Flexible Produktion Warum schnelles Rüsten und Reinigen bei immer kleineren Losgrößen so wichtig ist

Von M.A. Manja Wühr

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Die Produktvielfalt im Supermarkt nimmt immer weiter zu. Deshalb sehen sich Lebensmittelproduzenten mit häufigen Produktwechseln und stetig kleiner werdenden Losgrößen konfrontiert. Hier besteht nur, wer flexibel reagieren kann. Auch beim Rüsten und Reinigen.

Verringern sich die Losgrößen, ist schnelles Rüsten und Reinigen Pflicht.
Verringern sich die Losgrößen, ist schnelles Rüsten und Reinigen Pflicht.
(Bild: ©WavebreakmediaMicro; ©PikePicture; ©Sonulkaster - stock.adobe.com; [M]Grimm)

Wer früher einen Butterkeks kaufte, wusste genau wie dieser aussah – goldgelb und mit 52 Zähnen. Heute gibt es ihn als Minis, mit Schokolade, mit weniger Zucker und auch ohne Zähne. Verbraucher*innen wollen Produkte, die auf ihre individuellen Bedürfnisse optimal zu geschnitten sind. Darauf stellen sich Lebensmittel- und Getränkehersteller zunehmend ein. Sie bauen ihre Produktvielfalt aus und entwickeln Rezepturen und Formen ebenso wie Abpackungen immer weiter. Zwangsläufig nehmen auch die Losgrößen ab. Damit die Produktion flexibel und effizient auf wechselnde Anforderungen reagieren kann, gilt es Rüst- und Reinigungszeiten zu senken.

Externes und internes Rüsten

Das Potenzial, das in Rüst- und Reinigungszeiten schlummert, haben viele Technologieausrüster bereits erkannt und optimieren ihre Komponenten, Produktions- und Verpackungsanlagen konsequent auf schnelle Formatwechsel und eine Reinigungs- und Wartungsfreundlichkeit. Aber auch die Hersteller haben einige Stellschrauben zur Verfügung, um das Rüsten und Reinigen zu beschleunigen.

Wie lang dauert eigentlich der Rüstvorgang? Gibt es Schwankungen bei der Rüstzeit? Arbeiten alle Mitarbeiter nach definierten Standards? Lassen sich die Prozesse vereinfachen? Wer Antworten und Lösungen auf diese Fragen sucht, dem raten Lean-Management-Experten wie Prof. Dr. Frank Balsliemke von der Hochschule Osnabrück, alle Tätigkeiten in externes und internes Rüsten zu unterteilen. Dabei gelten als externes Rüsten Maßnahmen, die bei noch laufender oder bei wieder laufender Maschine durchgeführt werden können. Dazu zählen beispielsweise der Transport ebenso wie die Vor- und Nachbereitung von Wechselteilen oder Werkzeugen. Auch Reinigungsmittel können bereits vorbereitet werden, während die entsprechende Maschine noch läuft. Zum internen Rüsten wiederum gehören alle Handlungen, die nur bei Maschinenstillstand durchgeführt werden können. Das umfasst den Wechsel von Leitungen, Förderbändern und anderen Maschinenteilen. Aber auch die Umstellung einer Abfüllanlage auf eine andere Behältergröße oder die Reinigung des Maschineninneren gehören dazu.

Rüstschritte optimieren

Nun da bekannt ist welche Maßnahmen zum externen und internen Rüsten gehören, müssen diese auch entsprechend getrennt werden. Im nächsten Schritt sollte geprüft werden, welche internen Rüstschritte in externe umgewandelt werden können. Anschließend oder aber auch gleichzeitig sollten alle Rüstprozesse optimiert werden. Dafür gibt Prof. Balsliemke Produktionsleitern die EKUV-Analyse als Werkzeug an die Hand:

  • Eliminieren von Verschwendung: suchen, gehen, warten
  • Kombinieren von Rüstschritten: parallele Tätigkeiten, Nutzung beider Hände, technische Unterstützung
  • Umstellen der Bewegungsabläufe: Reihenfolge der Tätigkeiten, Anordnung der Maschinen und Werkzeuge
  • Vereinfachen: Arbeitshöhe optimieren, natürliche Schwerkraft für Bewegungen nutzen

Ausgangspunkt der Analyse ist die Beobachtung des Rüstvorgangs durch eine qualifizierte Gruppe. Jeder einzelne dieser Gruppe sollte dabei eine bestimmte Aufgabe übernehmen – allgemein beobachten, den Rüstprozess erfassen, Laufwege beobachten oder filmen. Darauf aufbauend lassen sich standardisierte Rüstprozesse entwickeln und einüben. Anschließend können die Mitarbeiter diese sukzessive optimieren. Denn jeder Zeitgewinn zählt.

Kardinalfehler ist die Trennung zwischen „Produktion“ und „Technik“
Nachgefragt bei Prof. Dr. Frank Balsliemke, Hochschule Osnabrück

Der schlanken Lebensmittelproduktion den Weg zu bereiten, hat Prof. Dr. Frank Balsliemke von der Hochschule Osnabrück zu seiner Forschungsaufgabe gemacht. In mehr als 100 Industrie- und Beratungsprojekten sowie zahlreichen Seminaren und Vorträgen geben er und sein Team ihr Wissen und ihre Erfahrung rund um das Lean Management weiter. Wo Fallstricke lauern und hilfreiche Tipps verrät Prof. Balsliemke im PROCESS-Interview.

? Der Druck auf Lebensmittelproduzenten die eigene Produktpalette zu differenzieren und damit die Losgrößen zu verkleinern wächst. Welche weiteren Vorteile bringen kleinere Losgrößen mit sich?

Prof. Dr. Frank Balsliemke, Hochschule Osnabrück
Prof. Dr. Frank Balsliemke, Hochschule Osnabrück
(Bild: www.oliverpracht.com)

Prof. Frank Balsliemke: Viele Verantwortliche in der Produktion sind mit der Denkweise „aufgewachsen“, möglichst große Fertigungslose zu fahren, um dadurch vermeintlich die insgesamt anfallenden Rüstkosten zu minimieren. Das ist heute bei einer immer weiter steigenden Variantenzahl aber nicht mehr zeitgemäß. Außerdem ist es auch noch falsch: In Wirklichkeit erzeugen große Lose eigentlich nur Probleme, von denen ein hoher Lagerbestand nur eines ist. Kleine Losgrößen reduzieren dagegen die Stückkosten, indem sie u.a. kleinere Lagerbestände, einen geringeren Flächenverbrauch und zumeist eine deutlich bessere Qualität bewirken. Die in vielen Bereichen notwendigen Anpassungen an die kleiner werdenden Losgrößen, z.B. ein entsprechendes Logistikkonzept, sorgen dann für weitere Optimierungen, die Gemeinkosten sinken deutlich.

? Um kleinere Losgrößen wirtschaftlich produzieren zu können, lohnt es sich die Rüst- und Reinigungszeiten zu reduzieren. Was ist der Kardinalfehler beim Rüsten und Reinigen?

Prof. Balsliemke: Für kleinere Losgrößen ist es die zwingende Voraussetzung, dass die Rüst- und Reinigungszeiten sinken. Aus meiner Sicht gibt es einen wesentlichen Fehler, der das in vielen Unternehmen im Lebensmittelbereich verhindert: die immer noch strikte organisatorische Trennung zwischen „der Technik“ und „der Produktion“.
Steht ein Rüstvorgang an, wird dieser nicht sofort von den Menschen an der Maschine durchgeführt, sondern „die Technik“ oder ein qualifiziertes Team oder ein Einsteller führen den Rüstvorgang durch. Hierbei fallen natürlich schon von Beginn an entsprechende Zeitverluste an, z.B. für Kommunikation und Wege. Stattdessen wäre es richtig, alle direkten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an der Linie am Rüsten zu beteiligen. Jedes Produkt muss zu jeder Tages- und Nachtzeit durch die vor Ort anwesenden Personen zu rüsten sein. Der Kardinalfehler, der dies häufig verhindert, ist: Es fehlt an einer entsprechend breiten Qualifizierung möglichst vieler Menschen in der Produktion und am Willen, diese Qualifizierung aufzubauen.

? Mit welchen einfachen Tricks und Kniffen können Betriebsleiter ihre Rüst­zeiten optimieren?

Prof. Balsliemke: An einer Anlage, die bisher noch nicht konsequent auf minimale Rüstzeiten optimiert wurde, gilt nach meinen Erfahrungen eigentlich nahezu immer die gleiche Faustregel: Allein eine gute Organisation rund um den Rüstvorgang und das konsequente Trennen interner und externer Tätigkeiten reduziert die Dauer des Rüstvorgangs um bis zu 50 Prozent.
Es ist eigentlich einfach: Alle benötigten Werkzeuge und Materialien sind vor Ort, Laufwege sind minimiert und die Maschine steht nur für Tätigkeiten still, die auch wirklich nur bei einer stehenden Anlage durchgeführt werden können, alles andere wird vor- oder nachbereitet. Wenn Sie dann noch dafür sorgen, dass auch wirklich alle Mitarbeiter in allen Schichten nach den gleichen Standards arbeiten, werden Sie beachtliche Erfolge erzielen.

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