Hannover Messe 2010 Leichter Aufwind für die Prozessautomatisierung
„Vorsichtig optimistisch“ beschreibt am Besten die derzeitige Stimmung in der Prozessautomatisierung. Auch wenn der Aufschwung noch etwas länger auf sich warten lässt, langfristig ist die Prozessautomatisierung wichtigster Partner, wenn es darum geht, Prozesse und Standorte der Prozessindustrien fit zu machen.
Anbieter zum Thema

Die http://www.process.de/hannover-messe ist immer ein wichtiger Stimmungstest für das wirtschaftliche Klima, und das scheint langsam besser zu werden. „Wo im Vorjahr tapferer Optimismus herrschte, spüren wir heute begründete Tatkraft.“ Rund dreieinhalb Wochen vor Beginn der http://www.process.de/hannover-messe vom 19. bis 23. April konstatiert Dr. Wolfram von Fritsch, Vorstandsvorsitzender der DMAG auf der Vorpressekonferenz eine positive Stimmung in der Branche. Das gilt auch für die Ausstellerzahlen. Bislang sind 4600 Unternehmen fest dabei, im Boom-Jahr 2008 waren es 4800 Ausstellern. Allerdings würden sich viele Unternehmen immer später entscheiden, ob sie ausstellen oder nicht, sagt von Fritsch. Während die ersten Firmen schon ihren Stand aufbauten kämen immer noch spät Entschlossene hinzu. „Ein weiteres positves Zeichen ist, dass wir 500 Firmen gewinnen konnten, die noch nie auf der HMI waren.“ Auch die Anzahl der vertretenen Länder sei um fünf Prozent gestiegen – Zeichen für die wachsende Internationalisierung der Veranstaltung.
Mit den beiden neuen internationalen Leitmessen MobiliTec und CoilTechnica erweitert die Messe in diesem Jahr ihr Portfolio. „Wir erreichen damit neue Aussteller“, sagt von Fritsch. „Mit den beiden neuen Leitmessen bauen wir die Stärke der Hannover Messe weiter aus. Jetzt kommen die Vorteile der Horizontalmesse richtig zum Tragen. Denn Innovationen entstehen aus dem Zusammenwirken von Branchen.“
Schon länger etabliert ist die Leitmesse Process Automation (vormals Interkama+), die dieses Mal mit dem Kompetenzzentrum Wireless Automation in der Halle 7 residiert. Zwar war auch für die Prozessautomatisierung das Jahr 2009 schwierig, obwohl sich der Absturz längst nicht so drastisch wie in der Fertigungsautomatisierung darstellte. Aber in diesem Jahr präsentieren sich die Hersteller erst einmal optimistisch.
Energieeffizienz im Fokus
Drei große Schwerpunkt-Themen bewegen die Automatisierer in den Prozessindustrien. Wireless-Lösungen (siehe Expertenmeinung im Kasten), der mühsame Weg zu einer gemeinsamen Sprache bei der Gerätebeschreibung und das Stichwort Energieeffizienz. Mit moderner Automatisierung können in Industrieanlagen in Deutschland nach Angaben des ZVEI bis zu 25 Prozent der eingesetzten Energie eingespart werden. Dies entspricht Treibhausgas-Einsparungen in Höhe von 43 Millionen CO2-Äquivalenten. Die wirtschaftliche Bedeutung des Themas Energieeffizienz und Klimaschutz ist auch für die Hersteller von Messtechnik und Automatisierung interessant. Nach ZVEI-Schätzungen wird der Weltmarkt für Messtechnik und Prozessautomation von 113 Milliarden Euro (2007) auf 213 Milliarden Euro (2020) steigen. Deutsche Unternehmen haben einen Anteil an der Weltproduktion von 12 Prozent (2007) und stehen damit hinter den USA auf dem zweiten Platz. Konservativ geschätzt ist von einem jährlichen Wachstum von fünf Prozent auszugehen. Wesentliche Treiber der Entwicklung sind die weltweit steigenden Investitionen in Energieeffizienz- und Klimaschutzaktivitäten. Mindestens 25 Prozent des Marktvolumens von Messtechnik und Prozessautomation sind grüne Produkte und Systeme bzw. stehen im Zusammenhang mit Energieeffizienz- und Klimaschutzaktivitäten. Dieser Anteil wird bis 2020 voraussichtlich auf 35 bis 40 Prozent steigen.
Auf dem Weg zur Einigung
Ein anderes Thema, das die Messgerätehersteller die vergangenen Jahre intensiv beschäftigt hat, ist die Fragen nach der richtigen Gerätebeschreibung. Lange Zeit haben Hersteller diskutiert, ob die deskriptive (z.B. EDDL) oder eine funktionale (z.B. FDT/DTM) Gerätebeschreibung die bessere sei. Mit fatalen Folgen für die Akzeptanz der digitalen Kommunikation.
Das FDI-Projekt (Field Device Integration), das mittlerweile in vollem Gang ist, soll die Vorteile der beiden Ansätze integrieren. Die FDI-Cooperation besteht aus den Interessenverbänden FDT Group, Fieldbus Foundation, Hart-Communications Foundation, OPC-Foundation und Profibus-Nutzerorganisation sowie den Unternehmen ABB, Emerson, Endress+Hauser, Honeywell, Invensys, Siemens und Yokogawa. Die Arbeitsliste ist lang: Neben der endgültigen Festlegung der auf Mitte 2010 terminierten FDI-Spezifikation will man demnächst gemeinsame Design- und Test-Tools, ein gemeinsames Binärformat sowie einen gemeinsamen Interpreter, übergreifend für das HART-, FF- und Profibus auf den Weg bringen. Bis der Anwender in vollem Umfang von den Vorteilen bei FDI profitiert, sind also noch einige Hausaufgaben zu erledigen. Allen voran muss die Sprache EDDL harmonisiert werden. Bislang erstellten die Gerätehersteller für einen Gerätetyp drei verschiedene EDDs für die Protokoll-Varianten Hart, Profibus und Foundation Fieldbus anstatt einer Kern-EDD mit drei davon klar getrennten Kommunikationsbeschreibungen. Für die Gerätehersteller war dies mit einem gewaltigen Aufwand verbunden.
Drahtlos auf Draht
Seit Jahren widmet sich ein Schwerpunkt in den Messehallen der Zukunft der drahtlosen Technologie. Mittlerweile gibt es sogar in der Prozessindustrie Anwendungen, die gut und sicher funktionieren, wie der Praxistest in der BASF im vergangenen Jahr bewiesen hat. Ärgerlich für die Anwender ist neben dem Dauerbrenner Geräteintegration, dass sich die Hersteller nicht auf einen Standard einigen wollten.
Die Namur forderte im Dezember daher eindringlich einen Standard für drahtlose Sensornetzwerke und keine Standardisierung sogenannter Dual-Boot-Devices zur Kompensation von Inkompatibilitäten zwischen ISA100.11 und WirelessHART.
Ausblick: Neben den alltäglichen Herausforderungen, wie Robustheit, Langzeitstabilität und die reibungslose Geräteintegration werden mit dem Aufkommen neuer Verfahren weitere Aufgaben für die Prozessautomatisierung und Messtechnik anstehen. So steht die Entwicklung von Prozesssensoren für die Bioverfahrenstechnik erst am Anfang. Auch der Trend zur Modularisierung und Prozessintensivierung in der Verfahrenstechnik forciert neue Aufgabenstellungen für die Prozessautomatisierung, die auf Lösungen warten.
Statement Dr.-Ing. Gunther Kegel, Geschäftsführer Pepperl und Fuchs (Bild): WirelessHART – „Wir brauchen einen Standard“
Anwender bestätigen der Technik also nicht nur eine gute Funktionsfähigkeit, sondern zeigen schon jetzt eine Reihe von Anwendungen auf, in denen WirelessHART einen echten Kostenvorteil bietet. Was die Endkunden allerdings bemängeln, ist die unzureichende Einbindung der komplexen Geräte in das Leitsystem und die inkompatiblen Batterien verschiedener Hersteller. Das Thema Geräteintegration ist nicht neu und die Hersteller arbeiten bereits an einem vereinheitlichten Standard zur Geräteintegration – FDI. Es wird interessant, den Fortschritt der FDI-Entwicklung auf der Hannover Messe zu verfolgen. Das Thema „Batterie“ ist neu, aber vollkommen berechtigt. Da die Batterielebensdauer eines WirelessHART-Gerätes etwa fünf Jahre nicht überschreitet, ist ein Batteriewechsel unerlässlich.
Wird der Anwender eine Technologie akzeptieren, die ihn zwingt, 30 bis 40 verschiedene Batterietypen für den Service vorzuhalten? Man darf gespannt sein, wie die Hersteller auf derlei Anforderungen reagieren; erste Ergebnisse werden sicher schon in Hannover präsentiert werden. Gleichzeitig warnt die Namur die Hersteller erneut, zwei Standards im Wettbewerb zu entwickeln, die keinen ausreichend abgrenzbaren Kundennutzen schaffen. Zurzeit vergleicht man mit WirelessHART und ISA100 nicht etwa Äpfel mit Birnen, sondern eher einen kleinen Apfel mit der Zeichnung eines größeren Apfels. WirelessHART-Geräte sind installiert und die Gerätebasis wächst ständig, während ISA100 noch immer nur als Papierversion existiert. Deren Umfang reicht über die relativ schmale Definition von WirelessHART weit hinaus. Während WirelessHART vor allem für die Applikation „Monitoring“ definiert wurde, will die ISA100 mehr. „Control“, „Control-in-the-field“, ja sogar „Safety“ oder „Emergency Shutdown“ sind in den unteren Schichten des ISA100-Stacks vorgesehen. Wie auch immer eine Zusammenführung der Standards aussieht – eine hundertprozentige Rückwärtskompatibilität zur installierten WirelessHART-Basis scheint unumgänglich zu sein. Wie werden die Hersteller auf die deutlichen Worte reagieren? Auch hier wird es in Hannover erste Antworten geben.
* Die Autorin arbeitet als freie Redakteurin für PROCESS.
(ID:20754550)