Studie: Kunststoff-Patente im internationalen Vergleich Patente für Kunststoffrecycling und Biokunststoffe: Deutschland europaweit führend

Von M.A. Manja Wühr

Um die Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe voranzutreiben, braucht es vor allem eines: Innovationen. Eine Studie des Europäischen Patentamt analysiert welche Nationen in den verschiedenen Innovationstrends führend sind. Und wo es noch hapert.

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Studie des Europäischen Patentamts zeigt: 60 Prozent aller Patentanmeldungen für Kunststoffrecycling und Biokunststofftechnologien kommen aus Europa und den USA.
Studie des Europäischen Patentamts zeigt: 60 Prozent aller Patentanmeldungen für Kunststoffrecycling und Biokunststofftechnologien kommen aus Europa und den USA.
(Bild: ©831days - stock.adobe.com)

Bei Entwicklung neuer Technologien zum Kunststoffrecycling und alternativer Kunststoffe sind Europa und die USA mit Abstand führend. Zusammen stellen sie 60 Prozent der eingereichten internationalen Patentfamilien (IPF) in diesem Bereich. Innerhalb Europas kommt Deutschland auf den höchsten Anteil an IPF – sowohl beim Kunststoffrecycling mit 32 Prozent als auch bei alternativen Kunststofftechnologien bzw. Biokunststoffen mit 34 Prozent. Dies zeigt die Studie „Patente für die Kunststoffe der Zukunft: Globale Innovationstrends in den Bereichen Recycling, kreislauffähiges Design und alternative Rohstoffe“ des Europäischen Patentamts (EPA). Sie analysiert Innovationstrends für den Zeitraum 2010 bis 2019, die den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft in der Kunststoffindustrie bestimmen. Dabei betrachtet sie IPF. Diese steht für eine einzelne Erfindung, die in mehr als einem Land zum Patent angemeldet wurde. Das werten die Autoren als hochwertige Erfindungen.

Innovationen rund ums Kunststoffrecycling

Mechanisches oder auch werkstoffliches Recycling ist aktuell das verbreitetste Verfahren, an dem auch weiterhin geforscht wird. Fast 4500 IPF zählte das Europäische Patentamt weltweit zwischen 2010 und 2019. Schwerpunkt der Entwicklungen lag auf den Qualitätsverlusten beim Recycling von Post-Consumer-Abfällen. Gleichzeitig belaufen sich die Innovationen für chemische und biologische Recyclingverfahren auf mehr als 9000 IPF. Während die Patentierung chemischer Standardverfahren – wie Cracking und Pyrolyse – 2014 einen Höhepunkt erreichte, bieten aufkommende Technologien wie biologische Verfahren mit lebenden Organismen (1500 IPF), oder das Kunststoff-zu-Monomer-Recycling (2300 IPF) neue Möglichkeiten, Polymere abzubauen und neuwertige Kunststoffe herzustellen.

Bei chemischen und biologischen Recyclingverfahren haben die USA mit 36 Prozent aller IPF im Vergleich zu Europa mit 26 Prozent die Nase deutlich vorn. Deutschland konnte hier nur 6,7 Prozent beitragen. Verglichen mit den Patentierungsaktivitäten im Zusammenhang mit der Abfallverwertung und dem Kunststoff-zu-Produkt-Recycling, wo im gleichen Zeitraum bis zu 10 Prozent der Erfindungen aus Deutschland kamen, stellt dies einen geringen Wert dar. Wie die Studie weiter zeigt, verzeichnen deutsche Unternehmen im Bereich Kunststoff-zu-Produkt-Recycling einen höheren Anteil im Pre-Consumer-Recycling mit 16 Prozent als im Post-Consumer-Recycling mit 10 Prozent. Die Autoren deuten dies, dass der industrielle Produktionssektor Deutschlands in diesen Zahlen widerspiegelt.

Der Bericht zeigt ebenso, dass die Grundlagenforschung in den Bereichen chemisches und biologisches Recycling eine viel größere Rolle spielt als in anderen Kunststoffrecyclingtechnologien. Demnach stammten fast 20 Prozent der Erfindungen aus Hochschulen und öffentlichen Forschungseinrichtungen. Dabei wiesen Hochschulen und öffentliche Forschungseinrichtungen aus Europa und den USA einen deutlichen Vorsprung gegenüber anderen Ländern auf, wobei jeweils 29 Prozent der IPF aus Forschungsinstitutionen stammen. Der Bericht zeigt aber auch, dass Europa der einzige bedeutende Innovationsstandort ist, der mit 29 Prozent einen größeren Anteil an chemischen und biologischen Recycling-Erfindungen aus vorgelagerter Forschung beisteuert gemessen am Gesamtaufkommen auf dem Gebiet (26 Prozent). Im Gegensatz dazu sind die Beiträge der USA und Japans zu IPF aus vorgelagerter Forschung (29 Prozent und 11 Prozent) geringer als ihre jeweiligen Anteile an allen IPF (36 Prozent und 17 Prozent). Demgegenüber generierten US-amerikanische Start-ups und Scale-ups viermal so viele Erfindungen im chemischen und biologischen Recycling wie ihre europäischen Pendants – 338 vs. 84. Dies deutet darauf hin, dass Europa, obwohl es in der Grundlagenforschung besonders aktiv ist, sein Potenzial beim Transfer dieser Technologien in marktreife Erfindungen noch nicht voll ausschöpft, so die Autoren der Studie.

Von abbaubar bis hin zu alternativen Rohstoffen – Kunststoffinnovationen

Das Gesundheitswesen gehört mit mehr als 19.000 IPF zu den innovativsten Branchen in Bezug auf Biokunststoffe. „Hier sind die USA führend“, sagt Yann Ménière, Chefökonom des Europäischen Patentamts. Die höchste Marktdurchdringung bei Biokunststoffen verbucht die Kosmetik- und Reinigungsmittel-Industrie. Das Verhältnis von IPF für Biokunststoffe zu IPF für herkömmliche Kunststoffe liegt hier bei 1 zu 3, während es im Gesundheitswesen nur 1 zu 5 beträgt. Weitere einflussreiche Sektoren sind Verpackungen mit 6407 IPF, Elektronik mit 4511 IPF und Textilien mit 3310 IPF. „Viele nachhaltige Entwicklungen, insbesondere im Verpackungsbereich, basieren auch auf Strategien wie der Wiederverwendung oder Reduzierung von Verpackungsmaterial und können daher zu Patenten in anderen technischen Feldern führen“, erklärt Ménière.

Mit 4090 IPF ist Deutschland bei Biokunststoff-Innovationen innerhalb Europas führend. Als Manko konstatiert die Studie Deutschland mangelnde Spezialisierung. Hierfür zieht die Studie den Revealed Technological Advantage (RTA) Index zu Rate. Er setzt Innovationen bei Biokunststoff-/Recycling-Technologien in Relation zum Gesamtinnovationsvermögen. Neben Deutschland ist Schweden das einzige europäische Land, das keine Spezialisierung vorweisen kann.

Die Studie vergleicht auch die Anzahl der IPF für herkömmliche Kunststoffe mit der für Biokunststoffe. Im Zeitraum zwischen 1980 und 2019 sind sie nahezu identisch. So erfasste das Europäische Patentamt 2019 563 IPF für Biokunststoffe und 656 IPF für konventionelle Kunststoffe. Das überrascht wenn man die Produktionskapazitäten von Biokunststoffen und herkömmlichen gegenüberstellt: 2019 betrug die weltweite Produktion von Biokunststoffen laut dem Institute for Bioplastics and Biocomposites (IfBB) etwas mehr als zwei Millionen Tonnen. Laut einer Erhebung von Plastics Europe wurden 368 Millionen Tonnen herkömmliche Kunststoffe produziert.

* Die Autorin arbeitet als Fachredakteurin „Management“ für die Vogel Communications Group.

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