungen

Um die Wirkung von XBD173 erstmals beim Menschen zu prüfen, konzipierten beteiligte Ärzte eine klinische Studie, bei der 70 gesunde, freiwillige Versuchspersonen getestet wurden. Den Probanden wurde das das Neuropeptidfragment CCK-4 gespritzt, das für zwei bis fünf Minuten eine kurze Angst- und Panikattacke auslöste. Erhielten die Probanden XBD173 war die Angst nach Angaben der Forscher nicht mehr auslösbar. Auch das Benzodiazepin Alprazolam dämpfte die Angstgefühle. Die Versuchsteilnehmer berichteten jedoch im Gegensatz zu XBD173 über unerwünschte Müdigkeit nach Einnahme und Entzugssymptome nach Absetzen des Präparats.

Ansatz mit günstigerem Nebenwirkungsprofil

Die Forscher haben über die Stimulierung der Neurosteroidsynthese mittels des Translokator-Proteins 18 einen neuen Mechanismus zur Behandlung von Angsterkrankungen entdeckt, der ein günstigeres Nebenwirkungsprofil als Benzodiazepine aufweist. Darüber hinaus wurden die Rahmenbedingungen definiert, wie solche Studien auch an gesunden Versuchspersonen durchgeführt werden können. „Der erfolgreiche Einsatz eines experimentell induzierbaren Angstmodells bei gesunden Probanden erleichtert zukünftig die Entwicklung neuer Anxiolytika, da Wirkstoffprüfungen in ihrer frühen Phase nicht unbedingt am Patienten durchgeführt werden müssen“, sagt Rainer Rupprecht. Dabei sei ihm bewusst, dass die Erkenntnisse, die an Gesunden gewonnen werden, nicht 1:1 auf Patienten übertragen werden könnten.

(ID:306717)