Instandhaltung Mobile Instandhaltung von Rohr-Fernleitungen
Bei der Überprüfung von Rohr-Fernleitungen sind Instandhalter häufig noch mit Listen unterwegs. Die steigende Datenflut lässt sich jedoch zukünftig nur noch durch Unterstützung von IT-Lösungen handhaben. Der Chemieparkbetreiber und industrielle Dienstleister InfraServ Knapsack ging noch einen Schritt weiter.
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Marco Zimmermann aus der Ver- und Entsorgungstechnik bei InfraServ Knapsack hält seinen Handheld an den Kontrollpunkt einer Rohr-Fernleitung, scannt und beginnt mit den erforderlichen Wartungstätigkeiten. Mit einem Klick hat er alle notwendigen Wartungsdaten erfasst. Am Ende seiner Runde übermittelt er diese Daten direkt in das firmeneigene SAP-System. Bis Ende letzten Jahres erhielt Zimmermann seine Wartungspläne noch auf Papier, notierte dort seine Ergebnisse und übergab sie an die Kollegen in der Leitstelle. Die pflegten die Ergebnisse ebenfalls per Hand in das SAP-System ein, in dem die technische Dokumentationen hinterlegt sind und aus dem heraus alle Aufträge generiert werden. Insgesamt eine noch weit verbreitete, aber nicht mehr ganz zeitgemäße Vorgehensweise. Denn ein solches Vorgehen sorgt nicht nur für doppelte Arbeit, es birgt auch immer die Gefahr, dass bei der Übertragung Werte nicht richtig erfasst werden.
Bei InfraServ Knapsack kam hinzu, dass die Wartungspläne in einer anderen Datenbank auf Basis von Microsoft Access gepflegt wurden und daher die Daten aller Kontrollgänge zusätzlich zum SAP-System auch hier nachgehalten werden mussten. Ein Prozess mit Verbesserungspotenzial also. „Wir halten nicht nur eigene Anlagen und Rohrleitungen instand, sondern haben diese Leistungen auch für andere Unternehmen übernommen. Da versteht es sich von selbst, dass wir unseren Kunden nur Lösungen anbieten möchten, die technisch auf der Höhe der Zeit und für beide Seiten wirtschaftlich rentabel sind“, so Andreas Littmann, Leiter des Bereichs Ver- und Entsorgungsbetriebe bei InfraServ Knapsack.
Dieser Bereich war es auch, der vor rund zwei Jahren den Anstoß zu einem Pilotprojekt gab. Sein Ziel: Instandhaltungsprozesse optimieren sowie die Daten-, aber auch die Arbeitsqualität verbessern und somit insgesamt die Wirtschaftlichkeit der Instandhaltungsleistungen erhöhen. Sämtliche Wartungspläne sollten nur noch im zentralen SAP-System gepflegt und Fehlerquellen durch Medienbrüche vermieden werden. Darüber sollte das Instandhaltungspersonal vor Ort alle notwendigen Informationen immer auf dem mobilen Endgeräte abrufen können.
Praxisorientierte Vorgehensweise
Bei der Entwicklung der neuen Lösung verzichtete das Unternehmen bewusst auf das klassische Projektmanagement, sondern wählte stattdessen eine praxisorientierte Vorgehensweise parallel zum Tagesgeschäft. In der Pilotphase sollte kein Personal fest im Projekt gebunden sein, da für Tests und Probeläufe ausschließlich die Wartungsintervalle der eigenen Rohr-Fernleitungen genutzt wurden – und hier lagen die Abstände zwischen einem und drei Monaten. Nach anfänglichen Workshops zur Entwicklung des Prozesses und des Leistungsumfangs arbeiteten die einzelnen Fachabteilungen stark eigenverantwortlich. In regelmäßigen Besprechungen wurden die nächsten Schritte festgelegt und Arbeitspakete verteilt.
Das Unternehmen holte sich mit Enginius gleich zu Beginn einen erfahrenen Partner ins Haus. Die Wahl fiel auf die Schwetzinger Software-Spezialisten, weil sie seit mehreren Jahren Anwendungen für die mobile Instandhaltung im SAP-Umfeld entwickeln und in Hinblick auf Wirtschaftlichkeit und Funktionsumfang, aber auch bei der Integration in SAP punkten konnten. Die Enginius-Anwendung lässt sich flexibel anpassen und erweitern. Zudem lassen sich auch Geoinformationssysteme anbinden, um in einer weiteren Ausbaustufe auch Standorte auf den Endgeräten anzeigen zu können.
Aufbau der technischen Struktur
Die neue Struktur in SAP sollte sich komplett an den vorhandenen Daten der Access-Datenbank orientieren. Dazu mussten jedoch die Wartungspläne komplett neu im System erzeugt werden. Zusätzlich zum Prozess und zur Datenstruktur definierten die Beteiligten auch die Funktionen des Endgeräts. Neben dem Wartungsplan mit Grenz- und Vorgabewerten sowie einer Historie sollte eine übersichtliche technische Struktur das Suchen von Geräten möglich machen. Zusätzlich wollte InfraServ Knapsack über das Endgerät Meldungen in SAP erzeugen können.
Eine erste Herausforderung stellte sich dem Projektteam beim Aufbau der technischen Struktur im SAP-System. Da der industrielle Dienstleister neben den eigenen Rohr-Fernleitungen in und um den Chemiepark auch fremdbetriebene Fernleitungen betreut, mussten diese im System sauber von den eigenen Leitungen getrennt werden. Ein Beispiel: Rohr-Fernleitungen verlaufen vielfach unterirdisch in Trassen, die mehrere Betreiber nutzen. Wer im Rahmen der Wartung prüfen möchte, ob eine Trasse ordnungsgemäß beschildert ist, muss entweder die ermittelten Werte für jede eigene Leitung separat ans System übergeben oder eine Struktur aufbauen, die es ermöglicht, allgemeine und unternehmensspezifische Daten getrennt zu erfassen und abzurufen. InfraServ Knapsack entschied sich für den zweiten Weg. Er ist zwar in der Programmierung aufwändiger, lässt sich aber später im Tagesgeschäft deutlich besser handhaben.
Barcode oder RFID?
Um im Rahmen der Wartung möglichst wenig manuell eintragen zu müssen, sollte ein Autoidentifikationssystem, wie Barcode und RFID (Radio Frequenzy Identification), eingesetzt werden. Diese Techniken ermöglichen es, Geräte automatisch zu erkennen und Daten direkt auszulesen. Obwohl Barcode-Lösungen in der Regel deutlich günstiger in der Anschaffung sind und bereits im Chemiepark eingesetzt wurden, entschied sich das Projektteam für RFID, da Barcode-Aufkleber im Gegensatz zu RFID-Chips bei Wind und Wetter oder in aggressiven Umgebungen schnell unbrauchbar werden. Hinzu kommt, dass sich auf RFID-Chips Daten nicht nur auslesen, sondern auch ablegen lassen. Beim praktischen Einsatz stellte sich jedoch ein Problem: Die Rohr-Fernleitungen verlaufen in diesem Fall vielfach in der Nähe von Überland-Hochspannungsleitungen mit bis zu 400 000 Volt. Die hier vorhandenen Magnetfelder können das Auslesen der RFID-Einheiten stören. Tests ergaben jedoch, dass die RFID-Chips nur im Niedrigfrequenzbereich beeinflusst wurden, im Hochfrequenzbereich dagegen gut arbeiteten.
Bei der Auswahl der Endgeräte setzte das Projektteam zunächst auf Tablet-PCs, um dem Instandhaltungspersonal zu ermöglichen, viele Hintergrundinformationen, beispielsweise auch großformatige Pläne, vor Ort abrufen zu können. Die Kollegen vor Ort wünschten sich jedoch deutlich handlichere Geräte. Deshalb beschränkte man die Informationstiefe auf das täglich Nötige. Diese Daten ließen sich bequem in ein Gerät integrieren, das nicht viel größer als ein Smartphone ist. Gleichzeitig entschied sich das Team für einen Handheld mit RFID-Pen, da mit einem solchen „Stift“ auch Tags an unzugänglichen Stellen gescannt werden können.
Pilotbetrieb deckt Schwächen auf
Die neue, mobile Instandhaltungslösung wurde im Anschluss sechs Monate im Pilotbetrieb getestet. Anstatt die Daten vor Ort in Listen einzutragen, scannten die Instandhalter nun Daten an den Rohrleitungs-Kontrollpunkten über RFID oder trugen Informationen, z.B. Zustände, direkt in das Handgerät ein. Die Technik im Hintergrund identifizierte dazu den jeweiligen Teil einer Anlage und zeigte die entsprechende Arbeitsanweisung an. Zusätzlich konnten die Mitarbeiter Aufträge und Meldungen in SAP erzeugen sowie Arbeitszeiten und Tätigkeiten aus den Aufträgen zurückmelden. Diese Aufgaben erledigten vorher die Kollegen in der Leitstelle. Sie übertrugen auch die Daten aus den Listen in SAP und Microsoft Access. Die Leitstelle muss diese Daten jetzt nur noch prüfen und abschließen. Dadurch bleibt mehr Zeit für andere Aufgaben.
Am Ende des Pilotbetriebs fragte das Projektteam nach der Zufriedenheit mit Gerät und Anwendung. Zwei Bereiche stießen in der Praxis auf Kritik. So beklagten die Instandhalter zum einen den langsamen Aufbau der Eingabemasken auf dem Endgerät, zum anderen wurden die Prozesse als nicht intuitiv empfunden. Die Projektmitglieder stellten deshalb auf ein leistungsfähigeres Endgerät um und überprüften die Prozesse noch einmal auf ihre Alltagstauglichkeit. Auf Basis der Anregungen konnte der Prozess noch einmal vereinfacht und einige Masken eingespart werden. Um das Verständnis für das System zu steigern, wurden die Instandhalter darüber hinaus in Schulungen mit der Anwendung vertraut gemacht. Der Test der überarbeiteten Lösung viel dann auch durchgängig positiv aus. Zustimmung, die sich seit dem Beginn des Produktivbetriebs im Mai 2010 hält.
Für das erste Quartal 2011 haben sich die Knapsacker eine genaue Analyse der Erfahrungen vorgenommen. Dann sollen eventuell nötige Anpassungen erfolgen. Und aller Voraussicht nach wird die mobile Instandhaltungslösung danach auch in anderen Unternehmensbereichen ausgerollt.
* Der Autor ist Projektleiter Informationstechnik, InfraServ GmbH & Co. Knapsack KG, Hürth.
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