Bilanz bei Endress + Hauser Volatiles Umfeld sorgt für Licht und Schatten bei Endress+Hauser
Endress+Hauser will zukünftig Erfolg nicht nur an wirtschaftlichen Kennzahlen messen, sondern auch an den zusätzlichen Zielgrößen Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit sowie das Ergebnis des Eco Vadis Audits, um die Nachhaltigkeit des Unternehmens abzubilden. 2015 gab es Licht und Schatten. Das wird wohl auch 2016 so bleiben.
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Licht und Schatten bei den People for Process Automation. Mit dieser Kernaussage startete E+H CEO Matthias Altendorf in die diesjährige Bilanzpressekonferenz des Unternehmens. Das Umsatzwachstum von 6,5 % auf über 2,1 Milliarden Euro verdankt man ganz wesentlich den Währungseinflüssen. Damit hat sich E+H nicht besser entwickelt als der Markt insgesamt, der nach Berechnungen des ZVEI in lokalen Währungen um 2 bis 3 Prozent gewachsen sein dürfte, wie es Michael Ziesemer, COO von E+H, formuliert. Generell falle auf, dass nachdem die Prozessautomatisierung über viele Jahre stets mit einer größeren Rate gewachsen sei als die Fabrikautomatisierung, sich dieses Verhältnis nun umkehre.
Wie alle Ausrüster der Prozessindustrien leidet auch E+H unter den aktuellen Weltwirtschafts-ökonomischen Rahmenbedingungen mit Einbrüchen in der Öl/Gasindustrie. Nicht nur im Upstream-Bereich sind die Investitionen fast völlig zum Erliegen gekommen. Auch Downstream wird gespart.
Aber auch der Umbau der chinesischen Wirtschaft hin zu einer Dienstleistungs- und wissensbasierten Ökonomie sowie die politischen und militärischen Konflikte in aller Welt und die EU-Krise hinterlassen aktuelle Bremsspuren in der Entwicklung. Auch wenn in der chinesischen Umgestaltung der Wirtschaft große Chancen liegen, so sind doch Großinvestitionen weitgehend zum Erliegen gekommen. Und das wird nach Einschätzung von Ziesemer auf absehbare Zeit in China so bleiben.
Der Wegfall der großen Kundenprojekte in der produzierenden Industrie spiegelt sich in rückläufigen Umsatzzahlen bei E+H wider. Aber CEO Altendorf sieht nicht nur schatten, sondern auch Licht: "Wir sind 2015 in allen Bereichen, die nahe am Konsum und an den Menschen sind, gewachsen. Wir waren da erfolgreich, wo es um Qualität und Effizienz geht." Diese Entwicklung bestätige die eingeschlagene Strategie, die Prozessanalyse zu stärken und die Laboranalyse als Markt zu erschließen, erklärt Firmenlenker Altendorf. Inzwischen hat sich E+H 100 Prozent der Unternehmensanteile von Laborausrüster Analytik Jena gesichert. In den kommenden Jahren wird es aufgrund der unterschiedlichen Zielgruppen wohl bei der bisherigen Zwei-Markenstrategie bleiben. Eine Verschmelzung unter dem Dach der Endress+Hauser-Gruppe sei derzeit nicht angedacht.
Dennoch war es an der Zeit die eigene Strategie zu überprüfen und an die Rahmenbedingungen anzupassen. Mit einer neuen Strategie 2020+, die im Grunde eine Fortschreibung der bisherigen Erfolgsfaktoren darstellt, will man sich auch für die Zukunft rüsten.
Diese sieben strategischen Schwerpunkte sollen hierfür forciert werden:
- 1. Weiterentwicklung der Mitarbeiter
- 2. Internationales Netzwerk stärken
- 3. Fokus auf die bestehenden 7 Kernbranchen vertiefen
- 4. Portfolio noch besser ausrichten
- 5. Logistikkette kontinuierlich verbessern
- 6. Verantwortungsvoll mit Risiken umgehen.
- 7. Aufbau der digitalen Kompetenz beschleunigen
Innovationskraft stärken
Wichtiger Treiber des Unternehmens bleibt nach Ansicht von Altendorf die Innovationskraft. 270 Entwicklungen habe das Unternehmen 2015 zum Patent eingereicht, so der Unternehmenschef. Das Portfolio an "lebenden" Patenten und Patentanmeldungen sei damit auf 6.552 angestiegen.
51 Produkte hat E+H im vergangenen Jahr neu zu Markt und Kunden gebracht. Als Beispiel dafür nennt Altendorf den Optograf. "Mit diesem laserbasierten Gas-Analysator bringen wir die Raman-Spektroskopie auf einfache und nutzerfreundliche Art und Weise in die Verfahrenstechnik", freut sich der Unternehmenslenker. Das Gerät ist für die jeweilige Anwendung vorkonfiguriert und bestimmt die Zusammensetzung etwa von Synthesegas inline und in Echtzeit.
Auch beim Hype-Thema Digitalisierung sieht sich das Unternehmen laut COO Ziesemer gut aufgestellt. "Wir haben mehr als 28 Millionen Messgeräte im E+H-eigenen Common Equipment Record erfasst, eine Datenbank mit gerätespezifischen Informationen. Über das W@M-Portal für das anlagennahe Asset Management ist man in der Lage, den Kunden diese Informationen zur Verfügung zu stellen.Generell ist E+H 2015 mit Dienstleistungen und Automatisierungslösungen überdurchschnittlich gewachsen. Ein Geschäftsfeld, dass die Kundenbindung enorm stärkt, wie Ziesemer erklärt. Man fülle damit Lücken bei Kunden, die verfahrenstechnisches Know-how verloren hätten. Das Vermitteln von Wissen spielt dabei eine immer wichtigere Rolle. Weltweit richtet E+ H daher immer mehr verfahrenstechnische Trainingsanlagen ein, um Kunden praxisnah zu schulen.
Spektroskopische Verfahren setzen sich durch
Spektroskopische Verfahren setzen sich mehr und mehr durch, denn Produzenten wollen immer häufiger die Qualität im Prozess messen. Als Beispiel hebt Ziesemer die Arbeit von Jobst Technologies hervor. Das kleine Unternehmen, dass vor Jahren von Forschern der Universität Freiburg gegründet worden ist, gehört seit 2015 zur E+H-Gruppe und entwickelt winzige Biosensoren, die Stoffwechselprodukte wie Glucose, Laktat oder Glutamin gleichzeitig analysieren können. Erste Produkte überwachen beispielsweise in der Intensivmedizin den Blutzuckergehalt im menschlichen Körper online und in Echtzeit. Das eröffne ganz neue Möglichkeiten, auch über Medizin und Life Sciences hinaus, ist zu erfahren.
Ausblick: 2016 wie 2015
Für das laufende Jahr hat sich E+H aufgrund der unveränderten Volatilität der Märkte ein einstelliges Wachstum vorgenommen. Die Profitabilität soll auf dem gleichen Niveau wie 2015 liegen. Die Eigenkapitalquote soll gesteigert und weltweit 350 Mitarbeiter aufgebaut werden. "Wir werden die Entwicklung der Kosten scharf im Auge behalten müssen", sagt CEO Altendorf. Aber bei den Investitionen wolle man keine Abstriche machen und das weltweite Netzwerk weiter stärken, um so in die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens einzahlen.
Generationswechsel im Executive Board
Veränderungen stehen 2016 aber auch im Management bevor. Zur Jahresmitte wird der Generationswechsel im Executive Board abgeschlossen, wie Verwaltungsratspräsident Klaus Endres hervorhebt. Dann wird COO Michael Ziesemer, der gleichzeitig auch Stellvertreter des CEO ist, nach mehr als 35 Jahren in den Ruhestand treten. In diesem Zusammenhang werden die Verantwortlichkeiten im Board neu geordnet. Anfang des Jahres ist bereits Dr. Manfred Jagiella, Geschäftsführer des Produktionszentrums für Flüssigkeitsanalyse in Gerlingen, ins Executive Board eingezogen. Zum 1. Juni wird das Gremium zudem durch Dr. Andreas Mayr vervollständigt. Er ist Geschäftsführer des Kompetenzzentrums für Füllstand- und Druckmesstechnik in Maulburg und wird zukünftig die Bereiche Marketing, Kommunikation und Innovation verantworten. Nikolaus Krüger, seit 2008 im Board, wird sich ganz auf den Vertrieb konzentrieren.
Mit Blick auf das laufende Jahr gibt Firmenchef Altendorff die Losung aus: "Wir werden weiter mit der Unsicherheit um uns herum leben müssen." Auch eine gute Strategie könne diese Unsicherheiten nicht beseitigen. Aber sie helfe, die Aufmerksamkeit zu fokussieren und Kräfte zu konzentrieren.
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