Rührwerke für Hochviskose Medien Rührwerke für Hochviskose Medien: Jetzt wird es zäh...

Von Jörg-Peter Lindner*

Es ist (nicht) nur eine Phase – Wenn hochzähe Medien oder viskose Phasen auftreten, kommen Rührer an ihre Grenzen. Doch was bedeutet viskos in diesem Zusammenhang eigentlich? Sind die Grenzen zwischen mehr oder weniger zäh fließenden Medien klar zu ziehen? Und wie können Rührwerke bestmöglich für veränderliche Viskositäten designt werden und dabei zuverlässig und wirtschaftlich bleiben?

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Mischzeitcharakteristik von Rührsystemen
Mischzeitcharakteristik von Rührsystemen
(Bild: SPX)

In der Rührtechnik ist die Viskosität des Rührmediums mit ausschlaggebend für die richtige Wahl eines geeigneten Rührsystems. Aber ob ein Medium als nieder-, mittel-, oder hochviskos bezeichnet wird, ist schon fast eine philosophische Frage. Für einen Biotechnologen sind 100 mPas bereits hochviskos, da der Stoffübergangskoeffizient respektive der Sauerstoffübergangsrate im Vergleich zu wasserähnlichen Medien erheblich abfällt. In der chemischen Industrie wird meist von hochviskos gesprochen im Bereich von Viskositäten größer 5.000 bis 500.000 mPas. Dabei liegen rührbare Medien bei maximal drei Millionen mPas. Darüber hinaus geht der Maschinentyp in Richtung Mischer und Kneter.

Doch wie muss das optimale Design von Rührwerken aussehen, wenn hochviskose Phasen im Prozess auftauchen? Die Auswahl des Rührwerks hängt stark von der Prozesskenntnis ab, also welche Informationen über den Rührprozess vorliegen. Angaben wie „Viskosität ähnlich Honig“ reichen leider nicht aus, immerhin gibt es auch festen Honig.

Zunächst ist festzustellen, ob das Produkt über den ganzen Prozess durchgehend hohe Viskositäten oder kurzzeitige Peaks aufweist (etwa basierend auf chemischen Reaktionen). Auch kann das Produkt erst am Ende eines Batchprozesses hohe Viskosität aufweisen, wenn keine Reaktion mehr stattfindet, und das Produkt nur noch in Bewegung gehalten werden muss. All das sollte zwischen Hersteller und Anwender geklärt werden, geht es doch um erhebliche Investitionskosten. Typische Prozessfahrweisen wären etwa:

  • Der Start mit niedrig- oder mittelviskosem Produkt, gefolgt von einer Reaktion mit hochviskosem Peak. Anschließend erfolgt die Verdünnung auf ein nieder- bis mittelviskoses Produkt.
  • Start mit einem niedrig- oder mittelviskosem Produkt, wobei nach einer Reaktion ein hochviskoses Endprodukt vorliegt.
  • Ein hochviskoses Produkt, in das Additive eingerührt werden, so dass sich eine hochviskose Phase ergibt. Auch das Endprodukt ist hochvikos.

Natürlich sind diverse Fahrweisen mit unterschiedlichen Viskositätsphasen möglich. Das Rührwerk hat während des Prozesses dabei meist kombinierte Aufgaben – doch nur ein Rührwerkstyp kann wirklich fast alles – dazu kommen wir aber noch später.

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Zu den wichtigsten Aufgaben gehört das Homogenisieren nieder-, mittel- und hochviskoser Produkte. In der hochviskosen Phase werden, da jegliche Turbulenz unterdrückt ist, immer wieder Schichten gegeneinander verschoben, bis nur noch eine ausreichend kleine Konzentrationsdifferenz vorhanden ist.

Einrühren und aufwirbeln

Dazu kommt das Suspendieren, wobei es sich meist um das Einziehen von Feststoffen (wie Katalysatoren, oberflächenaktiven Substanzen oder Füllstoffen) handelt. Diese sollten sich nicht auf der Oberfläche aufbauen, sondern in die Vorlage eingearbeitet werden. Das Aufwirbeln ist meist nicht notwendig, da die Sinkgeschwindigkeiten viskositätsbedingt sehr klein sind. Beim Wärmetausch ist ein großes Durchmesserverhältnis des Rührers zur Wand für die laminaren Grenzschichten entscheidend. Zusätzliche Abstreifer können den Wärmeübergangskoeffizienten im Bereich von Zehnerpotenzen steigern. Dazu kommen Sonderaufgaben, wie etwa:

  • Entmonomerisieren durch Einblasen von Dampf od. Stickstoff,
  • Kristallisation bis hin zu hochviskosen Slurries,
  • Reaktionsunterstützung durch Abbau von Konzentrationsgradienten,
  • Stoffübergang durch Lösen von Fluiden, Gasen oder Feststoffen oder Verhinderung von Nebenreaktionen durch schnelles Verteilen der Edukte,
  • Fermentation: Anfahren des Rührwerks in z. B. festem Joghurt nach Beendigung der Fermentation, wobei Viskositäten bis 50.000 mPas möglich sind,
  • Rühren von stark feststoffbeladenen Slurries und Pasten oder faserigem Material mit hohen Viskositäten bei nicht-newtonschem Fließverhalten.
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Auswahl von Rührsystemen

Da Rührwerke für hochviskose Medien bezüglich ihrer Investitionskosten in erster Linie durch das Drehmoment bestimmt werden, versucht ein Rührwerkshersteller ein System zu finden, das den kleinsten Wellendurchmesser erzeugt. Das hört sich einfach an, ist es aber nicht, denn wenn der Rührer einen kleinen Durchmesser hat und schnell dreht, ist zwar das Drehmoment klein, die Randbereiche im Behälter und Bereiche zwischen den einzelnen Stufen werden aber nur ungenügend gerührt.

Mischzeitcharakteristik von Rührsystemen
Mischzeitcharakteristik von Rührsystemen
(Bild: SPX)

Kommt dazu noch ein nicht-newtonsches Fließverhalten (die Viskosität ist eine repräsentative Viskosität und entweder zeit- oder schergeschwindigkeitsabhängig), kann es durch Schubspannungsgrenzen zu Kavernenbildung kommen: Der Rührer „rührt ein Loch in das Produkt“. Dann steigen Produktionszeiten, chemische Prozesse laufen ungenügend ab, die Qualität des Endproduktes leidet bis zur Unverkaufbarkeit.

Abb. 2: Rührer und Viskositätsbereiche
Abb. 2: Rührer und Viskositätsbereiche
(Bild: SPX)

Man unterscheidet zwischen Balkenrührer ähnlichen Systemen, Gegenstromrührern und sogenannten Zwangsförderern. Letztere zeichnen sich dadurch aus, dass das Produkt zwangsweise so gefördert wird, dass es nicht ausweichen kann, was eine schnelle Vermischung garantiert. Diese Systeme sind aber auch die teuersten am Markt, durch hohe Drehmomente und damit großen Getrieben, Wellendurchmessern, Gleit- ringdichtungen und Rührwerkslaternen. Den hohen Investitionskosten steht positiv eine kurze Batchzeit, schnelle Vermischung, hoher Wärmeübergang und hervorragende Produktqualität gegenüber. Führen wir zur besseren Übersicht eine Gliederung von Rührsystemen und deren Einsatz für Viskositätsbereiche durch (Abb. 2):

  • Balkenrührer: Förderrichtung nach unten. Durchmesserverhältnis dRührer/dWand > 0.5 bis 0,7. Viskosität bis ca. 50.000 mPas.
  • Gegenstrom-Systeme: Rührer, die zentral auf- oder abwärts fördern und im Außenbereich entgegengesetzt arbeiten. Durchmesserverhältnisse dRührer/dWand > 0.7 bis 0,9. Viskositäten: bis 150.000 mPas (Ausnahmen bis 250.000 mPas).
  • Zwangsfördersysteme: Wandnah arbeitende Rührer mit Durchmesserverhältnissen dRührer/dWand > 0.8 bis 0,98. Viskosität bis eine Million mPas (in Ausnahmen bis drei Millionen mPas).
  • Koaxialrührsysteme: Kombination von zwei Rührsystemen mit wandnahem Peripherrührer und ein- oder mehrstufigem, meist gegenläufigen Zentralsystem. Damit können mehrere Rühraufgaben in einem Behälter bei deutlich kürzeren Batchzeiten bewältigt werden.

Um verschiedene Systeme zu vergleichen, kann man die Mischzeitcharakteristiken betrachten: Balkenrührer oder Gegenstromsysteme weisen hohe Mischzeiten im laminaren Strömungsbereich auf. Dort findet man eine Schere zu teureren, aber effizienten Zwangsförderern mit konstanter dimensionsloser Mischzeit. Dabei wird deutlich, dass bei Reynoldszahlen <150 Alpha- oder Hivisc-Rührer einem Gegenstromrührer mit dRührer/dWand = 0.7 bis 0.9 überlegen sind, bei kleineren Balkenrührer ähnlichen Systemen wäre der Unterschied noch größer.

Die alleinige Betrachtung des Prozessergebnisses, in diesem Fall der Mischzeit, reicht natürlich nicht aus. Zusätzlich ist auch der notwendige Leistungsbedarf in Betracht zu ziehen (Abb. 4).

Abb. 4: Effizienzdiagramm Leistung/Mischzeit
Abb. 4: Effizienzdiagramm Leistung/Mischzeit
(Bild: SPX)

Gegenstromrührer liegen relativ hoch, aber mit größerem Durchmesserverhältnis nähert man sich den Blatt- oder Wendelrührer-Kurven. Kleinere Rührer wie beispielsweise Becherrührer benötigen zu hohe Leistung bei gleichen Mischergebnissen. Der Becherrührer liegt bei 5.000 mPas hoch im Leistungsverbrauch und erweist sich verglichen mit anderen Rührern als ineffizient.

Modifikationen am Rührer

Effektive Entwicklungen orientieren sich an klassischen Formen wie Wendelrührern, haben aber Modifikation wie optimierte Rührblätter, Stufungen zwischen den Ebenen oder einfacher herzustellende Hardware. Ein Beispiel ist die Kombination aus Zwangsförderer mit Gegenstromsystem: Der Alpha-Rührer (Abb. 3) hat im Außenbereich Wendelrührer ähnliche Segmente in planer Form, im zentralen Bereich zusätzlich breite, axial fördernde Elemente. Er kann zur Prozessanpassung mit Abstreifern und exzentrischen Stromstörern versehen werden.

Abb. 3: Alpha Rührer mit der Möglichkeit des Stromstörereinbaus
Abb. 3: Alpha Rührer mit der Möglichkeit des Stromstörereinbaus
(Bild: SPX)

Eine weitere Modifikation ist der Stelzer Hivisc mit reduzierten Rührflächen als Gegenstromsystem: Längere Mischzeiten werden bei gleicher installierter Leistung mit höherer Drehzahl und niedrigerem Drehmoment kompensiert.

Alpha Rührer mit Abstreiferrahmen beim Stelzer Fat.
Alpha Rührer mit Abstreiferrahmen beim Stelzer Fat.
(Bild: SPX)

Ausschlaggebend, um die hochviskosen Schichten gegeneinander zu bewegen und zu vermischen ist der Axialschub (Abb. 1): Ein Ankerrührer dreht alles mit 90° angestellten Rührblättern im Kreis. Ein Segmentwendelrührer wie ein Paravisc mit Anstellwinkeln von 45° bis 60° bricht schnell im Axialschub zusammen. Durch die offene Gestaltung die Zentralelemente ergeben sich sehr hohe Mischzeiten. Der plane Paravisc bei fällt bei identischen Leistungsbeiwert um 50 Prozent im Axialschub ab. Der Alpha-Rührer liegt sogar höher als ein Standardwendelrührer. Der Hivisc liegt zwar niedriger, hat aber auch einen um 30 Prozent niedrigeren Leistungsbeiwert. Das zweistufige Viscopropeller- System ist für sehr hohe Viskositäten nicht mehr geeignet oder müsste mit mehr Stufen ausgestattet werden, was zu mehr Drehmoment und höheren Kosten führt.

Bei zu starker Design-Reduktion kann es passieren, dass man ein Rührsystem entwickelt, das aufgrund fehlender Blätter im zentralen Bereich keine Wirkung mehr erzielt. Führt man diese als Einsparung mit weniger Rührstufen und zu hohen Anstellwinkeln aus, ist das Prozessergebnis suboptimal. Vergleichsversuche mit Originalsubstanzen zeigten ein sehr niedriges Einzugsverhalten von Edukten und signifikante Erhöhungen von Mischzeiten um den Faktor 3 bis 4. In intensiver Diskussion über geplante oder bestehende Prozessfahrweisen zwischen Anwender und Hersteller kann ein Design entwickelt werden, das dem Prozess auch bei veränderlichen Viskositäten sowie nicht-newtonschem Fließverhalten gerecht wird. Darüber hinaus können zur Verifikation Technikumsversuche sowie CFD-Simulationen verwendet werden. ●

* * Der Autor ist Technischer Leiter bei Stelzer Rührtechnik.

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