Lebensmittelverpackungen Löst PVOH das Problem mit Einweg-Verpackungen?
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Die Plastikverpackung einfach über die Papiertonne entsorgen? Kein Problem verspricht ein Hamburger Unternehmen. Es produziert wasserlösliche Kunststofffolien in Lebensmittelqualität.

Deutsche produzieren jährlich rund 227 Kilo Verpackungsmüll pro Kopf. Im Durchschnitt landen in der EU rund 178,1 Kilogramm Verpackungsmaterial pro Kopf im Müll. Dabei entfallen 40,6 Prozent auf Pappe und Papier, die in Deutschland nahezu komplett recycelt werden. Die 19,4 Prozent Plastikmüll hingegen schneiden beim Recycling deutlich schlechter ab. Lebensmittelhersteller suchen schon seit Jahren nach nachhaltigen Kunststoffen für ihre Einwegverpackungen. Ein wasserlösliches und vollständig biologisch abbaubares synthetisches Polymer, das bisher vor allem als löslicher Wasch- oder Spülmittel-Pod bekannt ist, verspricht die Lösung: Polyvinylalkohol (PVOH).
PVOH ist ein synthetisches Polymer. Es basiert auf einer Polymerisation und anschließenden Hydrolyse von Vinylacetat, das auf einer früheren Reaktion von Ethylengas und Essigsäure basiert. Camm Solutions ist nun die großvolumige Produktion des nachhaltigen Polymers gelungen.
„Camm ist biologisch abbaubar, kompostierbar, kreislauffähig, wasserlöslich und hinterlässt keinerlei Mikroplastik“, versprich Nanda Bergstein, Chief Sustainability & Innovation Officer bei Camm Solutions. „Es lässt sich in nahezu jede Form und Funktion bringen“, so die Nachhaltigkeitsexpertin. Das Camm-Material lässt sich zudem an spezielle Anforderungen für Lebensmittelverpackungen, etwa Barrierefunktionen, anpassen. Die umweltfreundlichen und nachhaltigen Eigenschaften bleiben erhalten. Der Kunststoff wird für Produkte mit Lebensmittelkontakt zugelassen und nach den Good Manufacturing Practices (GMP) zertifiziert. Jede Anwendung wird individuell gemäß den gesetzlichen Vorschriften und den Anforderungen der Verbraucher geprüft und zertifiziert.
Form sind kaum Grenzen gesetzt
„Unser neues Material kann in nahezu jede Form und Funktion gebracht werden“, verspricht Bergstein. Es erfülle die notwendigen Anforderungen für Primär- und Sekundärverpackungen, Barriereersatz und verschiedene Einweganwendungen – sowohl für Lebensmittel als auch für Non-Food. Beispiele für papier- und pappebasierte Verpackungen sind: Luftpolster für Transportverpackungen, Einwegbecher und -schalen oder Lebensmittelverpackungen mit Barriereanforderungen. Darüber hinaus wird camm zu Folien und Hartplastikanwendungen verarbeitet: zum Beispiel zu Pillendosen oder Sockenhängern.
Lebensmittelproduzenten und die verpackende Industrie können die bestehenden Maschinen sowie die installierte Basis verwenden. „Industrialisierungstests zeigen, dass Maschinen aller Hersteller mit den bestehenden Formaten und Einstellungen Camm-Verpackungen formen, füllen und versiegeln können“, bestätigt Bergstein.
Verschiedene Lebensmittel stellen bestimmte Anforderungen an das Verpackungsmaterial, zum Beispiel Reißfestigkeit, Durchstoßfestigkeit oder auch O2-Barriere. Häufig werden diese Eigenschaften durch entsprechende Layer/Schichten erzielt. Diese Multi-Layer-Verpackungen sind jedoch schwer zu recyceln. „Die Kombination aus Camm und Papier hat zum Ziel, Multi-Layer Verpackungen zu ersetzen, die heute über die gelbe Tonne oder den Restmüll entsorgt und deswegen häufig thermisch verwertet werden müssen“, so Bergstein. Camm erfüllt also sowohl Anforderungen an Barrieren als auch an Reiß- und Durchstoßfestigkeit.
Die wesentlichen Unterschiede zu anderen Lösungen mit beschichtetem Papier sind die schnelle Löslichkeit des camm-Materials bei Zugabe von Wasser im Papier-Pulperprozess und damit die bis zu 100-prozentige Zurückgewinnung des Papiers im Recyclingprozess. Und das, ohne Spuren von Mikroplastik oder sonstigen Störstoffen zu hinterlassen. Das camm-Material baut sich vollständig biologisch ab.
Ab in die Papiertonne
Camm in Kombination mit Papier beziehungsweise Pappe wird über die Papiertonne recycelt. Durch die Zugabe von Wasser im Papierauflösungsprozess zerfällt das Material schnell in seine ursprünglichen Bausteine: Sauerstoff, Kohlenstoff und Biomasse. Die übrig gebliebenen Papierfasern werden vollständig für die Herstellung neuen Papiers genutzt. Camm hinterlässt dabei keinerlei Nano- oder Mikroplastik.
Als Hauptmaterial kann das Camm-Material vollständig im Kreislauf gehalten und recycelt werden. Natürlich kann das Produkt in die Umwelt oder ins Meer gelangen – unbeabsichtigt oder weil es nicht korrekt entsorgt wurde. Kein Problem: Camm baut sich unter natürlichen Bedingungen vollständig biologisch ab.
Verpackungen müssen nicht nur dem Produktschutz und der Nachhaltigkeit dienen, sondern auch bezahlbar sein. „Gerade weil Camm als Material besonders hohe Nachhaltigkeitseigenschaften besitzt, ist es uns wichtig, dass es kommerzialisierbar und skalierbar ist“, erklärt Bergstein. „Bereits heute verkaufen wir Applikationen mit Camm auf industrieller Ebene. Unsere Wachstumsstrategie erlaubt es uns, die produzierte Menge schnell zu skalieren und entsprechende Skaleneffekte zu realisieren“, so die Nachhaltigkeitsexpertin. So läuft seit mehreren Wochen die industrielle Produktion im unternehmenseigenen Werk in Spanien stabil. Sowohl reine Blow- und Cast-Folien wie auch Papierverbundfolien für Verpackungssysteme laufen in einer Bahnbreite von 120 Zentimetern und hoher Qualität vom Band.
Schon 2024 wollen die Hamburger 6.000 bis 8.000 Tonnen Camm-Material herstellen und 2025 bis zu 30.000 Tonnen. „Zusätzlich bauen wir eigene grüne Lieferketten auf, um unsere weiteren Nachhaltigkeits- und Effizienzziele zu realisieren“, verspricht Bergstein. (wüh)
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