Compliance Wie „Efficient Compliance“ dem „chronischen Kopfweh“ ein Ende bereitet
Leiden Sie unter Compliance-Kopfschmerzen? Dabei könnte gerade das Qualitätsmanagementsystem ein Schlüssel zu mehr Effizienz sein – wenn man aufhört, diese Themen getrennt zu betrachten und Compliance- und Effizienzaspekte parallel betrachtet, wird aus einer leidigen Pflicht ein echter Enabler.
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Es ist nicht alles 4.0: Unter den Qualitätsthemen, die Pharmakonzerne intensiv beschäftigen, gibt es neben den brandneuen nach wie vor „alte Kamellen“ wie Abweichungen, Reklamationen und CAPAs (Corrective And Preventive Actions). Letztere sind zwar nicht „attraktiv“ genug, um auf Konferenzen Gegenstand von Präsentationen zu sein, bleiben aber ein echter Dauerbrenner in allen Unternehmen. In ihre Abarbeitung fließen enorme Zeit- und Nerven-Ressourcen – mit oft mäßigem Erfolg. Die parallele Betrachtung von Compliance- und Effizienzaspekten hilft hier auf die Sprünge.
Themen wie Künstliche Intelligenz, Continuous Manufacturing oder Virtual Reality sind derzeit auf nahezu jeder Konferenzagenda zu finden. Sie sind zweifelsohne spannend, fallen für viele Unternehmen aber eher (noch) in die Kategorie Science Fiction; Probleme „aus dem realen Leben“ brennen ihnen weit dringender unter den Nägeln. Sie suchen Lösungen für eine ordentliche Abweichungsbearbeitung, konsistente CAPAs und zeitnahe Reklamationsbearbeitung in einem Pharmabetrieb; schließlich handelt es sich hierbei um zentrale Perfomance-Indikatoren in der Herstellung von strikt regulierten Produkten. Und auch, wenn sie so alltäglich sind, dass eigentlich niemand mehr etwas von ihnen hören will, müssen Unternehmen sich ihrer annehmen. Denn sie kosten Zeit und Nerven (sie sind mühsam, nervenaufreibend, oft komplex, verlangen abteilungsübergreifende Zusammenarbeit) und – last but not least – Geld.
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FMD-Compliance
Die Fälschungsschutzrichtlinie für Arzneimittel: In fünf Schritten zur Compliance
Eine Abweichung setzt stets eine Lawine von Ereignissen in Gang, die oft nicht koordiniert sind, weil sie teils schwer zu strukturieren sind. Die Komplexität reicht hierbei von einfach und eindeutig bis hin zu sehr schwierig und unübersichtlich. Fakt ist: Was im Abweichungsfall zu tun ist, und wie die aufklärenden Untersuchungen durchgeführt werden sollen, ist bei den meisten Unternehmen schriftlich irgendwie geregelt – schließlich will es so die Regulierungsbehörde. Das heißt in der Praxis, dass die entsprechenden Prozesse beschrieben und dokumentiert, die Rollen und Verantwortlichkeiten definiert und der zeitliche Rahmen festgelegt und akzeptiert sind. Klingt gut, bloß: Warum funktioniert die Abweichungsbearbeitung in vielen Fällen trotzdem nicht? Liegt es an dem Prozess, der Organisation, den Rahmenbedingungen oder womöglich an den Mitarbeitern? Zusätzliche Konzepte, Regeln, Tools, Workshops und vor allem Ressourcen sollen und können diese Einflussgrößen verbessern. Aber gibt es ein universelles Rezept oder gar die perfekte Lösung?
Zwei Blickwinkel
Es gibt eine Lösung. Um den für sich optimalen Weg zu finden, müssen Unternehmen die gesamte Qualitätsproblematik aus zwei Blickwinkeln betrachten: von der Compliance- und der Effizienz-Seite. Was zunächst widersprüchlich erscheint, ist es keineswegs. Compliance-Vorgaben legen einen Manövrierspielraum fest, innerhalb dessen man den effizientesten Weg finden muss, um das gesetzte Ziel zu erreichen.
Um ihre Prozesse effektiv zu justieren, sollten Unternehmen zwei Aspekte kritisch hinterfragen:
- 1. Sind alle einzelnen Prozessschritte auch wirklich notwendig? Wurde in der Praxis etwa aus einem Vier-Augen-Prinzip mit der Zeit ein Acht-Augen-Prinzip, sodass „doppelt-gemoppelt“ wird? Generiert jeder Prozessschritt tatsächlich einen Mehrwert für das Unternehmen und/oder den Kunden? Diese Fragestellungen sollten die Verantwortlichen mithilfe von Prozessexperten beantworten und nötige optimierende Schritte einleiten.
- 2. Sind die vorhandenen Prozessbeschreibungen wirklich verständlich? Eine Umfrage unter den betroffenen Mitarbeitern kann diesbezüglich wertvolle und überraschende Erkenntnisse liefern und helfen, ungeahnte Missverständnisse aufzudecken. Innovative Umfrage-Tools wie z.B. die Smartphone-App „Mentimeter“ können derartige Erhebungen erleichtern und beschleunigen.
Ein zentraler Faktor, den Unternehmen ins Visier nehmen müssen, liegt in der Dokumentation der Abweichungen. Formulare müssen intuitiv strukturiert und effizient zugänglich sein. Je benutzerfreundlicher sie sind, umso brauchbarer wird die Dokumentation am Ende sein. Die für die Abweichungsdokumentation verwendeten IT-Systeme unterscheiden sich in der gelebten Praxis stark und sind häufig nicht wirklich auf die Bedürfnisse ihrer Nutzer zugeschnitten. Dieser stiefmütterliche Umgang erschwert und verlangsamt die Aufarbeitung und erzeugt kritische Backlogs (eine dynamische Liste durchzuführender Aufgaben). In anderen Fällen wird Potenzial verschenkt, weil Funktionalitäten von implementierten Workflow Solutions nicht voll erkannt und genutzt werden. Im Rahmen eines System-Checks kann ein Team aus Effizienz- und Compliance-Experten hier in sehr kurzer Zeit wichtige Empfehlungen geben, die dieses Potenzial heben.
Ursachenfindung
Unternehmen sollten sich die Zeit für eine Analyse der im Unternehmen verwendeten Methodik in der Grundursachenfindung nehmen. Investigatoren benötigen kraftvolle Untersuchungswerkzeuge, um zu relevanten Erkenntnissen zu gelangen.
Zu klären ist etwa: Gibt es womöglich Alternativen oder Ergänzungen zu Ursachenfindungs-Methoden wie Ishikawa oder der 5 Why-Methode? Die Struktur der Untersuchungen muss analysiert und gemeinsam mit Experten bewertet werden.
Des Weiteren ist es bedeutend, alle im Unternehmen zur Verfügung stehenden Informationen heranzuziehen, um „blinde Flecken“ zu vermeiden. So ist es z.B. wichtig, auch Reklamationen sorgfältig zu analysieren und die Ergebnisse dieser Analysen systematisch bei der Ursachenforschung zu berücksichtigen. Sie weisen auf eine Vielzahl von Qualitätsthemen hin, die in einem Unternehmen latent existieren und verbessert werden sollten. Ohne solche Zusatzinformationen haben die Investigatoren eine unvollständige Sicht, die die korrekte Ursachenfindung erschwert.
Um mithilfe von CAPAs Abweichungsursachen zu eliminieren, müssen die Unternehmen sicherstellen, dass die definierten Maßnahmen auch tatsächlich zu der Grundursache passen. Genau hier liegt in der Praxis bemerkenswerterweise einer der häufigsten Fehler: Die Grundursachen werden zwar korrekt ermittelt, die Kausalität zwischen Wirkung und Ursache ist belegt, aber die abgeleiteten Maßnahmen zielen nicht wirklich präzise auf die Ursachen. Die CAPAs werden dadurch ineffektiv, was weder effizient noch compliant ist, unnötig Zeit und Geld kostet und ein Inspektionsrisiko darstellt. Um effektive CAPAs zu definieren, müssen fachbereichsübergreifende Teams gemeinsam Vorschläge erarbeiten und die Maßnahmen präzise festlegen.
Faktor Mensch
Prozesse werden von Menschen gelebt. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, dass die richtigen Leute die richtigen Rollen in den Prozessen einnehmen. Denn die passenden Fähigkeiten sind unerlässlich, um Prozesse regelkonform und effizient durchzuführen. Reine Fachexpertise ist für Investigatoren aber nicht ausreichend, gute Soft-Skills und der Blick über den Tellerrand sind gleichermaßen erforderlich. Schließlich geht es nicht nur darum, Ishikawa-Diagramme zu erstellen und Berichte zu schreiben, sondern auch darum, zu führen, zu überzeugen, zu schulen, zu motivieren und mit gutem Beispiel voranzugehen. Nur wer das ganze System versteht, kann effektiv und flexibel agieren.
Wollen Unternehmen bei all diesen Baustellen vorankommen, ist es wichtig, Transparenz zu schaffen. Regelmäßige Team-Meetings, um Aktivitäten zu planen und zu diskutieren, sind dabei unerlässlich. Und auch wenn es sich zunächst unrealistisch anhört, sollten diese Treffen täglich stattfinden, um die aktuellen Aufgaben, neue Abweichungen, CAPAs und Reklamationen zu besprechen.
Reden hilft!
Dabei kommt es weniger darauf an, wo man sich trifft (es kann auch die Kaffeeküche sein), sondern was es zu sehen gibt: Ergebnisse, Backlogs, Ziele, Erfolge und Misserfolge sollten visualisiert werden. Methoden wie beispielsweise Scrum oder Kanban können dabei wertvolle Dienste leisten, wenn man sie auf das eigene Unternehmen zuschneidet. Es geht darum, kreativ zu werden, schnell zu kommunizieren und zu agieren. Die Frequenz, mit der sich die Projektteams treffen, und die konsequente, geschlossene Teilnahme aller relevanten Akteure bestimmt ihre Reaktionszeit. Und so übertrifft der Nutzen von kurzen täglichen Meetings den Aufwand schnell um ein Vielfaches.
Efficient Compliance
Auch wenn über diese reizlosen, vermeintlich alten Themen lieber geschwiegen als gesprochen wird, lässt sich zusammenfassend sagen: Die Bearbeitung von Abweichungen, das Verwalten und Nachhalten von CAPAs sowie Reklamationen stellt für Pharmaunternehmen ein extrem bedeutendes Dreigestirn von Qualitätsmanagementsystemen dar und sind ein bedeutender Anknüpfungspunkt für den Efficient Compliance-Ansatz. Hier wird sichtbar, dass Compliance und Effizienz gleichermaßen und parallel berücksichtigt werden müssen. Gelingt dies, reduzieren sich die Abweichungs-Backlogs, die Gefahr von Qualitätsrisiken sowie die zermürbenden Streitereien und Schuldzuweisungen zwischen Fachbereichen gleichermaßen. Pharmaunternehmen muss klar sein: Entdeckte Fehler und dokumentierte Abweichungen sind eine Goldmine für Erkenntnisse und eine Chance, kontinuierliche Verbesserung möglich zu machen. Je rascher und flexibler Hersteller regulierter Produkte diese Erkenntnisse nutzen und Verbesserungen implementieren, umso größer ist ihre Chance, im Markt erfolgreich zu sein.
Dies wird umso besser funktionieren, je reibungsloser Compliance-Know-how und Effizienz-Betrachtungen dabei zusammenwirken.
* * Vanek ist Principal Consultant, Paparella Senior Excecutive Advisor, bei Uqualize +, Wien/Österreich. Kontakt: Tel. +43-523-1796-0
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