Energieeffizienz Standortübergreifendes Team spürt Energieeffizienz-Potenziale auf
Beim Energiesparen hapert es in der Praxis häufig an der Umsetzung. Viele Ideen, insbesondere wenn sie größere Umbaumaßnahmen nach sich ziehen, werden nicht weiter verfolgt. Bei Evonik ist das anders. Mithilfe eines Energieeffizienz-Teams setzt man alles daran, Energie besser zu nutzen und die Energiekosten zu senken. Begleitet Sie die Energiepolizei auf Streife.
Anbieter zum Thema

Manchmal genügt Dr. Ralf Janowsky ein einziger Blick, um Bescheid zu wissen. Ein zischender Schlauch oder kleine Dampfwölkchen im Winter liefern deutliche Hinweise, dass es in dieser Anlage etwas zu verbessern gibt. Sein EEM (Effizientes Energie Management)-Team hat eine klare Mission – die Energiekosten der Chemieaktivitäten bei Evonik zu senken. Das Team, viele daraus haben mehr als 20 Jahre Erfahrung mit Chemieanlagen, ist Teil des standortübergreifenden Bereiches Opex (Operational Excellence). Dessen Aufgabe ist es, variable und fixe Kosten so gering wie möglich zu halten. Unterstützt von internen Fachleuten zeigt das EEM-Team in kürzester Zeit das Potenzial für Energieeinsparungen auf und nennt die wichtigsten Hebel.
Selten sind die Potenziale so eindeutig wie bei einem Loch im Druckluftschlauch. Vielmehr vergleicht das Team spezifische und absolute Energieverbräuche, analysiert Stickstoffmengen und misst Sauerstoffkonzentrationen in der Abluft. Hilfreich, das hat Janowsky festgestellt, sei der Eindruck durch die betriebsfremden Experten aber immer. Was sie nicht davon abhält, zuweilen auch unangenehme Fragen zu stellen – und diese am liebsten direkt am Ort des Geschehens. Wenn auf die Frage, warum ein Prozess auf eine bestimmte Weise geführt wird, eine zögerliche Antwort kommt, weiß Janowsky, „dass es hier etwas zu holen gibt.“ Trotz dieser Erfahrung des Experten, kennt das Energieteam keine Akzeptanzprobleme – im Gegenteil.
Pragmatischer Ansatz führt zu Akzeptanz
Bei der Diagnose geht es allein darum, die variablen Kosten zu senken. Janowsky hebt vor allem das hohe technische Niveau der Diskussionen hervor, die oft gemeinsam mit Mitarbeitern anderer Standorte geführt werden, die sich dann gegenseitig befruchten. In der Regel zeige sich dabei, dass die Betriebsmannschaft genügend Ideen zum Thema Energieeffizienz habe. Diese gelte es nur noch zu bewerten und umzusetzen.
Für die Umsetzung dieser Ideen gibt es keine detaillierte Produktausarbeitung, auch ein klassisches Benchmarking fehlt. Letztendlich verbleibt die Entscheidung, welche Potenziale realisiert werden, bei den Betriebsverantwortlichen – ein pragmatischer Ansatz, der zu einer hohen Akzeptanz bei allen Beteiligten führt. Doch diesen Weg will der Experte nicht als Freibrief verstanden wissen: „Auf Grundlage unseres Standortberichtes überlegt sich das Management, welche Maßnahmen es umsetzen will. Diese Projekte werden festgehalten und müssen auch realisiert werden.“
Gründliche Analyse
Die Dimension für Energieeffizienz ist riesig. Obwohl 2007 ein Boomjahr der chemischen Industrie war, verbrauchte Evonik für den Betrieb seiner Chemiestandorte mit 57010 Terajoule bereits ein Prozent weniger Energie als im Vorjahr. Der damit verbundene energiebedingte Kohlendioxid-Ausstoß verringerte sich um zwei Prozent auf 4,74 Millionen Tonnen.
Bezogen auf die um fünf Prozent gestiegenen Produktionsmengen des Geschäftsfelds Chemie reduzierte sich die eingesetzte Energie gegenüber dem Vorjahr um fünf Prozent und die energiebedingten Kohlendioxid-Emissionen verringerten sich um sechs Prozent. Dies ist unter anderem das Ergebnis weiterer Effizienzverbesserungen in der Energieerzeugung beziehungsweise deren Bereitstellung.
Einen Beitrag dazu leistete das Energieeffizienz-Team. Erklärtes Ziel war es, bis Ende 2009 etwa 75 Prozent des Primärenergieverbrauchs an den Evonikstandorten zu analysieren. „Das haben wir erreicht“, betont Janowsky. 46 EEM-Untersuchungen mit rund 76 Potenzialanalysen waren dafür nötig, wobei zwischen 7 und 20 Prozent Einsparungen (im Schnitt 12 Prozent) aufgedeckt wurden. Das Potenzial für die Energieeinsparungen summiert sich auf einen mittleren zweistelligen Millionen Euro Betrag.
Hinter diesen Zahlen steckt eine Menge Detailarbeit – rund 500 Einzelmaßnahmen wurden inzwischen dokumentiert. Der Löwenanteil (mit 56 Prozent) entfällt auf neue Konzepte für die Wärmeführung, also den Einbau von Wärmetauschern und Energierückführungssystemen. 26 Prozent der Projekte betreffen Reduzierung beim Stromverbrauch. Die übrigen Sparmaßnahmen liegen bei Hilfsmedien, Kälte und Druckgas.
Kleine Maßnahme, große Wirkung
Nicht immer sind aufwändige Umbauarbeiten nötig. So war der Stickstoff-Verbrauch in einem Werk in der produktionsfreien Zeit unverhältnismäßig hoch. Hier wurde eine entsprechende Abschaltung vorgeschlagen. In einem anderen Fall wurde eine aufwändige Dampfreduzierung von 20 bar auf zehn bar abgeschaltet, in dem man nun die bereits im Prozess erzeugten zehn bar Dampf nutzte. Viele Prozesse werden aus einem guten Grund in einer bestimmten Weise gefahren. In diesem Fall gab es früher Regelungsprobleme, sodass man auf den höheren Druck zurück greifen musste. „Verändern sich jedoch die Rahmenbedingungen, muss man den Prozess neu überprüfen“, erklärt Janowsky. Allein in diesem Fall lag das Einsparpotenzial bei mehr als 100000 Euro pro Jahr – ohne größere Maßnahmen.
Nicht immer liegen alle Entscheidungen klar auf der Hand, häufig muss abgewogen werden. Bestes Beispiel ist der Einsatz von Frequenzumrichtern, mit deren Hilfe der Stromverbrauch wirkungsvoll reduziert werden kann. In neuen Anlagen wird deren Einsatz auch nicht in Frage gestellt. In bestehenden Anlagen kann dies jedoch anders aussehen, da Frequenzumrichter meist in das Regelungskonzept eingreifen und das hängt unmittelbar am Sicherheitskonzept.
Eine Änderung würde also großen Aufwand nach sich ziehen. Dennoch hält der Experte die MSR-Technik für ein ganz entscheidendes Hilfsmittel auf dem Weg zur Energieeffizienz, die vom Engineering zuweilen unterschätzt würde. Messgeräte werden nicht nur für die Regelung eines Prozesses benötigt, sondern auch für die Ermittlung von Verbrauchsdaten – die Basis für jede Optimierung.
Einzelne Maßnahmen bringen Einsparungen im sechsstelligen Bereich
Ein theoretisches, aber praxisnahes Beispiel für die werksspezifischen Optimierungsprogramme aus dem EEM-Bereich: Große Dampf- und damit Energieverbraucher in einer Chemieanlage sind die Destillationskolonnen zur Produktaufarbeitung und Nebenproduktabtrennung. Oft wird die Rücklaufmenge eingestellt bzw. geregelt und nicht das Rücklaufverhältnis, welches bereits Schwankungen des Zulaufes berücksichtigt. Insbesondere in Zeiten geringerer Auslastung gilt es, einen für die Trennaufgabe ausreichenden, aber insgesamt minimalen Rücklaufstrom einzustellen, um den Energieverbrauch zu minimieren. Dies gehört zu den Standard-Energiesparthemen einer EEM-Diagnose. So wurden in einer solchen Diskussion zwei Kolonnen betrachtet, die in einer typischen Destillationssequenz hintereinandergeschaltet waren. Beide hatten eigene Reboiler und Kondensatoren mit den dazugehörigen Pumpen und Pumpenvorlagen. Unter den hier vorliegenden Randbedingungen konnten die Kolonnen jedoch so miteinander verschaltet werden, dass einige Pumpen und Wärmetauscher nicht mehr benötigt wurden. Alleine das Energieeinsparpotenzial durch den Wegfall des zweiten Reboilers lag hierbei in einem sechsstelligen Euro-Bereich.
Neben den technischen Aspekten gilt es auch die entsprechende Management-Infrastruktur zu schaffen, etwa Energie-KPIs (Key Performance Indicator) zu definieren und zu verfolgen sowie klare Ziele in Bezug auf den Energieverbrauch zu setzen. Das gilt auch für das Thema Einstellung und Verhalten: „Ähnlich wie wir vor Jahren ein tiefes Sicherheitsbewusstsein in unserem Unternehmen entwickelt haben, müssen wir ein Bewusstsein für Energieeffizienz schaffen“, betont Janowsky. Die Energiebilanz, beziehungsweise die jeweiligen Kennzahlen müssten jedoch anschaulich dargestellt werden. Je deutlicher die Bedeutung einer Kennzahl sei, umso einfacher sei es, sie zu verstehen. „Wenn ich sage, dass 15 Tonnen Dampf pro Stunde verbraucht wurden, erzeugt das häufig nur ein Achselzucken. Mache ich den Leuten bewusst, dass dies pro Tag dem Wert eines Kleinwagens entspricht, schärft dies das Bewusstsein.“
Ausblick: Obwohl die größten Energieverbraucher analysiert wurden, hält Janowsky weitere Prozessverbesserungen für möglich. Zurzeit beschränkt sich das Team auf die Optimierung vorhandener Anlagen und der Infrastruktur.
In Zukunft aber, glaubt der Experte, werde man auch darüber nachdenken müssen, ob ein Produkt auf einem ganz anderen Weg oder auf Basis anderer Rohstoffe hergestellt werden kann oder ob man energieerzeugende und energieverbrauchende Anlagen in einem Verbund koppelt.
* Die Autorin ist freie Mitarbeiterin bei PROCESS.
(ID:19907790)