Katalyse Wie es mit Katalyse gelingen kann, Kohlendioxid als Rohstoff zu nutzen

Autor / Redakteur: Anke Geipel-Kern / Dipl.-Ing. (FH) Tobias Hüser

Ob heterogen oder homogen – Katalysatoren zünden den Turbo im Reaktor und können Zukunftsvisionen wahr werden lassen. Dazu gehört beispielsweise der lang gehegte Traum, Kohlendioxid als Chemierohstoff zugänglich zu machen.

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Blick in den Mikrokosmos der Katalyse: Die rasterelekronische Aufnahme eines Liganden. (Bild: BASF)
Blick in den Mikrokosmos der Katalyse: Die rasterelekronische Aufnahme eines Liganden. (Bild: BASF)

Die Haber-Bosch-Synthese ist der Klassiker unter den heterogenen Katalyseverfahren, und vermutlich könnten 99,9 Prozent aller Chemiker noch aus dem Tiefschlaf gerissen, die Details des ersten großtechnischen Prozesses aufsagen. Die Zeiten ändern sich: 1913 war die Ammoniak-Synthese eine Revolution, heute gehört sie für Studenten zum Vordiplomsstoff. Vielleicht gerät deshalb gelegentlich in Vergessenheit, dass die der Katalyse zugrunde liegende Oberflächenreaktion erst viele Jahrzehnte später von Nobelpreisträger Prof. Gerhard Ertl geklärt wurde, der damit die Katalyseforschung von einer „schwarzen Kunst in eine exakte Wissenschaft“ überführte.

Trotz dieser späten Erkenntnis gilt die Ammoniaksynthese als Grundlage für die heterogenen Katalyseverfahren, ohne die heute in der Chemie nichts mehr geht: Insgesamt funktioniert der Löwenanteil der rund 25 000 Prozesse für Bulkchemikalien nur mit dem Turbo im Reaktor. Und obwohl die Marktpreise für Chemiekatalysatoren eher niedrig sind, summierte sich nach BASF-Angaben im Jahr 2010 der weltweite Markt für die Reaktionsbeschleuniger auf rund vier Milliarden Euro. Davon profitieren die klassischen Hersteller von Chemiekatalysatoren, dazu gehören beispielsweise neben BASF, Degussa Evonik, Süd-Chemie und Johnson Matthey auch die in Hanau ansässige Heräus sowie zahlreiche asiatische Firmen.

Die Entwicklung und spätere Implementierung eines Katalyseverfahrens ist ein interdisziplinäres Unterfangen, während dessen die Arbeit von Verfahrenstechnikern, Chemikern aber auch Werkstoff- und Sicherheitstechnikern ineinander greift. Allerdings finden neue Katalysatorrezepturen nur dann den Weg in die industrielle Umsetzung, wenn sie entweder ein völlig neues Verfahrensfenster öffnen, Selektivitäten deutlich steigern oder Katalysatorstandzeiten verbessern. Bei der heterogenen Katalyse ist vor allem Letzteres ein gigantischer Hebel. Ziel sind Standzeiten von rund zwei Jahren, das entspricht 16 000 Arbeitsstunden. Bleibt eine Word Scale-Anlage nur 24 weitere Stunden am Netz, weil der Reaktionsbeschleuniger länger durchhält, addiert sich der Umsatz unter Umständen zu einer erklecklichen Summe. Hat man den Desaktivierungsprozess verstanden, erlaubt der aus der Elektrotechnik entlehnte Accelerated Deactivation-Test eine Aussage über die Lebenszeit des Katalysators. Die von Bayer Technology Services genutzte Methode habe sich bewährt und könne in der heterogenen Katalyse gute Ergebnisse liefern, betont Prof. Leslaw Mleczko, Key Expert Cemical and Polymer Processes.

Eine weitere Herausforderung ist die Reaktionskinetik, wo bei fast allen Reaktionen thermodynamisch gesehen noch Luft nach oben ist. Experten wie Prof. Dr. Robert Schlögl, Direktor am Fritz-Haber-Institut der MPG schätzen daher, dass optimale Katalysatoren in der Chemie den Energieaufwand leicht halbieren könnten.

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