Kontinuierliche Produktion Warum alles auf den Gamechanger wartet

Von Anke Geipel-Kern

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Alle großen Pharmaunternehmen arbeiten dran, trotzdem kommt die Kontiproduktion nicht so recht vom Fleck. Die große Masse der Branche hält sich mit Investitionen in Konti zurück. Warum ist das immer noch so? Und was muss geschehen, damit die Technologie endlich den Weg in die Breite der Pharmaindustrie findet?

(Bild: iQoncept - stock.adobe.com)

In vielen Branchen diskutiert über das Thema Kontifertigung kein Mensch mehr. Ohne die Kostenvorteile, die kontinuierliche Produktion bringt, wären beispielsweise Öl- und Kunststoffproduzenten weltweit gar nicht mehr wettbewerbsfähig.

Aber Pharma ist keine Industrie wie die anderen – sagt zumindest die Branche selbst. Klar, nach den Margen schaut man auch hier, zusätzlich aber gibt es Themen wie Patientensicherheit, Validierung und Qualifizierung, die allmächtige FDA, die weniger mächtige, aber trotzdem einflussreiche EMA und es gibt Denkschulen, die sich über Jahre manifestiert haben und nur schwer aufzubrechen sind.

An der Kontiproduktion lässt sich das sehr gut beobachten. Die Technologie hat viele Vorteile, die von der Handvoll Unternehmen präsentiert werden, die Konti einsetzen sowie von den Zulieferunternehmen als Argumentationshilfe für den Verkauf entsprechender Anlagen genutzt werden.

Vorteil: wenig Substanzverbrauch

Der momentan wichtigste Pluspunkt pro Konti, ist die Tatsache, dass der Substanzverbrauch sinkt, weil zur Klinikmusterentwicklung und zur Produktion die gleiche Anlage genutzt werden kann und das Scale-up wegfällt. Unternehmen sind dadurch insgesamt um einige Monate schneller am Markt, was bei Neueinführungen leicht eine zweistellige Millionensumme zwischen haben oder nicht haben ausmachen kann.

Dr. Marten Klukkert, Manager Technology Center bei Fette Compacting, Schwarzenbek
Dr. Marten Klukkert, Manager Technology Center bei Fette Compacting, Schwarzenbek
(Bild: Fette Compacting)

Momentan werden vor allem sehr hochpreisige Produkte auf Kontilinien hergestellt. Für die zahle sich der, im Vergleich zur Batchentwicklung, deutlich geringere Materialverbrauch schon während der Entwicklungsphase aus, erklärt Dr. Marten Klukkert, Manager des Technology Centers bei Fette Compacting in Schwarzenbek.

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Vorteil Direktkompression

Herr Klukkert, es ist einleuchtend, dass Fette Compacting als Tablettenpressenhersteller beim Thema Kontisystem auf Direkttablettierung setzt. Sind Sie sich da mit ihren Kunden einig?

Klukkert: Wir sehen momentan beides. Kunden die Nassgranulation und Direktkompression einsetzen. Doch die Erkenntnis, welche Vorteile Direkttablettierung bietet, setzt sich mittlerweile durch. Immer mehr Unternehmen betrachten schon bei der Formulierung die spätere Marktversorgung mit und entscheiden sich für die apparativ weniger aufwändige Direkttablettierung, die klare Kostenvorteile bietet. Zum Teil gibt es auch Managemententscheidungen, die einen Umstieg von der Nassgranulation auf die Direktkompression vorsehen. Geht es speziell um das Thema Konti, hören wir von Kunden, die in diesem Fall der Direktkompression den Vorzug geben.

Warum braucht die Branche ihr neues Kontisystem?

Klukkert: Die technische Entwicklung von Kontilinien ist immer noch in einem frühen Reifestadium. Wenn man fünf Pharmaunternehmen bitten würde, „User Requirements“ für eine kontinuierliche Produktionslinie zu schreiben, dann würde man fünf komplett unterschiedliche Anforderungskataloge erhalten. Tun Sie das gleiche bei einer Tablettenpresse, erhalten Sie fünf sehr ähnliche Dokumente. Hier gibt es gleiches Grundverständnis der Technologie und eine Standardisierung – beides gibt es bei Kontilinien so noch nicht. Und genau das ist es, was wir mit unserer neuen Linie ändern wollen. Wir entwickeln ein kompaktes, standardisiertes, generisches Maschinen-Design mit einer vordefinierten Zahl an Anpassungsmöglichkeiten für den Fall, dass Kunden unterschiedliche Produkte oder verschiedene Mengen herstellen wollen. Das ermöglicht wettbewerbsfähige Investitionskosten, einfache Installation und Inbetriebnahme, kürzere Engineeering- und Lieferzeiten und später schnellere Umrüstung sowie einfachere Instandhaltung.

Nachteil: hohe Individualisierung

Es gibt aber auch Nachteile und die werden oft weniger klar benannt – sind aber nach Meinung vieler Pharmaexperten dafür verantwortlich, dass die Zahl der zugelassenen Arzneimittel, die mit kontinuierlicher Produktion hergestellt werden, momentan bei zehn stagniert. Die bisher installierten Kontianlagen sind auf Bestellung gefertigt, in allen Fällen an die Wünsche des jeweiligen Kunden angepasst und zum Teil auch nur für ein oder zwei Produkte entwickelt.

Jan Vogeleer, Managing Director Fette Belgien
Jan Vogeleer, Managing Director Fette Belgien
(Bild: Fette Compacting)

Das sind jedenfalls die Erfahrungen, die Jan Vogeleer, Managing Director bei Fette Compacting Belgien, in den letzten Jahren gemacht hat. Der gebürtige Belgier beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit der Pharmaindustrie und leitet die in Mechelen ansässige Tochtergesellschaft.

Das hohe Maß an Individualisierung führe zu hohen Preisen und langen Lieferzeiten, sagt der Pharmaexperte. Dazu muss man noch die Zeiten für Validierung, Qualifizierung addieren, ganz zu schweigen von der Zeit, die es braucht, bis die Linie synchonisiert ist und stabil läuft. Und die Installationen brauchen Platz: Was momentan bei den Großen dieser Welt steht, sind ausgewachsene Linien, die fast alle Teil von Neubauten oder groß angelegten Erweiterungen sind.

Warum der Mittelstand zögert

All das hat zur Folge, dass Konti zurzeit im Wesentlichen eine Domäne von Big Pharma ist, die zwar über viel Geld verfügt, aber eben nicht die Breite des Pharmamittelstandes abbildet. Generikahersteller z. B., für die Kontiproduktion Klukkerts Auffassung nach besonders viele Vorteile hätte, nutzen die Technologie momentan nur sehr eingeschränkt. Trotzdem betont Klukkert den Konsens in der Branche, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis die Technologie in der Breite ankomme.

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Wir von Fette Compacting glauben, dass es intelligente technische Lösungen braucht, damit die kontinuierliche Produktion den entscheidenden Durchbruch in die Breite machen kann.

Jan Vogeleer)

„Wir beobachten, dass die Mehrheit der Unternehmen zögert, sich mit der Kontiproduktion zu beschäftigen. Das gilt vor allem für die Firmen, die weder große Entwicklungs- und Engineeringabteilungen haben noch über großen finanziellen Spielraum verfügen,“ erklärt Klukkert. Das betrifft oft den genannten Pharmamittelstand aus denen sich die Generika- und Lohnhersteller rekrutieren.

Diesen fehle ein kompaktes, modulares, standardisiertes System, das schnelles Umrüsten erlaube, über inhärente Sicherheit und ein integriertes PAT verfüge – und so mit einem Schlag alle Hürden beseitigt, die sich vor Unternehmen aufrichten, die in Konti investieren wollen. „Wir von Fette Compacting glauben, dass es intelligente technische Lösungen braucht, damit die kontinuierliche Produktion den entscheidenden Durchbruch in die Breite machen kann,“ sagt Vogeleer.

Das Spiel verändern

Seit fünf Jahren beschäftigen sich die Experten aus Schwarzenbek und Mechelen mit der Entwicklung eines kontinuierlichen Systems, das alle bekannten Hindernisse beseitigen und den Hürdenlauf zur schlanken Produktion beenden soll. 2017 wurde Fette Compacting Belgien gegründet und ist seitdem neben Schwarzenbek zum Entwicklungszentrum für neue Technologien geworden.

Das 25-köpfige Team hat, mit dem Ziel eine Inhouse-Entwicklung zu starten, gründlich den Markt und die bestehenden Systeme analysiert, mit Schlüsselkunden gesprochen und jede Menge Know-how in der kontinuierlichen Produktion gesammelt. „Man kann Equipment nicht entwickeln und den Kunden abholen, ohne eigenes Prozessverständnis zu entwickeln,“ betont Vogeleer.

Deshalb habe Fette in den vergangenen Jahren zahlreiche Projekte durchgeführt und dabei viel über die Unzulänglichkeiten bestehender Lösungen gelernt, die verhindern, dass Unternehmen die Kontiproduktion in großem Maßstab einsetzen. „Das hat uns in die Lage versetzt, in den letzten fünf Jahren eine komplett neue Maschine für die kontinuierliche Direktkompression von Tabletten zu entwickeln,“ sagt Vogeleer.

Wir sehen großes Interesse an der Direktkompression und glauben, dass der Anteil in der OSD-Produktion zunehmen wird.

Dr. Marten Klukkert)

Offizieller Launchtermin ist im Rahmen eines Events im Juni und bis dahin sind die Details des neuen Kontisystems geheim. Doch die Neuentwicklung werde ein echter Gamechanger sein, der mit einem komplett neuen Set-up aufwarte und alle Bedürfnisse der Pharmakunden adressiert, verkünden Klukkert und Vogeleer.

Gehört der Direktkompression die Zukunft?

Ganz neu ist das Thema Direktkompression für Fette Compacting nicht. Bereits 2015 hat der Maschinenbauer auf Basis der FE55-Presse eine kontinuierliche Direktverpressung auf den Markt gebracht, bestehend aus einem Mischsystem, einem Dosiermodul, diversen PAT-Komponenten und einem Kontrollzentrum: eine integrierte Line, die den direkten Wirkstoff-Fluss von der Dosierung bis zur fertigen Tablette ermöglicht.

Immer noch „denken“ viele Pharmaproduzenten in Feuchtgranulierung. Aber die Debatte über Direktkompression versus Feuchtgranulation ist in vollem Gang, beflügelt von den Fortschritten im Partikelengineering – also den Methoden, Partikelgrößen in engeren Ranges herzustellen – und der steigenden Zahl der Hilfsstoffe, die für die Direkttablettierung geeignet sind. „Wir sehen großes Interesse an der Direktkompression und sind der festen Überzeugung, dass der Anteil in der OSD-Produktion zunehmen wird,“ betont Klukkert.

Das zeige vor allem auch das Interesse an dem neuen Prototyp zur kontinuierlichen Direktverpressung, der zurzeit bei ausgewählten Kunden unter strengen Geheimhaltungsvereinbarungen seine Probeläufe absolviert. n

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