Plant Asset Management Plant Asset Management: In der Diagnose mechanischer Assets schlummert ungenutztes Potenzial

Redakteur: Anke Geipel-Kern

In den vergangenen Jahren hat die Diagnose von Feldgeräten beim Plant Asset Management große Fortschritte gemacht, dagegen steckt die Überwachung von Process Units, also Pumpen oder Wärmetauschern, noch in den Anfängen.

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Svitlana Schmitt, Siemens: „Um verlässliche Aussagen über den Zustand von Anlagenkomponenten machen zu können, müssen die einzelnen Assets über einen Mindestgrad an Intelligenz verfügen.“ (Bild: Siemens)
Svitlana Schmitt, Siemens: „Um verlässliche Aussagen über den Zustand von Anlagenkomponenten machen zu können, müssen die einzelnen Assets über einen Mindestgrad an Intelligenz verfügen.“ (Bild: Siemens)

Das Thema Plant Asset Management nimmt in den Betrieben der Prozessindustrie einen großen Raum ein. „Um verlässliche Aussagen über den Zustand von Anlagenkomponenten machen zu können, müssen die einzelnen Assets über einen Mindestgrad an Intelligenz verfügen: Diagnosefunktionen und entsprechende Kommunikationsmittel und -wege sind Grundvoraussetzung“, nennt Svitlana Schmitt, Marketing Manager Simatic PCS 7 bei Siemens, die Vorgaben. Automatisierungs- und Netzwerkkomponenten sowie intelligente Feldgeräte oder PC-Stationen erfüllen diese Anforderungen bereits zuverlässig. Auch intelligente Feldgeräte beherrschen inzwischen fast alle die Klaviatur einer verlässlichen Diagnose und eindeutiger Informationen nach NE 107.

Die implementierte Diagnostik kann den Eigenzustand über Normwertvergleiche wiedergeben, sodass der Anwender stets im Bild ist, ob volle Funktionsfähigkeit, oder aber eine Abweichung vom gewünschten Normalzustand vorliegt. „Mechanische Anlagenkomponenten wie Pumpen, Motoren, Zentrifugen, Stellventile etc. verfügten leider nicht über diese Diagnose- und Kommunikationsmöglichkeiten“, beschreibt Schmitt das Problem. Anlagenbetreibern blieben bei solchen Assets bislang zwei Möglichkeiten, um einem Anlagenausfall durch Komponenten-Defekt vorzubeugen: entweder der Einsatz eines entsprechenden Redundanzkonzepts oder die Implementierung zusätzlicher Sensoren – beides Lösungen die einen erhöhten Kostenaufwand bedeuten.

Schlüsselfunktion für Prozessautomatisierung

An dieser Stelle kommt der Prozessautomatisierung eine Schlüsselfunktion zu. Potenzial bietet etwa die Verknüpfung spezieller Messergebnisse mit Prozessmesswerten, um verschleißfördernde Betriebszustände zu detektieren. „Bei der Einordnung lässt sich unterscheiden zwischen Tools, die z.B. als Algorithmen bzw. Funktionsobjekte im Kern des Leitsystems angesiedelt sind und solchen, die typischerweise auf einem separaten, am leittechnischen Netzwerk angeschlossenen Server als ergänzende Applikation installiert werden“, erklärt Herbert Fittler, Consultant bei Honeywell Process Solutions.

Eine weitere Differenzierung ergibt sich durch die Konzeption des Werkzeuges, je nachdem ob die Überwachungsobjekte als weitestgehend vordefinierte Elemente für bestimmte verfahrenstechnische Einheiten verfügbar sind, oder ob primär eine Softwareumgebung zur individuellen Konfiguration der apparativen Zusammenhänge geboten wird.

Beispielsweise überwacht und analysiert der PCS 7 Pumpmon-Baustein von Siemens Kreiselpumpen, indem die Sensor-Signale, die bereits im Leitsystem vorhanden sind, ausgewertet werden. Dazu gehören die elektrische Wirkleistung des Motors, der Durchfluss des Fördermediums, Eingangs- (Saug-) und Ausgangsdruck (Förderdruck) der Pumpe sowie ein Binärsignal, ob der Motor läuft, und die Temperatur des Fördermediums (insbesondere für Kavitationsüberwachung). Der Baustein kann für elektrisch angetriebene Kreiselpumpen sowohl mit konstanter als auch mit variabler Drehzahl verwendet werden. Grenzwertverletzungen des Pumpen-Nennarbeitsbereiches und Abweichungen vom erwarteten Kennlinienverlauf werden dem Anwender gemeldet und anhand von Bausteinausgängen einer Weiterverarbeitung zur Verfügung gestellt.

Alle Standardverfahren von PCS 7 können zur weiteren Verarbeitung der Ausgangssignale genutzt werden, z.B. arithmetische Berechnungen, Trendaufzeichnungen, Meldungsarchivierung usw. Der Baustein selbst hat eine reine Diagnosefunktion. Schmitt verdeutlicht, dass ein aktiver Eingriff in den Betrieb der Pumpe nicht vorgesehen sei. Somit kann ein Einsatz (auch als Nachrüstung) erfolgen, ohne dass eine Beeinflussung des Prozesses befürchtet werden muss.

Frühzeitig Probleme erkennen

Die Condition Based Monitoring (CBM) Module von Yokogawa sind ein Teil des Plant Asset Management System PRM (Plant Resource Manager). Die CBM-Module laufen nicht im Produktionsleitsystem, sondern im Plant Asset Management System und werden u.a. mit Daten aus dem Produktionsleitsystem gefüttert.

Ein Beispiel ist das Wärmetauscher-CBM. Auf der Basis der vier Schlüsselparameter Temperaturgefälle, übertragene Wärmemenge, Fouling und Druckabfall generieren speziell entwickelte Algorithmen einfache Performance-KPIs.

„Das Bedien- und Wartungspersonal erhält damit automatisch übersichtliche Statusinformationen zu allen Wärmetauschern. Gleichzeitig werden alle Ergebnisse in Tagesberichten zusammengefasst und stehen so zur Archivierung und für Trendberechnungen zur Verfügung. Allmählich sinkende Energieeffizienz, zunehmend Fouling-Probleme etc. lassen sich so – unterstützt durch konfigurierbare, automatisch ausgelöste Warnungen – frühzeitig erkennen“, erklärt Tim Henrichs, Produkt Manager Systems bei Yokogawa die Vorgehensweise in der Praxis.

Im Rahmen des Experion PKS von Honeywell Process Solutions stehen Werkzeuge zur Auswahl, die sowohl vorgefertigte Berechnungen und Darstellungen für ausgewählte Einrichtungen liefern als auch eine umfangreichere Asset Manager Software, mit der betriebsspezifische Gegebenheiten eingebracht und dadurch auf lokale Situationen zugeschnitten werden können.

„Ergebnisse aus den vordefinierten Überwachungsobjekten können zur erweiterten Nutzung im Asset Manager eingehen und ermöglichen so die Kopplung beider Varianten“, präzisiert Fittler und zählt als Beispiel die Überwachung von Kompressoren (axial, zentrifugal), Turboverdichtern, Turbinen (Gas, Dampf), Analysengeräten, Öfen, Pumpen, Motoren, Wärmetauschern und Regelventilen auf. Die Überwachung einiger Einrichtungen verwendet modellbasierte Rechnungen und gleicht diese mit aktuellen Daten ab, sodass auf dieser Basis aufkommende Probleme wie Leistungsabfall und deren mögliche Ursachen frühzeitig aufgezeigt werden können.

Prozesstechnisch zusammenhängende Anlagenteile überwachen

Mit der neu entwickelten betriebsnahen Software-Applikation PUMon von Bayer Technology Services (BTS) lassen sich auf Basis der vorhandenen Feldsensorik bzw. aktorik sogar prozesstechnisch zusammenhängende Anlagenteile überwachen. Auch hier ist es Ziel, sich anbahnende Anlagenprobleme frühzeitig zu erkennen. Aus dem Zusammenspiel mehrerer Prozessvariablen – insbesondere durch Einbezug von Soll- und Stellwerten – lassen sich mehr Informationen über den Status eines Anlagenteils gewinnen, als wenn die verschiedenen Prozessparameter separat überwacht werden.

„Die Idee dabei ist zugegebenermaßen nicht neu,“ erklärt Dr. Thomas Ross, verantwortlich bei BTS für das Entwicklungsprojekt PUMon. Neu ist, dass BTS gemeinsam mit dem Partner Fraunhofer IOSB jetzt das charakteristische Zusammenspiel der verschiedenen Prozessparameter auch über lange Zeiträume in der notwendigen Genauigkeit erfassen und auf einer neuronalen Karte speichern kann. Das so trainierte neuronale Netz dient als Referenz und kann vollautomatisiert zur Echtzeitüberwachung der prozesstechnischen Einheit (Process Unit) verwendet werden. „Die abgeleiteten Ergebnisse sind verblüffend. Schleichende Abweichungen in den Korrelationen deuten dabei frühzeitig auf die Verschlechterung des Assetzustandes hin“, sagt Ross. Die Software wurde bereits mit erfolgversprechenden Ergebnissen in einem Bayer-Betrieb mit kontinuierlicher Fahrweise getestet. Zurzeit findet ein groß angelegter Test mit Online-Daten in einem weiteren Betrieb von Bayer MaterialScience statt.

Zudem wurde eine Machbarkeitsstudie für die Anwendung auf Batchprozesse durchgeführt. „Die Auswertung wurde zunächst auf Basis historischer Daten aus Betrieben von Bayer CropScience bzw. Bayer HealthCare vorgenommen. Auch hier mit Erfolg“, bilanziert Ross. Es habe sich gezeigt, dass die PUMon-Methodik auf diskontinuierliche Produktionen erweiterbar ist und dass damit auch der korrekte Ablauf eines Batches im Vergleich zu einem Referenzbatch überwacht werden kann.

Chancen besser nutzen

Nicht immer ist die Umsetzung solcher Lösungen in der Praxis einfach. Die CBMs von Yokogawa gibt es seit 2007 auf dem Markt, und sie werden auch in Projekten eingesetzt. Aber: „Leider nutzen die meisten Kunden ein Plant Asset Management System nur zur Parameterverwaltung von Feldgeräten“, bedauert Henrichs. Stets müssen aus vielen Daten zunächst verwertbare Informationen und dann kurz-, mittel- und langfristige Handlungsanweisungen oder -empfehlungen abgeleitet werden. Dies sei die vorrangige Aufgabe eines Plant Asset Management Systems, das mehr sein soll als ein Werkzeug zur Parametrierung und Konfiguration von Feldgeräten. Plant Asset Management muss Henrichs Meinung nach durchgängig in das Betriebs- und Wartungskonzept implementiert sein. Nur so könne es dazu beitragen, dass der Betreiber langfristig und nachhaltig aus Asset Excellence eine Operational Excellence erreicht.

Honeywellexperte Fittler gibt sich vorsichtig optimistisch, obwohl schon einige Installationen (u.a. Dolphin Energy-Qatar, Gaz de France, Statoil Hydro) erfolgreich umgesetzt wurden. „Es ist zur Zeit noch eher typisch, dass diese Werkzeuge erst dann angefragt werden, wenn ein spezifischer Bedarf durch betriebliche Ereignisse getriggert wurde, z.B. Zerstörung kostenintensiver Einrichtungen oder Prozessstörungen infolge Fehlern an Einrichtungen.“ Im Rahmen von Operational Excellence Initiativen rückten derartige Möglichkeiten allerdings verstärkt in den Fokus und werden dann auch eingesetzt.

Als Hemmschuh für eine häufigere Nutzung sieht Fittler die Personalfrage. „Es benötigt auch das zusätzlich freizustellende Personal, das die Anwendungen aufbereitet, pflegt, die Daten sichtet, bewertet und in die Entscheidungsfindung einbringt.“ Dies gilt umso mehr, wenn anlagenspezifische Eigenheiten aufzunehmen sind. Allerdings ist Fittler überzeugt, dass mit zunehmenden wirtschaftlich erfolgreichen Applikationen, die entsprechend dokumentiert und publiziert werden, sowie mit verbesserten Tools im Sinne einer einfacheren Handhabung, sich die Breite der Anwendung in Zukunft wesentlich steigern lässt.

Der Baustein Pumpmon wurde bis jetzt in den chemischen Anlagen erfolgreich eingesetzt, vor allem bei solchen Pumpen, die überdurchschnittlich häufig ausfielen oder kavitationsgefährdet waren. Auch bei den Pumpen, in denen sich chemische Ablagerungen bildeten, kam der Baustein Pumpmon zum Einsatz. „Dank diesem Einsatz konnten die Anlagenbetreiber bis etwa zehn Prozent der Gesamtkosten einsparen, da die Pumpensysteme nicht redundant ausgelegt werden mussten“, zieht Schmitt Bilanz.

Tools im Ausbau

Siemens baut das Angebot an Softwarebausteine zur Integration mechanischer Komponenten in das anlagennahe Asset Management von Simatic PCS 7 konsequent aus. Der Baustein Valvemon (momentan in der Pilotierungsphase) wird Stellventile (Stetigventile) überwachen und analysieren. Das bevorzugte Einsatzgebiet des Heatxchmon-Bausteins (momentan ebenfalls in der Pilotierungsphase) sind Flüssig-Flüssig-Rohrbündel-Wärmetauscher. Der Diagnosebaustein ermittelt den Wärmetauscher-Wirkungsgrad anhand der Abweichungen des aktuellen Wärmestroms zum Referenz-Wärmestrom im sauberen Zustand. So können der aktuelle Fouling-Grad und der Verlust an Energie und Kosten pro Tag berechnet und dargestellt werden.

Bei der Entwicklung von PUMon stand schon zu Projektbeginn fest, dass neben den Bayer-Teilkonzernen auch der externe Markt bedient werden sollte. Ross ist überzeugt davon, dass BTS nur zusammen mit den externen Kunden die Möglichkeit habe, anspruchsvolle Problemlösungen auf dem neuesten technischen Stand zu entwickeln. Verschiedene Pilotapplikationen mit externen Kunden laufen gerade an.

Fittler ist sich sicher, dass sich Werkzeuge, die Effizienz und Laufzeit betrieblicher Einrichtungen verbessern, künftig vor allem an zwei Dingen ausrichten: an einfacher Bedienung und an einer transparenten, anwenderspezifischen Darstellung der Informationen. Bei Honeywell wird ein Production Control Center die Visualisierung für selektive Nutzer übernehmen. Fittlers ermutigendes Fazit: „Vereinfachte Modulvarianten der Tools werden verstärkt Eingang in die prozessnahen Komponenten des PLS finden und stehen damit voll integriert optional zur Verfügung.

* Die Autorin ist freie Mitarbeiterin bei PROCESS.

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