Prozessorientierten Wiegen in der Pharmaproduktion Praxistipps fürs richtige Wiegen
Wer die Einrichtung eines automatisierten Wiege- und Dosiersystems plant, steht vor vielen offenen Fragen. Unser Autor gibt Tipps, worauf beim prozessorientierten Wiegen und Dosieren in der Pharmaproduktionzu achten ist.
Anbieter zum Thema

Obwohl Wiege- und Dosiervorgänge in der Fertigung von Pharma- und Chemieunternehmen eine wesentliche Bedeutung haben, sind diese derzeit vielfach noch sehr manuell geprägt. Notwendig ist eine hohe Integration und Automatisation dieser Abläufe, um ein Höchstmaß an Produktivität und Qualität zu erlangen. Zu den Grundvoraussetzungen von Lösungen für das Wiegen und Dosieren von Rohstoffen gehört, dass sie eine 21 CFR Part 11-Konformität aufweisen und dem EU-GMP-Leitfaden Annex 11 "Computerised Systems" entsprechen.
Plausibilitätsprüfungen gehören zu den Basisfunktionen
Sofern sie prozessorientiert ausgerichtet sind, müssen sie zudem dialoggeführt ausgerichtet sein und eine automatische wie lückenlose Dokumentation gewährleisten. Zu den wichtigsten Funktionen zählen die Möglichkeit einer auftrags- oder rohstoffbezogenen Verwiegung in einem vollautomatischen Prozess samt einer Tarierung oder Teilverwiegung im Falle von Behälter- oder bei Lot-Nummer-Wechsel. Auch Plausibilitätsprüfungen gehören zu den Basisfunktionen von Wiege- und Dosiersystemen (WDS), um die Bediener zu unterstützen und die Qualität der Bearbeitung zu sichern. Die Möglichkeit des Einscannens von Barcodes unterstützt diese Funktion.
:quality(80)/images.vogel.de/vogelonline/bdb/665800/665838/original.jpg)
Leitfaden
Prozessorientiertes Wiegen und Dosieren in der Produktion
Der Wiegeprozess unterteilt sich typischerweise in verschiedene systematische Schritte. Dabei gilt der Blick zunächst den Wiegeaufträgen. Das WDS muss die von einem ERP-System übertragenen Produktionsaufträge unmittelbar in Wiegeaufträge umsetzen und dabei auch gleichzeitig die Rohstoff- und Chargendaten mit übernehmen. Es erfolgt eine Status-Kennzeichnung der Aufträge, die automatisch aktualisiert oder im Leitstand manuell bearbeitet werden kann. Die Status-Informationen beschreiben den jeweiligen Bearbeitungsstand und geben Auskunft darüber, ob ein Auftrag beispielsweise in Planung, zur Produktion bereit, übertolerant, teilverwogen oder beendet ist.
Außerdem ist es notwendig, dass sich die Aufträge einem bestimmten Wiegeterminal zuordnen lassen. Mit der Anwahl eines Wiegeauftrags schlägt das System auf Basis der zu verwiegenden Sollmenge eine adäquate Waage mit entsprechendem Wiegebereich vor. Aus Flexibilitätsgründen sollte das System zwischen auftragsbezogener und rohstoffbezogener Verwiegung unterscheiden können. Ebenso ist es wichtig, einzelne Produktionsaufträge in weitere Wiegepläne bzw. Auftragslisten zusammenzustellen, um den Anforderungen von Wiegekampagen gerecht zu werden.
Fehler beim Wiegeprozess systematisch vermeiden
Die nächste Anforderung im Wiegeprozess gilt der Komponentenprüfung. In den Wiegeaufträgen wird hierfür definiert, welche Rohstoff-Chargen für die Verwiegungen verwendet werden dürfen. Vor Beginn jeder Verwiegung müssen Plausibilitätsprüfungen bei der Auswahl der für diesen Vorgang zugewiesenen Rohstoff-Chargen und Behälter unterstützen.
Hierzu gehört das Scannen der entsprechend gekennzeichneten Gebinde. Außerdem werden die Eingaben überwacht und bewirken bei Falscheingaben eine automatische Sperrung der weiteren Bearbeitung durch das System. In der Komponentenprüfung werden darüber hinaus zu den produktions- und ablaufrelevanten Daten Gefahrensymbole und Sicherheitshinweise angezeigt.
Wiegen im Dialog
Im Anschluss an die erfolgreich abgeschlossene Komponentenprüfung gilt es, dass der eigentliche Wiegedialog (Wiegevorgang) automatisch freigeschaltet wird. Dieser Vorgang charakterisiert sich durch folgende systematische Schritte: Anhand der zu verwiegenden Komponente und des zugehörigen Sollwertes schlägt das System die geeignete oder durch die Rezeptur zwingend vorgeschriebene Waage vor und tariert diese entweder automatisch oder manuell. Anschließend erfolgt eine Korrekturberechnung auf Basis der Wirkstoffkonzentration eines Rohstoffes.
Im anschließenden Wiegedialog werden neben den für den aktuellen Vorgang benötigten Auftrags- und Produktionsdaten der Waagen der Istwert (numerisch und grafisch) sowie die Toleranzgrenzen angezeigt. Ein Überschreiten der oberen Toleranzgrenze muss zum Sperren des Wiegeauftrags führen. Nach Abschluss eines Wiegevorgangs werden die Daten zu den real verwogenen Mengen an das ERP-System übertragen, damit dort die Bestandsbuchung vorgenommen werden kann.
Abbildung unterschiedlicher Wiegemethoden
Um den unterschiedlichen Anforderungen an einen optimalen Produktionsprozess entsprechen zu können, sollte das WDS unterschiedliche Wiegemethoden abbilden können, die je nach Auftrags- bzw. Rezepturvorgaben oder durch technische Gegebenheiten zum Einsatz kommen. Dazu gehört zunächst die Einwaage, bei der die Waage- oder Mischbehälter auf der Waage stehen und bis zu Erreichung des Sollwerts mit Rohstoff gefüllt werden.
Zum anderen betrifft es die Entnahmewiegung. Hier wird einem Behälter Rohstoff entnommen und in den Einwaage- oder Mischbehälter eingefüllt. Die dritte Methode betrifft den Zählmodus. Sie findet dann Anwendung, wenn ein komplettes Gebinde, dessen Gewichtswert exakt bekannt ist, in den Einwaage- oder Mischbehälter eingefüllt wird. Der Gewichtswert wird über die eingegebene Stückzahl ohne echten Wiegevorgang im Auftrag protokolliert und verbucht.
Als weitere Funktionalität ist die Teilverwiegung und der Chargenwechsel wichtig. Dies dient den Situationen, in denen das Sollgewicht bei einem Wiegevorgang nicht erreicht wird. Dann stellt das WDS automatisch eine erforderliche Teilverwiegung fest und kalkuliert die Restmenge unter Berücksichtigung der jeweiligen Toleranzgrenzen. Teilverwiegungen können beispielsweise erforderlich werden bei Behälter- oder Chargenwechsel. Es ist jedoch sicherzustellen, dass jede Auftragsposition gemäß der Teilcharge dokumentiert wird.
Wiegeprotokoll automatisch erstellen
Sowieso spielt die Dokumentation des Wiege- und Dosierprozesses in der Pharma- und Chemieunternehmen eine große Rolle. Zur Gewährleistung der Rückverfolgbarkeit sollten sämtliche Bedieneraktionen des am Wiegeterminal angemeldeten Bedieners sowie die produktionsrelevanten Buchungen im System geloggt werden. Voraussetzung hierfür ist ein detailliertes User- und Rechtesystem. Die Dokumentation beginnt damit, dass alle Daten der verwogenen Komponenten sowie die jeweiligen Verbräuche an das ERP-System übertragen und dort verbucht werden können.
Über diese Daten und die automatische Dokumentation aller Arbeitsschritte muss das Wiegesystem automatisch ein Wiegeprotokoll erstellen und somit die Daten für die Bereitstellung des Chargennachweises ermöglichen. Ebenso sollte die Kennzeichnung aller verwogenen Komponenten, Subchargen und Intramaterialien (INTR) mittels Barcode-Label nach Ende eines jeden Wiegeschritts möglich sein.
Zudem muss das WDS in der Lage sein, die Anforderungen an die IPC (In Process Control) sowie CCP (Critical Control Point ) und CP (Control Point ) hinsichtlich der Abfragen und Dokumentation aus dem System heraus zu automatisieren. Diese Abfragen müssen anschließend durch den User bzw. durch Vier-Augen-Prinzip bestätigt und im Herstellprotokoll dokumentiert werden.
Kostenloses Whitepaper zum Thema „Dosiergenauigkeit - Einflussfaktoren und Grundlagen“.
* Der Autor ist Senior Consultant der Felten Group. E-Mail-Kontakt: konrad.steinmetz@felten-group.com
(ID:42567965)