Recycelbare Verpackung Wie das Kreislaufwirtschaftsgesetz der Lebensmittelbranche Beine macht
Anbieter zum Thema
Jahrelang galten flexible Mulitilayer-Verpackungen in der Lebensmittelindustrie als unverzichtbar. Jetzt sind sie dank des neuen Kreislaufwirtschafts-Gesetzes Teufelszeug. Zu viel davon, und dann auch noch schlecht zu recyceln, lautet das Urteil. Monolayer-Kunststoffe sollen es nun richten. Damit die Projekte keine Einzellösungen bleiben, müssen sich ganze Wertschöpfungsketten ändern.

Die beste Verpackung ist die, die gar nicht erst gebraucht wird. Aber leider sind nicht alle Lebensmittel, wie etwa die Banane oder die Kokosnuss mit einer praktischen und dazu noch vollständig biologisch abbaubaren Schutzhülle ausgestattet. Doch ohne Verpackung geht es oft nicht, vor allem wenn es um verderbliche Frischware geht. Wenn es aber nun schon eine Verpackung sein muss, dann bitte eine, die gut recycelbar ist und von den Sortieranlagen mühelos herausgefischt werden kann. Und genau da liegt momentan der Hase im Pfeffer.
Faktisch sei die Recyclingfähigkeit von Lebensmittelverpackungen in den letzten Jahren stetig gesunken, erklärt Dr.-Ing. Joachim Christiani, Geschäftsführer der Ingenieurgesellschaft HTP und des Instituts cyclos-HTP.
Immer mehr flexible Verpackungen verursachen immer mehr Probleme
Ein gewaltiger Hebel, denn laut Zahlen von Euromonitor International war Lebensmittelbranche im Jahr 2019 mit 2,2 Billionen Einheiten Spitzenreiter bei der Verwendung von Verpackungen. Mit ein Grund ist der Trend zur flexiblen Verpackung: Marktforschern zufolge das am schnellsten wachsende Segment der Verpackungsindustrie und das, was momentan in den Recyclinganlagen die größten Probleme verursacht. Vor allem die flexiblen Plastik-Multilayer sind in Verruf geraten. Die nach dem Sandwich-Prinzip aufgebauten Folien drücken die Recyclingquoten, da die Fraktionieranlagen sie nur unzureichend trennen können und dadurch minderwertige Recyclate entstehen, wenn sie nicht gar in der Müllverbrennung landen.
In der Packmittel-Evolution sind Mehrschichtverpackungen technologisch gesehen die Krone der Schöpfung. Die Multilayer bestehen zum Teil aus bis zu elf Schichten hauchdünner Folie, deren Verbund die Verpackung zu Alleskönnern macht: Reiß- und Durchstoßfestigkeit, UV- und Lichtschutz, Barriereschutz gegenüber Luftfeuchtigkeit oder Temperaturbeständigkeit - all das kann durch die Kombination unterschiedlicher Folientypen erreichen.
Jahrelang galten die Eigenschaftswunder für ein gutes Beispiel im Umgang mit Ressourcen: leichter und dünner als vergleichbare Verpackungen, könne man damit Rohstoffe sparen und CO2-Emissionen beim Transport vermeiden - so lauteten jedenfalls die Argumente der Folienhersteller. Nun hat sich das Rad gedreht. Recyclingfreundliches Design ist Trumpf und überall auf der Welt suchen Entwickler nach neuen Verpackungsmaterialien, die über die gleichen guten Eigenschaften verfügen, aber gleichzeitig sauber und sortenrein wiederverwertbar sind.
EU-Kunststoffrichtlinie macht Handel und Konzernen Beine
Schaut man sich die Webseiten der Folienhersteller an, sollte das kein großes Problem sein. Schon auf der K 2016 stellte z.B. Borealis ein Full-PE-Laminat vor als Ersatz von Multimaterial-Folien mit gleicher Funktionalität und maschineller Verarbeitbarkeit. Der Konzern hatte allerhand aufgeboten, um den Lebensmittelkunden das neue Material schmackhaft zu machen und ein Unternehmenskonsortium zusammengebracht, das von der Rohstofferzeugung über den Maschinenbauer zur Folienextrusion bis hin zum Hersteller von Schlauchbeutelverpackungsanlagen die ganze Wertschöpfungskette der Folienherstellung abbildet. Doch die Resonanz am Markt war eher gering und man tröstete sich mit dem Wettbewerbsvorsprung, den man sich erworben habe. Auch DSM, Sabic, Dow oder Excon Mobile - alle haben sich in den letzten Jahren auf die Monomaterialien gestürzt und stehen in den Startlöchern.
Jetzt endlich - mehr als vier Jahre später - scheint die Entwicklung endlich Fahrt aufzunehmen. Unilever, Nestle, Mondelez und u.a. starten Pilotprojekte, um Monolayer-Verpackungen für Fleisch, Fisch, Käse u.a. Frischware im Markt zu puschen. Zweifellos hat das im letzten Jahr verabschiedete Kreislaufwirtschaftsgesetz mit der EU-Kunststoffrichtlinie, Handel und Lebensmittelindustrie gehörig Beine gemacht.
Das Gesetzeswerk legt nicht nur eine Quote von 70 Prozent für Mehrwegsysteme fest, sondern auch erhöhte Recyclingquoten für alle Verpackungsarten – auch für Kunststoff. Seit 2019 sollen 58,5 Prozent Prozent aller Kunststoffabfälle recycelt und in neuen Produkten wieder verwertet werden. Ab 2022 soll diese Recyclingquote auf 63 Prozent steigen. Derzeit liegt sie in Deutschland insgesamt bei 36 Prozent.
Nur wer kooperiert, gewinnt Marktanteile
An vorderster Front sind zurzeit die Folienhersteller: Mondi, Schur Flexibles, Huhtamaki, Südpack u.a.. Und das aus gutem Grund. Folienentwicklung und Wünsche der Lebensmittelkonzerne sind eng verflochten. Wer am Markt vorbei entwickelt, also zu früh oder zu spät ist, der hat unter Umständen viel Geld verbrannt. Dabei ist die Aufgabe alles andere als einfach.
Was die neuen Monofolien-Verpackungen leisten sollen, gleicht quasi der Quadratur des Kreises: Die Barriereeigenschaften sollen identisch mit den Multilayern sein und natürlich will keiner Abstriche bei der maschinellen Verarbeitbarkeit machen. Kosten soll es quasi auch nichts, zumindest keine teuren Umrüstungen des Maschinenparks. Knackpunkte sind die Verarbeitungsgeschwindigkeit und die Siegelqualität, gleich ob es um BOPP (biaxial orientiertes Polypropylen). BOPE (biaxial orientiertes Polyethylen) BOPET (biaxial orientiertes Polyethylenterephthalat) oder PLA (Polymilchsäure) geht.
Deshalb müssen die Maschinenbauer mit ins Boot. Bei Syntegon ist man überzeugt, dass nur die Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Akteuren entlang der gesamten Lieferkette Erfolg bringt. Nachhaltigkeit könne man nicht im Alleingang erreichen, erklärt Pierre Hamelink, Leiter Business, Market and Sustainability Strategy bei Syntegon im niederländischen Weert. Um die Maschinenleistung mit nachhaltigen Materialien zu testen, arbeite man deshalb bereits sehr früh im Entwicklungsprozess mit verschiedenen Partnern zusammen.
So hat der Maschinenbauer gemeinsam mit Sabic einen Schlauchbeutel bestehend aus 20 Mikrometer dünne Folie aus biaxial orientiertem Polyethylen (Bope) für Tiefkühlkost entwickelt, das im Vergleich zur momentan genutzten LDPE-Folie den Verpackungsmaterialeinsatz erheblich reduzieren kann. „Unser Konzept ermöglicht es, dünnere Folien bei höheren Geschwindigkeiten zu verarbeiten. Siegelqualität und Produktschutz bleiben wie bei Verpackungen aus LDPE unverändert hoch“, erklärt Hamelink. Durch die Umstellung könnten Hersteller die Foliendicke auf 20 Mikrometer reduzieren und sparen so zwischen 35 und 50 Prozent an Material im Vergleich zu PE-Blasfolien.
Multilayer war gestern - Monolayer ist Trumpf
Maschinenbauer und Rohstofflieferant werden es im Alleingang nicht richten. Entscheidend ist was die Lebensmittelkonzerne wollen. Und hier ist in den letzten zwei Jahren einiges in Bewegung gekommen, das zeigen zwei Pilotprojekte von Unilever und Nestle. Zum Unilever-Konzern gehören Lebensmittelmarken wie Pfanni, Knorr, Langnese oder Mondamin. Im Rahmen seiner Nachhaltigkeitsstrategie sollen bis 2025 100 Prozent seiner Kunststoffverpackungen wiederverwendbar, recycelbar und kompostierbar werden. Einen ersten Schritt macht nun die Marke Knorr im türkischen Markt.
Das Produkt: eine Tütensuppe, deren Verpackung aus reinen Mono-PE-Schichten hergestellt ist. Die Folie stammt von Jindal Films und wird auf deren Webseite unter der Marke Ethy-Lyte umworben. Die Herausforderung für Partner Mondi erklärt Cüneyt Karci, Großkundenbetreuer bei Mondi Kalenobel so: „Wir mussten eine Lösung anbieten, bei der die gleichen Fertigungsmaschinen an den Produktionsstandorten von Unilever eingesetzt werden konnten.“
Was die Tütensuppe für Unilever ist das Katzenfutter im Polypropylen-Monoverbund für Nestle Purina. Der Schweizer Konzern hat mit dem größten niederländischen Einzelhändler Albert Heijn ein Pilotprogramm in den Niederlanden gestartet. Hier soll getestet werden, ob Verpackungen aus Polypropylen (PP) in bestehenden Kunststoff-Recyclingströmen wiederverwertet werden kann.
:quality(80)/images.vogel.de/vogelonline/bdb/1588600/1588613/original.jpg)
Nachhaltige Mehrschichtverpackung
Unternehmen stellen Prototypen für Lebensmittelverpackung aus recyceltem Kunststoff vor
Auch Folienspezialist Südpack will Wertstoff-Kreisläufe schließen und tut sich nicht nur mit Lebensmittelverarbeitern sondern auch mit Chemiekonzernen wie Basf oder Sabic und Spezialisten für die Rohstoffrückgewinnung wie Recenso zusammen.
Neben der Monofolien-Familie Pureline setzt Geschäftsführerin Carolin Grimbacher auf Konzepte, die Recyclate wieder in den eigenen Produktionskreislauf zurückführen und hier vor allem auf das chemische Recycling – eine wie sie sagt „sinnvolle Ergänzung zum mechanischen Recycling und nachhaltigere Alternative zur thermischen Verwertung oder zur Deponierung“. Die Idee dahinter besticht. Gemischte Kunststofffraktionen, für die es noch keine mechanischen Recycling-Lösungen gibt, verwandeln sich in Rohstoffe für hochwertige Verpackungen.
:quality(80)/images.vogel.de/vogelonline/bdb/1546800/1546801/original.jpg)
Chemisches Recycling von Plastikmüll
Naphtha aus dem gelben Sack? – So kann Chemisches Recycling aus Plastikmüll Rohbenzin machen
Anwendungen mit chemisch recyceltem Kunststoff hat der Folienspezialist mit der Molkerei Zott und der „Zur Mühlen Gruppe“ bereits umgesetzt. Da Kunststoffe aus chemischem Recycling in Neuware-Qualität zur Verfügung stehen, seien die Folienverbund-Verpackungen ebenso hygienisch wie aus Erdöl hergestellte „Neuware" und zeichneten sich durch den gleichen, hohen Produktschutz und Leistungsfähigkeit aus, seien aber deutlich ressourcenschonender hergestellt, betonen die Beteiligten.
Damit die Projekte keine Eintagsfliegen bleiben, muss noch mehr passieren – nicht nur in den Köpfen der Händler und Lebensmittelkonzerne sondern auch in denen der Verbraucher – auf den wird es ankommen, denn der Erfolg der vorgestellten Konzepte entscheidet sich an der Kasse.
(ID:47108702)