Sinnvoll nutzen statt entsorgen Wertvolle Braurückstände – Was am Ende neben Bier übrig bleibt

Redakteur: Dr. Ilka Ottleben |

Braurückstände enthalten viele wertvolle Komponenten – die derzeit jedoch noch kaum genutzt werden. Ein interdisziplinäres Projekt will dies nun ändern und sie einer sinnvollen Verwertung zuführen. Das Gespräch führte LP-Chefredakteur Marc Platthaus.

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Mit über 100 Litern Pro-Kopf-Verbrauch ist Bier das mit Abstand am meisten konsumierte alkoholische Getränk in Deutschland
Mit über 100 Litern Pro-Kopf-Verbrauch ist Bier das mit Abstand am meisten konsumierte alkoholische Getränk in Deutschland
(Bild: gemeinfrei)

LP: Mit über 100 Litern Pro-Kopf-Verbrauch ist Bier das mit Abstand am meisten konsumierte alkoholische Getränk in Deutschland. Beim Brauen des Gerstensaftes fallen allerdings auch viele Rückstände an. Was passiert damit?

Prof. Dr. Werner R. Thiel: Beim Bierbrauen entstehen aus dem Zucker, der im Malz vorhanden ist, mithilfe der Brauhefe Alkohol und Kohlendioxid. Die Hefezellen ernähren sich vom Zucker und können sich so vermehren. Am Ende des Brauvorganges bleiben nach der Filtration des Bieres als Rückstand die Hefezellen übrig und alles, was über das Malz in den Sud gerät, aber nicht wasserlöslich ist. Alles andere kommt in’s Bier. Europaweit fallen über 400.000 t Brauereirückstände pro Jahr an, man nennt das auch Treber. Das ist ein ziemlich komplex aufgebautes Gemisch, in dem natürlich die Hefezellen und deren Inhaltsstoffe dominieren, in dem man z.B. aber auch die Fettanteile des Malzes also des Gerstenkorns findet. Das Problem ist, dass diese Rückstände auch eine sehr gute Nahrungsgrundlage für Mikroorganismen sind, d.h. sie beginnen relativ rasch zu vergammeln, man muss sie schnell loswerden. Bislang wurde im Wesentlichen versucht, diese Rückstände als Viehfutter zu verwenden.

LP: Das grenzüberschreitende Forschungsprojekt „Bioval“ beschäftigt sich damit, wie Braurückstände anders verwendet werden können. Was hat es damit auf sich?

Prof. Dr. Thiel: Im Projekt Bioval, das von der EU im Rahmen des Interreg-Programms gefördert wird und in dem sich Arbeitsgruppen aus Kaiserslautern, dem Saarland, Lothringen, Luxemburg und Südbelgien engagieren, werden wir die Brauereirückstände hinsichtlich ihrer Zusammensetzung analysieren und auf dieser Basis Trennverfahren erarbeiten, um besonders wertvolle Komponenten abzutrennen. Im Übrigen sind nicht nur Gruppen von Universitäten mit dabei, sondern auch eine mittelständische belgische
Firma, die sich um die Umsetzung der
Prozesse in technische Verfahren kümmert.

LP: Welche Bestandteile sollen hierbei näher untersucht werden? Auf welche Fragestellungen wird das Projekt näher eingehen?

Prof. Dr. Thiel: Die Proteine der Hefezellen können nach der Abtrennung z.B. als Nahrungsgrundlage für andere Zellen in der Bioverfahrenstechnik dienen, mit denen man komplexere Wertstoffe aufbauen kann. Andere zuvor abgetrennte Komponenten werden von meinen Kollegen beispielsweise auf pharmakologische Wirkungen getestet, oder auf ihre Eignung als Komponenten für die Kosmetik hin untersucht. In meiner Arbeitsgruppe konzentrieren wir uns auf die nicht wasserlöslichen Fettkomponenten, die wie erwähnt aus dem Gerstenkorn, aus dem das Malz hergestellt wird, stammen können, aber auch von den Hefezellen selbst produziert werden. Es ist bekannt, dass der Anteil ungesättigter Fettsäuren in diesen Rückständen relativ hoch ist. Wir beschäftigen uns schon seit einiger Zeit mit der Frage, wie man solche Fettsäuren aber auch das Glycerin der Fette als Rohstoffe für die Industrie nutzen kann und setzen dafür katalytische Reaktionen ein. Die Katalysatoren, die man dafür benutzt, müssen relativ robust also langlebig und wenn möglich einfach abtrennbar und wiederverwertbar sein.

Das sind ganz zentrale Fragen, die wir in meiner Arbeitsgruppe an der TU Kaiserslautern schon seit einigen Jahren intensiv untersuchen. Dann gibt es da noch weitere nicht wasserlösliche Komponenten, die nicht zu den klassischen Fetten also den Glyceriden zählen, die ebenfalls chemisch interessante Strukturen aufweisen, beispielsweise Steroide. Die Abtrennung und die Reinigung dieser Komponenten untersuchen wir ebenfalls, darüber hinaus ihre chemische Umwandlung in pharmakologisch wirksame Verbindungen. An der Nutzung des Nebenprodukts Kohlendioxid als einfach zugänglicher Baustein für Chemikalien arbeiten wir übrigens auch, allerdings nicht in diesem Projekt. Insgesamt ist das ein Projekt, das sehr interdisziplinär angelegt ist und in dem von Toxikologen und Bioverfahrenstechnikern, von Analytikern bis hin zu technisch ausgerichteten Gruppen viele unterschiedlich ausgerichtete Wissenschaftler zusammenarbeiten werden.

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LP: Wo könnte der Abfall künftig nachhaltig und ressourcenschonend wiederverwendet werden?

Prof. Dr. Thiel: Das Schöne an den Brauereirückständen ist ja erst mal, dass man bei deren Verwendung in technischen Prozessen keine Konflikte mit der Nahrungsmittelproduktion hat und dass man insbesondere für kleinere und mittelständische Brauereien eine Problemlösung anbieten kann. Das Ganze muss sich natürlich wirtschaftlich rechnen. Wirtschaftlichkeitskalkulationen sind übrigens ebenfalls Bestandteil des Projektes. Wegen der vielen Komponenten in den Brauereirückständen gibt es auch eine Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten. Aus den ungesättigten Fettsäuren kann man z.B. in wenigen Schritten biologisch abbaubare Weichmacher für Kunststoffe oder andere Produkte für die Polymerchemie machen. Schon aufgrund der Mengen an Brauereirückständen ist das erst mal nichts für Massenprodukte, aber wir nehmen die Rohstoffe aus diesen Rückständen auch als Modellsysteme, um prinzipielle Einsatzmöglichkeiten unserer Katalysatoren im Bereich nachwachsender Rohstoffe zu untersuchen. In dem Bereich arbeiten wir im Landesforschungsschwerpunkt Nanokat und im Zentrum für ressourceneffiziente Chemie und Rohstoffwandel seit einigen Jahren sehr intensiv und erfolgreich mit anderen Kollegen aus der Verfahrenstechnik, der Chemie und der Physik zusammen.

Herr Prof. Thiel, vielen Dank für das Gespräch.

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