Chirale Trennung Online-Monitoring kristallisationsbasierter chiraler Trennungen

Autor / Redakteur: PD Dr. Heike Lorenz, Dr. Martin Peter Elsner, Dipl.-Ing. (FH) Daniel Polenske, Dipl.-Ing. Felix Czap / Dr. Jörg Kempf

Der Beitrag stellt eine einfache Methode vor, die es ermöglicht, kristallisationsbasierte Enantiomerentrennungen direkt bezüglich des Trennfortschritts zu verfolgen. Dabei wird Online-Dichtemessung mit Online-Polarimetrie kombiniert, woraus sich der zeitliche Verlauf der Lösungszusammensetzung während des Kristallisationsprozesses ermitteln lässt. Abweichungen vom erwarteten Prozessablauf können erkannt und es kann zeitnah reagiert werden. Das Potenzial dieses Online-Monitoring wird am Beispiel der chiralen Trennung von DL-Threonin durch „Bevorzugte Kristallisation“ demonstriert.

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Die Trennung chiraler Systeme als wichtige Stoffklasse aus dem Bereich der Fein- und Spezialchemikalien erlangt zunehmend an Bedeutung für die Gewinnung von reinen Enantiomeren in der Pharma- und Lebensmittelindustrie sowie der Agrochemie. Unter bestimmten Voraussetzungen können dazu vergleichsweise kostengünstige Kristallisationsverfahren eingesetzt werden.

So gelingt die Racematspaltung z.B. bei einfach eutektischen Stoffsystemen mithilfe der sog. „Bevorzugten Kristallisation“. Dabei kristallisiert aus einer an beiden Enantiomeren übersättigten Lösung nach der Zugabe von Impfkristallen nur eines Enantiomers dieses über einen gewissen Zeitraum selektiv. Eine sichere und reproduzierbare Prozessführung ist hier nur durch eine simultane Prozessüberwachung möglich, die eine direkte „Verfolgung“des Trennfortschritts und ein zeitnahes Reagieren auf Veränderungen im Prozessablauf zulässt.

Der Versuchsaufbau

Bild 1 zeigt schematisch eine zum Online-Monitoring kristallisationsbasierter chiraler Trennprozesse geeignete Prozessanalytik. Dabei wird die Polarimetrie zur Messung des optischen Drehwinkels (als Maß für die Konzentrationsdifferenz der beiden Enantiomeren) mit der Dichtemessung (zur Bestimmung der Gesamtkonzentration der Lösung) kombiniert. Daraus ergibt sich der zeitliche Verlauf der Lösungszusammensetzung während des Kristallisationsprozesses.

Beide Methoden werden online betrieben, d.h. die Durchflussmesszellen des Polarimeters und des Dichtemessgerätes befinden sich in einem Bypass, durch den ständig feststofffreie Lösung gepumpt wird. Sämtliche Leitungen sowie die Messzellen sind temperiert bzw. hinter den Messzellen wärmeisoliert. Im Labor kamen Versuchsstände mit Reaktorvolumina zwischen 60 ml und 2 l zum Einsatz. Die zu analysierende Lösung wurde dem Reaktor über eine Standard-HPLC-Fritte (Porengröße 0,45 µm) entnommen, die Flussraten im Bypass lagen zwischen 1,8 und 5,9 ml/min. Weitere Details zur Analytik, den eingesetzten Messgeräten und zur Ermittlung der Lösungszusammensetzung finden sich in [1, 2].

Die Versuchsdurchführung

Das Potenzial des beschriebenen Online-Monitoring soll am Beispiel der zyklisch betriebenen Trennung von DL-Threonin in wässriger Lösung durch „Bevorzugte Kristallisation“ demonstriert werden. Bild 2 zeigt den zeitlichen Verlauf des optischen Drehwinkels α bei zwei aufeinanderfolgenden Trennzyklen.

Ausgehend von einer übersättigten racemischen Lösung von DL-Threonin in Wasser kristallisiert nach Zugabe von L-Threonin-Impfkristallen L-Threonin selektiv aus. Der Drehwinkel bewegt sich zu positiven Werten, d.h. der Anteil an D-Threonin in der Lösung übersteigt den des L-Threonins. Der Prozess wird nun bei einem vorgegebenen Drehwinkel, der innerhalb des „sicheren“ Arbeitsbereiches der Trennung liegen muss, abgebrochen (Unterbrechungsdrehwinkel), die Lösung filtriert (d.h. festes L-Threonin abgetrennt) und die Lösung nach erneuter Racematzugabe und -auflösung mit D-Threonin geimpft.

Die Signalaufzeichnung bricht jeweils beim Ablassen und Filtrieren der Mutterlauge ab und startet mit erneutem Befüllen des Reaktors. Nach Impfkristallzugabe beginnt die selektive Kristallisation von D-Threonin. Bei Erreichen des Unterbrechungsdrehwinkels (der symmetrisch zu α = 0 hier bei einem ee von 2% L-Threonin liegt) wird filtriert (d.h. festes D-Threonin gewonnen), erneut zu trennendes Racemat dazugegeben, gelöst und der zweite Trennzyklus gestartet.

Die Auswertung

Es zeigt sich, dass hier allein über den Verlauf des optischen Drehwinkels der Trennprozess reproduzierbar und sicher geführt werden kann. Abweichungen vom angestrebten Prozessablauf, wie der zu niedrige Startdrehwinkel zu Beginn des zweiten Trennzyklus aufgrund der während des Filtrierens fortschreitenden Kristallisation von D-Threonin (siehe Markierung), können erkannt werden. Mit dem Ziel einer robusten Prozessauslegung wurde der Unterbrechungsdrehwinkel in einem „sicheren“ Bereich gewählt, so dass die beobachtete Abweichung im Prozessverlauf toleriert werden kann.

Neben dem Einsatz zur Überwachung der zyklischen Racemattrennung von DL-Threonin bewährte sich das vorgestellte Online-Monitoring bei Untersuchungen zur Erweiterung des Einsatzfeldes der „Bevorzugten Kristallisation“ auf verbindungsbildende chirale Stoffsysteme (mit etwa 90% die Mehrheit der chiralen Substanzen) [3] sowie bei Untersuchungen zu alternativen Prozessführungsstrategien mit dem Ziel der Optimierung von Produktivität, Prozessstabilität und Produkteigenschaften [4].

Zur Analyse und Optimierung des chiralen Trennprozesses selbst, d.h. der Quantifizierung, ist jeweils die Kopplung von Online-Polarimetrie und -Dichtemessung erforderlich. Die nachfolgende Prozessüberwachung kann dann gegebenenfalls, wie im Bild 2 gezeigt, allein anhand des online gemessenen polarimetrischen Signals erfolgen.

Zusammenfassung

Der Einsatz vergleichsweise kostengünstiger und apparativ einfacher Kristallisationsverfahren zur Enantiomerentrennung, speziell der oben beschriebenen Methode der „Bevorzugten Kristallisation“, hängt wesentlich von der Leistungsfähigkeit einer die sichere Prozessführung und -regelung erlaubenden Prozessanalytik ab. Die Kopplung von Online-Polarimetrie und Online-Dichtemessung ermöglicht sowohl die Untersuchung des chiralen Trennprozesses selbst als auch dessen prozessführungsorientierte Überwachung.

Literatur

[1] Alvarez Rodrigo, A., Lorenz, H., Seidel-Morgenstern, A.: Online monitoring of preferential crystallization of enantiomers. Chirality 16 (2004), pp. 499–508

[2] Polenske, D., Elsner, M. P., Lorenz, H., Seidel-Morgenstern, A.: Alternative Einsatzmöglichkeiten der „Bevorzugten Kristallisation“ zur Enantiomerentrennung. Chemie Ingenieur Technik 78 (2006), S. 1101–1110

[3] Lorenz, H., Polenske, D., Seidel-Morgenstern, A.: Application of preferential crystallization to resolve racemic compounds in a hybrid process. Chirality 18 (2006), pp. 828–840

[4] Czapla, F., Lorenz, H., Elsner, M. P., Seidel-Morgenstern, A.: Einfluss unterschiedlicher Prozessführungsstrategien auf die Produktivität und Produkteigenschaften bei der „Bevorzugten Kristallisation“. In Teipel, U. (Hrsg.): Produktgestaltung in der Partikeltechnologie, Band 3, Fraunhofer-IRB-Verlag, Stuttgart, 2006, S. 219–235

Die Autoren arbeiten am Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme, Fachgruppe Physikalisch-Chemische Grundlagen der Prozesstechnik in Magdeburg. Die Autoren danken Frau Angela Alvarez Rodrigo für ihre aktive Mitarbeit zu Beginn des Projektes.

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