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Interview „Wir müssen die Chemie völlig neu entwickeln“

Das Gespräch führte M.A. Manja Wühr

Die Ampel-Koalition will den Kohleausstieg auf 2030 vorziehen. Diese Pläne entschleunigen den Klimawandel, aber beschleunigen den Strukturwandel in den Kohlerevieren. Gleichzeitig steht die Chemieindustrie vor der Aufgabe, ihre Prozesse in eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft zu überführen. Prof. Peter H. Seeberger will mit einem Großforschungszentrum im Mitteldeutschen Revier die Zukunft der Chemie und einer Region neu gestalten.

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Chemresilienz Teamleitung Prof. Dr. Peter H. Seeberger und Dr. Matthew Plutschack
Chemresilienz Teamleitung Prof. Dr. Peter H. Seeberger und Dr. Matthew Plutschack
(Bild: Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung)

In den nächsten zwei Jahren sollen in der sächsischen Lausitz und dem mitteldeutschen Revier zwei Großforschungszentren entstehen. Die Erwartungen an die Zentren sind groß: Sie sollen neben Spitzenforschern auch entsprechende Unternehmen anziehen und Ausgründungen fördern. Kurz um; es sollen viele neue und zukunftsfähige Arbeitsplätze geschaffen werden. Um entscheiden zu können, welches Großforschungszentrum dem gesetzten Ziel am meisten entspricht, hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), der Freistaat Sachsen und das Land Sachsen-Anhalt einen zweistufigen themenoffenen Wettbewerb angesetzt. Neben fünf weiteren Konzepten hat der Projektentwurf „Chemresilienz – Forschungsfabrik im Mitteldeutschen Revier“ unter der Leitung von Prof. Peter H. Seeberger die erste Hürde geschafft. Die Idee dahinter: Das Großforschungszentrum soll eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft chemischer Erzeugnisse etablieren. Wenn Prof. Seeberger und sein Team sich im Wettbewerb durchsetzen, winkt eine Förderung von 1,25 Milliarden Euro.

Die Anforderungen von Bund und den beiden Bundesländern an die zwei geplanten Großforschungszentren sind enorm. Was spricht für ein Großforschungszentrum Chemie im Mitteldeutschen Revier?

Prof. Peter H. Seeberger: Die Chemie hat eine lange Tradition in der Region. Im Mitteldeutschen Chemie-Dreieck bündeln sich Produktionsstandorte wie Bitterfeld-Wolfen, Böhlen, Leuna oder Schkopau. Der gute Zugang zu preiswerter Energie in Form von Braunkohle machte den Standort so attraktiv für die Industrie. Auch wenn wir stetig aus der Kohlenutzung aussteigen, ist die Chemieindustrie hier noch sehr aktiv.