Digitalisierung von Brauereien Wann kommt der Autopilot für die Brauerei?

Redakteur: Anke Geipel-Kern

Echtzeit-Informationen aus dem Brauprozess steigern Anlagenverfügbarkeit, Ausbeute sowie Ressourceneffizienz und harmonisieren die Produktqualität – wie das gehen kann, zeigt nun ein Pilotprojekt von Gea mit der Störtebeker Braumanufaktur. Der Produktivitätsgewinn: durchschnittlich zwei zusätzlichen Suden pro Woche

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Pilotkunde Störtebeker Braumanufaktur analysiert mithilfe von Gea Insight Partner Brewery Prozessdaten über Marken und Chargen hinweg.
Pilotkunde Störtebeker Braumanufaktur analysiert mithilfe von Gea Insight Partner Brewery Prozessdaten über Marken und Chargen hinweg.
(Bild: Störtebeker Braumanufaktur)

Mit der Software Gea Insight Partner Brewery hat das Unternehmen ein Werkzeug entwickelt, das in Echtzeit Informationen auf Prozessleitebene zusammenstellt, die Produktionsleistung überwacht und auf Abweichungen hinweist. Im Bedarfsfall können Brauer rasch gegensteuern und die Effizienz ihres Sudhauses – in Zukunft auch weiterer Prozessschritte im Kaltbereich langfristig optimieren.

Das Wie und Warum von Prozessen verstehen

„Durch die Digitalisierung stehen Brauern immer größere Datenmengen zur Verfügung. Diese müssen wir sinnvoll verdichten und anschaulich machen, denn nur so erhalten unsere Kunden in ihrem Arbeitsalltag eine gute Hilfe“, erklärt Karlheinz Höhn, der das Servicegeschäft für Getränkehersteller und Abfüller bei Gea leitet. Brauerei- und Serviceexperten des Unternehmes definierten daraufhin mehr als 120 Parameter, aus denen sich die Kern-Indikatoren (KPI) kalkulieren lassen. Ziel sei es, Brauereien einen Grad an Prozesskontrolle zu ermöglichen, der bisher kaum gegeben war.

Prozessdaten im Soll-Ist-Vergleich

In den Entwicklungsprozess des Tools flossen nicht nur Geas Prozesswissen aus Brauereiprojekten rund um den Globus ein. Auch die Bedarfe und Rückmeldungen von der Störtebeker Braumanufaktur aus Stralsund und weiterer großer Brauereien halfen, die Software weiter zu qualifizieren. Im Ergebnis analysiert die Software Prozessdaten, etwa zur Würzefiltration, Trübung, Filtrationszeit oder Effizienz, als Einzelwert und über die Zeit, über Marken und Chargen hinweg und vergleicht Ist-Werte mit dem Soll. Weichen die Werte zwischen Planung und tatsächlicher Produktion signifikant ab, werden Anlagenbediener optisch auf das Problem aufmerksam gemacht.

Das Sudjournal vergleicht automatisch ausgewählte Sude auf einen Blick, statt mühevoll Notizbücher mit KPI zu verfolgen. Gea Insight Partner Brewery erlaubt es, tief in die Sudhistorie einzusteigen.
Das Sudjournal vergleicht automatisch ausgewählte Sude auf einen Blick, statt mühevoll Notizbücher mit KPI zu verfolgen. Gea Insight Partner Brewery erlaubt es, tief in die Sudhistorie einzusteigen.
(Bild: Gea)

Anpassungen und Änderungen im Prozess können direkt verglichen werden und helfen bei der Fehlersuche. Dafür bietet die Softwarelösung eine intuitive Benutzeroberfläche. Sie hilft sowohl vor- als auch nachgelagerten Abteilungen, mögliche Engpässe in ihren eigenen Prozessen vorherzusagen, von der Rohstoffverfügbarkeit bis zur Kapazität des Gärkellers.

Echtzeitinformationen erhöhen Anlagenverfügbarkeit

„Außergewöhnlich ist, dass wir Auswertungen in Echtzeit liefern“, erklärt Produktmanager Moritz Braun von Gea. „So können Produktionsmitarbeiter oder die Qualitätskontrolle frühzeitig eingreifen und wertvolle Zeit bei der Fehlerbehebung sparen. Statt auf Analysen nach einem Sud zu warten, können sie im laufenden Prozess reagieren und zum Beispiel die Kochzeit in der Würzepfanne verlängern.“ Als unabhängiges Add-on setzt Gea Insight Partner auf die herrschenden Prozessleitsysteme und Manufacturing-Execution-Systeme (MES) auf, die zwar Daten im Nachgang erfassen, sie aber nur eingeschränkt visualisieren.

Gea Insight Partner Brewery wurde von Serviceexperten in Kooperation mit den Braumeistern bei Gea entwickelt.
Gea Insight Partner Brewery wurde von Serviceexperten in Kooperation mit den Braumeistern bei Gea entwickelt.
(Bild: Gea)

Die Gea-Lösung schlägt die Brücke zum KPI-basierten Berichtswesen, auf das auch die Managementebene in Brauereien Wert legt. Schnelligkeit und präzise, verständliche Echtzeitanalysen zahlen auf das Ziel einer bestmöglichen Anlagenverfügbarkeit ein. Diese sei gerade jetzt, wo durch die Covid-19-Einschränkungen die gesamte Getränkeindustrie wirtschaftlich unter Druck stünden, ein größeres Thema als je zuvor, ergänzt Braun.

Höhere Produktivität durch schnellere Problembehebung

Anhand eines Wochenplans wird der Produktionsfortschritt kontrolliert. Das System registriert die Dauer jedes einzelnen Prozessschrittes und überwacht so die Einhaltung der zeitlichen Vorgaben, um daraus eine Echtzeitprognose über die Planerfüllung zu erstellen. Auf Basis dieser Erkenntnisse können Produktionsleiter den Wochenplan anpassen und die bestmögliche Anlagenproduktivität erzielen. Dies bestätigt auch die Störtebeker Braumanufaktur nach der Pilotphase in ihrer Brauerei. Den Stralsunder Braumeistern zufolge hätten sie bereits in der ersten Phase fünf bis acht Prozent mehr Produktivität erzielt. „Wir haben bei einer Maischpfanne schlechtere Aufheizraten als bei der anderen entdeckt und unsere Techniker haben das Dampfregelventil tauschen können, sodass wir in der Folgewoche wieder mit gleichbleibender Qualität bei geringerem Energieverbrauch weiter produzieren konnten“, sagt Holger Tangermann, verantwortlich für den Braubetrieb bei der Störtebeker Braumanufaktur. „Gea Insight Partner hat uns schneller auf mögliche Probleme aufmerksam gemacht, wo wir sonst erst nachträglich und extrem zeitaufwendig Analysen aus dem Scada-System gefahren hätten. Im Schnitt konnten wir unsere Produktivität um zwei Sude pro Woche steigern.“

Schwankungen der Rohstoffqualität berücksichtigen

Ein wichtiges Argument für die Störtebeker Braumanufaktur, sich als Pilotkunde zur Verfügung zu stellen, war es, die Produktqualität zu harmonisieren. „Qualität – und zwar immer wieder abrufbare Qualität – ist uns immens wichtig. Darauf verlassen sich unsere Kunden und deshalb sind wir auch im Premiumsegment unterwegs. Es ist deshalb sehr hilfreich, dass das System auch Rückschlüsse auf Rohstoffschwankungen zulässt“, sagt Tangermann. Die Lösung ermöglicht es, den aktuellen Anlagenbetrieb mit den Daten aus früheren Suden zu vergleichen, sofort auf Abweichungen hinzuweisen und tief in die jeweilige Sudhistorie einzutauchen, um so noch während des Brauvorgangs Abhilfe schaffen zu können. Auf diese Weise können Brauereien die einzigartige Charakteristik und Qualität ihrer Bierspezialitäten auf Dauer sichern.

Phase 2 birgt Potenzial für niedrigeren Wasser- und Energieverbrauch

Beide Unternehmen steigen nach der Phase 1 mit den Arbeitsschritten Schroten, Maischen und Läutern nun in Phase 2 ein, die das gesamte Sudhaus inklusive der Mediennutzung umfasst. „Wir integrieren jetzt auch die Energieströme zum Aufheizen, Kühlen etc. in unsere Analysen. Dort erwarten wir für unsere Kunden noch weit höhere Effizienzgewinne“, so Braun.

Langfristig arbeitet Gea auf einen Autopiloten für Brauereien hin, das bedeutet, dass sich Brauereien auf Knopfdruck selbst optimieren können. | Gea

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