Technische Schadensfälle Was Sie bei der Beweissicherung von Schadensfällen beachten sollten

Autor / Redakteur: Frank Flammer, Marc Y. Wandersleben / Dipl.-Ing. (FH) Tobias Hüser

Je schärfer der Wettbewerb, desto größer ist die Gefahr, dass Fehler und Schäden an Produkten auftreten. Dann werden Ansprüche gegen dem Hersteller geltend gemacht oder man muss selbst als Besteller gegenüber einem Lieferanten einen Schaden beanspruchen. Um in solchen Fällen gut aufgestellt zu sein, bedarf es meist ein hohes Maß an Kompetenz in der Beweissicherung.

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(Bild: Maschinenkanzlei)

Unter einem Schaden versteht man Veränderungen an einem Produkt, durch die eine oder mehrere seiner vorgesehenen Funktionen wesentlich beeinträchtigt oder unmöglich gemacht werden. Im Fall eines technischen Schadeneintritts ist es von fundamentaler Bedeutung, zeitnah ein Höchstmaß an technischen Informationen sachlich festzustellen.

Hierzu ist es in einem ersten Schritt nötig, diese Informationen von forensisch erfahrenen sowie unabhängigen Experten zusammengetragen und in einem ersten Schritt vor Ort technisch zu bewerten. Ferner ist die Prüfung der technischen Unterlagen notwendig, um solide Informationen für die technische Bewertung zu erhalten. Danach muss die juristische Bewertung nach Prüfung von Verträgen und Kenntnis der technischen Feststellungen erfolgen. Der abschließende Schritt ist stets die so genannte „technisch-juristische“ Strategieplanung.

Was ist zu prüfen?

Die technischen Ursachen werden – sofern möglich – ermittelt und die Verantwortlichkeit dem Grund nach geprüft. Dies betrifft u.a. Rahmenverträge, technische Zeichnungen, Dimensionierung, Werkstoffe, Fertigung, interne und externe technische Dokumentation, Normen, Angebote, Bestellungen, Auftragsbestätigungen, Lieferscheine, Rechnungen, Erstreklamationen, Reklamationskorrespondenz, Schadenablauf und -analyse, Fotos, Laborberichte usw. Ebenso überprüft werden mögliche Fehler, die häufig die Gründe für Produkthaftungsschäden darstellen.

Weiterhin sind wesentliche Prüfaspekte: die genaue Vertragskette, die konstruktive Verantwortung, geschuldete und gelieferte Qualität, Warenausgangskontrollen, Wareneingangskontrollen und die Erkennbarkeit des Fehlers. Schließlich werden Informationen zur Verantwortlichkeit der Höhe nach benötigt und müssen ermittelt werden. Vorliegende Forderungen, die Prüffähigkeit, deren Plausibilität, die Angemessenheit von Abstellmaßnahmen, Schadenminderungsmöglichkeiten und gegebenenfalls Wertverbesserungen müssen berücksichtigt und beurteilt werden.

Neben der Analyse und Bewertung durch forensisch erfahrene, technische Experten („Sachverständige“) nach der Beweissicherung, ist eine juristische Bewertung zwingend notwendig, um neben den technischen auch die rechtlichen (Gesetzeslage und Rechtsprechung) und prozessualen (z.B. Beweissituation) Gegebenheiten zur Entscheidungsfindung im Unternehmen aufzubereiten. Denn erst dann kann darüber entschieden werden, welches weitere Vorgehen unter Berücksichtigung der technischen Feststellungen und der juristischen Prüfung für ein Unternehmen im Schadenfall „Gewinn bringend“ ist.

Haftung mit vielen Facetten

Der Haftungsumfang des Herstellers für ein fehlerhaftes Produkt kann sowohl das öffentliche Recht, das Zivilrecht als auch das Strafrecht betreffen. In der Praxis liegt der Fokus in den meisten Fällen im Zivilrecht. Bei der Bewertung, ob ein Produkt fehlerhaft ist und ob sich daraus Ansprüche herleiten lassen, bedarf es zunächst der Prüfung der in Betracht kommenden Ansprüche. Im Zivilrecht sind dies vornehmlich folgende Ansprüche:

  • vertragliche Ansprüche (z.B. kaufrechtliche Mängelgewährleistung, Garantieerklärung);
  • vertragsähnliche Ansprüche;
  • Ansprüche aus Delikt;
  • Ansprüche aus Produkthaftung;
  • Produktfehler.

Folgende fünf technische Fehlertypen sind zu unterscheiden:

  • Entwicklungsfehler;
  • Konstruktionsfehler;
  • Fabrikationsfehler;
  • Instruktionsfehler;
  • Fehler in der Produktbeobachtung.

Im Schadenfall muss substantiiert vorgetragen werden. Hierzu ist es nicht nur nötig, die „Charakter“ der Fehlertypen genauestens zu kennen, sondern diese „gerichtsfest“ darzulegen. Die häufigsten Gründe für diese Fehler sind Zeit, Zusagen, Kostendruck sowie eine fachliche Überforderung der handelnden Personen.

Im technischen Schadenfall müssen Beweise nahezu immer sehr schnell gesichert werden, da die Produktion weiterlaufen, der Ausfallschaden minimiert und existierende Verträge mit Endkunden erfüllt werden müssen. Zwei Verfahren bieten sich an: das gerichtliche „Selbständige Beweisverfahren“ oder die Beweissicherung im Parteiauftrag. Effiziente Beweissicherung, teilweise innerhalb weniger Stunden nach Schadeneintritt, ist im Parteiauftrag möglich. Rechtlich handelt es sich in einem späteren Rechtsstreit um einen Parteivortrag.

Wird ein „Selbständiges Beweisverfahren“ über ein Gericht beantragt, erlässt das Gericht nach einiger Zeit einen Beweisbeschluss und beauftragt einen Sachverständigen, der an diesen Beschluss gebunden ist. Dessen Feststellungen haben Beweischarakter. Problematisch ist hingegen der Zeitfaktor. Zwischen Antragstellung und Durchführung des Ortstermins durch den Gerichtssachverständigen vergehen aufgrund der juristischen Randbedingungen in jedem Fall mehrere Wochen, wenn nicht sogar Monate. Bei technischen Schäden an und mit Maschinen ist dies eigentlich immer ein KO-Kriterium, da dem Faktor „Zeit“ eine hohe Bedeutung beikommt.

Genau aus diesem Grund ist bei technischen Schäden die Beweissicherung in Form eines Parteigutachtens grundsätzlich vorzuziehen, auch wenn der Beweischarakter rechtlich (im ersten Schritt) hinter einem Gutachten im gerichtlichen „Selbständigen Beweisverfahren“ zurückbleibt. Ein gut strukturiertes Parteigutachten zur Beweissicherung wird jedoch im Rechtsstreit Berücksichtigung finden, zumal der Parteigutachter im Gerichtsverfahren im Rahmen der Beweisführung als Sachverständiger/Zeuge benannt werden kann.

Bei der Beweissicherung werden immer der Zustand einer Person oder Wert einer Sache, die Ursache eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels sowie der Aufwand für die Beseitigung eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels festgestellt. Die Feststellung der Ursache bedeutet zwangsläufig eine reine technische Ermittlung. Beweissicherung zu den Punkten „Zustand“ sowie „Aufwand“ bedeutet immer auch eine Bewertung, meistens mit einer Zweitwertermittlung und schließlich auch eine Beurteilung der Höhe des Schadens. Dies ist auch für eine mögliche rechtliche Auseinandersetzung sehr wichtig.

Kaum Hoffnung auf vollwertigen Ersatz

In nahezu keinem technischen Schadenfall gibt es für eine geschädigte Partei einen Rechtsanspruch darauf, vom Schädiger eine neuwertige Wiederherstellung zu erhalten. Das liegt daran, dass der Vorteilsausgleich berücksichtigt werden muss. Wenn der Geschädigte als Ersatz für eine beschädigte oder zerstörte Sache eine neue Sache anschafft, dann hat sich der Geschädigte als Vorteil den höheren Wert der neuen Sache schadensmindernd entgegenhalten zu lassen. Deshalb wird im Schadenfall auch in der Regel der Zeitwert ermittelt und die Differenz zum Neuwert zum Abzug gebracht (Vorteilsausgleich).

Ein falscher Ansatz ist es, wenn Geschädigte annehmen, man könne den Einsatz eigener Mitarbeiter bei der Schadenbeseitigung „einfach so“ zum externen Stundensatz ansetzen. In den meisten Fällen liegen „Sowieso“-Kosten vor und es besteht gar kein Anspruch. Die „Sowieso“-Kosten sind ein Begriff aus dem Mängelbeseitigungsrecht und aus dem Schadensersatzrecht. Sie bezeichnen Kosten, die dem Geschädigten/Auftraggeber auch ohne das Ereignis entstanden wären. Bei den „Sowieso“-Kosten ist die Pflichtverletzung nicht kausal (ursächlich) für den Schaden.

Bei einem Zusammenstoß mit einem Lkw wurde ein Förderband eines Kiesbetriebes beschädigt. Es ist offenkundig, dass lange Stillstandszeiten unmöglich sind. Gleichzeitig sieht auch der Laie, den heruntergewirtschafteten Zustand des Förderbandes. Bei diesem Beispiel liegt eine extreme Diskrepanz zwischen den Kosten für Austausch und Reparatur sowie der ermittelten Schadenhöhe unter Berücksichtigung eines Vorteilsausgleichs vor. Die technische Ursache ist evident. Geprüft werden muss jedoch, welche Beschädigungen der Ursache tatsächlich zuzuordnen sind. Der Kausalzusammenhang muss gegeben sein. Ferner muss der Zeitwert bestimmt werden.

Zunächst wird der Zeitwertfaktor bei arithmetisch-degressiv Abwertung ermittelt: Die durchschnittliche zu erwartende Lebensdauer ist wichtig. Die bei den Untersuchungen vor Ort gewonnenen Erkenntnisse über Anlagenumfang (Zubehör), Zustand, Überholungen, etwa durchgeführte Reparaturen und Arbeitsqualität sind für die Wertfindung und zur Bestimmung des Gebrauchtwertfaktors ebenfalls von großer Bedeutung.

Den Zeitwert kann man nun aus dem Neuwert, dem Zeitwertfaktor und dem Gebrauchtwertfaktor ermitteln. Sind die Kosten zur Wiederherstellung höher, liegt ein wirtschaftlicher Totalschaden vor. Abgezogen wird als Vorteilsausgleich die Differenz zwischen Neuwert und dem ermittelten Zweitwert. Man kann sich leicht vorstellen, dass bei einer herunter gewirtschafteten Anlage ein erheblicher Abzug vorgenommen werden muss. Im vorliegenden Beispiel wurden knapp über 80 % abgezogen. Nur wenn technische Beweise sehr genau ermittelt und der technisch-juristische Sachverhalt schließlich substantiiert vorgetragen wird, lassen sich unnötige Rechtsstreitigkeiten vermeiden.

Fazit

Im Falle des Schadeneintritts ist es für ein Unternehmen von fundamentaler Bedeutung, frühzeitig ein unabhängiges funktionierendes Expertenteam aus forensisch erfahrenen technischen Experten und Wirtschaftsjuristen einzuschalten. Die technische Klärung durch im forensischen Bereich erfahrene Sachverständige hilft, um den Technikern und Entscheidungsträgern im eigenen Unternehmen die technische Problematik unmissverständlich klar zu machen und danach die (technisch-) juristische Strategie zu planen.

Beweise müssen gesichert werden, um Ansprüche substantiiert beanspruchen oder abwehren zu können. Dazu gibt es das gerichtliche „Selbständige Beweisverfahren“ oder die Beweissicherung über ein Parteigutachten durch unabhängige Experten. Letzteres wird „lediglich“ als Parteivortrag vor Gericht gewürdigt, kann jedoch schnellstmöglich erstattet werden, ist nicht an Fristen und Abläufe gebunden und deshalb im Fall von Maschinen- und Anlagenschäden in den meisten Fällen aus ökonomischen Gründen zu empfehlen.

Schließlich dauert der gerichtliche Weg der Schadensfeststellung im „Selbständigen Beweisverfahren“ meist sehr lange. Die Beweissicherung im Parteiauftrag kann im technisch-juristischen Team die juristischen Aspekte mit abdecken, sodass das abschließende Parteigutachten nicht nur im außergerichtlichen Verfahren überzeugender ist, sondern im gerichtlichen Verfahren ein „Guide“ für den Gerichtssachverständigen darstellt.

* Frank Flammer ist ein von der IHK Hannover öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständigter, Maschinenkanzlei, Hannover. Kontakt: Tel. +49-511-70013010Marc Y. Wandersleben ist Rechtsanwalt und als Wirtschaftsjurist (Uni Bayreuth) -mediator im Wirtschafts- und Zivilrecht tätig.

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