PAT-Initiative IT-Integration hilft bei Umsetzung von PAT
PAT betrifft die Veränderung aller Prozesse von der Forschung über die Produktion bis hin zur Qualitätssicherung. Der Einsatz moderner IT- und Automationstools soll helfen, den Geschäftsprozess flexibler, bereichsübergreifend und transparenter zu gestalten. So lassen sich die hohen Produktionskosten in der Pharmaindustrie senken, die u. a. durch niedrige Auslastung der Produktionsanlagen und eine kapital- und arbeitsintensive Produktion begründet sind.
Anbieter zum Thema
Mit der PAT-Initiative und der 2004 verabschiedeten Empfehlung „PAT – A Framework for Innovative Pharmaceutical Development, Manufacturing, and Quality Assurance“ stellt die FDA einen Ansatz zu einer innovativen Pharmaproduktion mit reproduzierbarer und hoher Qualität vor. PAT steht für „Process Analytical Technolgy“ und dient dem besseren Verständnis und der Kontrolle pharmazeutischer Herstellprozesse. Als „System zur Analyse und Kontrolle des Herstellprozesses auf Basis der permanenten Messung kritischer qualitätsrelevanter Parameter“ ist PAT nicht als einzelnes Projekt in der Herstellung sondern als kontinuierlicher Prozess zu verstehen, der bereits zu Beginn der Produktentwicklung ansetzt und alle Abteilungen betrifft. Dies bedeutet auch einen Wandel vom Produktzentrierten zu einem Prozesszentrierten Workflow in der Produktion, Qualitätssicherung sowie Forschung & Entwicklung.
Zu den vier Schlüsselelementen von PAT gehören:
Quality by Design: Ziel ist es, die Qualitätssicherung nicht nur auf Tests während des Herstellprozesses aufzubauen, sondern die Produktqualität von Anfang an mit in den Produktionsprozess „einzubauen“. Die Entwicklung eines einfachen und robusten Herstellprozesses, bei dem möglichst wenige Parameter Einfluss auf die Produktqualität haben, erfordert dabei eine intensive Kommunikation zwischen Forschung und Produktentwicklung, und das bereits zu einem möglichst frühen Zeitpunkt.
Process Understanding: Um die Flexibilität in der Produktion zu gewährleisten, müssen diese einzelnen Parameter und deren Auswirkungen auf den Herstellprozess sicher beherrschbar sein und es muss klare Qualitätskriterien geben. Bei Einhaltung vorgegebener Herstellvorschriften dürfte es dann eigentlich keine non-konformen Batches mehr geben.
Continous Improvement: Wenn der Produktionsprozess mit all seinen Parametern verstanden wird, ist er auch beeinflussbar, d.h. er kann verbessert werden: Die im Laufe des Lebenszyklusses des Produktes gesammelten Erkenntnisse in Herstellprozess und Anwendung sollten in ein Change Control-Management einfließen, um wichtige Optimierungspotenziale zu identifizieren und auszuschöpfen.
Real Time Release: Damit wird der Wandel vom Qualitätstest jeweils am Ende eines Herstellschrittes hin zu einem kontinuierlichen Monitoring aller qualitätsrelevanten Parameter während des Herstellprozesses beschrieben. Eine prozessbegleitende Qualitätssicherung ermöglicht eine zeitnahe Produktfreigabe auf Basis von Prozessinformationen (Process Analytical Data) und spart durch die frühzeitige Analyse der Produktqualität erhebliche Material- und Aufwandskosten.
Erfolgreiche Umsetzung von PAT
Die Herausforderungen bei der Implementierung von PAT in der Praxis sind sowohl technischer als auch organisatorischer Struktur. PAT-Initiativen benötigen einen technischen Rahmen, um die verschiedenen Prozesse von der Forschung über die Produktion bis hin zur Qualitätssicherung zu verbinden. Um die außerordentlich großen Informationsmengen über den gesamten Lebenszyklus zusammenzuhalten, bedarf es modernster Mittel der Informationstechnologie. Die FDA empfiehlt deshalb den Einsatz und die Vernetzung verschiedener Kategorien von Werkzeugen und Methoden zur Prozessanalyse, zur on-/inline chemischen Analyse und zum Wissensmanagement.
Die Rolle der IT-Integration
Die meisten Tools, die eine PAT-Initiative unterstützen, beschränken sich auf jeweils eine spezifische Aufgabenstellung oder einen Prozessabschnitt. Zentrales Problem sind die derzeit bestehenden Dateninseln, die gleichzeitig Wissensinseln darstellen. Die Herausforderung ist es, die Daten und Informationen der einzelnen Tools technisch und organisatorisch so zu verbinden, dass neue Erkenntnisse möglich werden. Der IT-Integration kommt deshalb eine entscheidende Rolle im Rahmen der Realisierung von PAT-Projekten zu.
Eine PAT-Systemumgebung sollte als Service Orientierte Architektur (SOA) aufgebaut werden, in deren Mittelpunkt idealerweise ein webbasiertes Portal steht, das sämtliche Daten aus verschiedenen Datenquellen integriert, aufbereitet und anwenderspezifisch in gewünschter Form visualisiert, z.B. als KPIs oder Dashboards. Bei Abweichungen von Grenzwerten, Batchlaufzeiten oder anderen Kriterien erfolgt über das Portal eine automatische Information und Alarmierung des jeweiligen Personenkreises.
Der wesentliche Vorteil eines Portals besteht darin, dass die Daten in den schon vorhandenen Systemen verbleiben. Damit werden unnötige Datenreplikationen und inkonsistente Datenbestände vermieden. Es wird immer nur mit aktuellen Daten aus den unterlagerten Zielsystemen gearbeitet. Voraussetzung dafür ist die Integrationsfähigkeit verschiedenster Systeme durch leistungsfähige Konnektoren. Eine geeignete Portallösung, die diese Voraussetzungen erfüllt, ist z.B. SAP MII (Manufacturing Integration and Intelligence), das Trebing & Himstedt als SAP Special Expertise-Partner insbesondere im Pharmaumfeld in verschiedenen Projekten erfolgreich implementiert hat.
Bedeutung von offenen Standards
Die größte Herausforderung von PAT-Projekten ist die standardisierte prozess-übergreifende Datenintegration. Durch die Nutzung von offenen Standard-Schnittstellen wie OPC für die Automationsebene, und XML bzw. Web-Services zu MES/ERP/LIMS Software können heute zahlreiche Systeme leicht integriert werden. Deshalb sollte bei der Beschaffung neuer Systeme unbedingt auf solche Schnittstellen geachtet werden.
In der heutigen Praxis erfolgt beispielsweise bei PAT-Sensoren mit herstellerspezifischen Schnittstellen die Parametrierung und Auswertung der Daten in spezifischen Softwarepaketen der Lieferanten. Die meist aus dem Laboreinsatz kommenden Systeme sind allerdings oft nicht für den kontinuierlichen, integrierten Produktionseinsatz geeignet. Zur Speicherung der kontinuierlich im Herstellprozess anfallenden Daten, die zum Teil im Millisekundenraster zu verarbeiten sind und für weitere Online- oder Offline-Analysen bereit gestellt werden müssen, bietet sich als Data Repository deshalb ein leistungsfähiges Historian an, wie z.B. RAPID-Pharma. Offene Standard-Schnittstellen wie OPC sind leistungsfähig genug, um die anfallenden Daten von den PAT-Analysegeräten und intelligenten Sensoren in das Historian zur Speicherung und Verarbeitung zu übertragen. Das Historian wiederum kann ein Baustein des PAT-Portals sein, in dem alle relevanten Daten zusammen fließen. Insgesamt kann so die Datenhaltung zentriert und die Anzahl der Auswertungen effektiv reduziert werden.
Fazit
Die meist interdisziplinär zusammengesetzten PAT-Projektteams müssen die Systemintegration „ihrer“ jeweiligen Tools gewährleisten. Die IT hat die meiste Erfahrung bei der Analyse und Umsetzung von Geschäftsprozessen, deshalb sollte sie nicht nur als Dienstleister für Infrastruktur betrachtet werden, sondern eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung übernehmen und so früh wie möglich hinzugezogen werden. Für einen erfolgreichen Projektverlauf ist es deshalb nötig, die Grenzen zwischen Automation und IT zu überwinden. Technisch sollte schon zu Beginn des PAT-Projektes nicht nur auf die Nutzung von Industrie-Standards (z.B. OPC), sondern auch auf die Definition der Daten und Datenmodelle über alle Prozessschritte hinweg geachtet werden. Herstellerspezifische Datenformate, Softwarepakete und Schnittstellen sollten generell vermieden werden. Empfehlenswert ist der Aufbau eines zentralen PAT-Datenarchives und PAT-Portals.
Der Autor ist Geschäftsführer von Trebing & Himstedt Prozessautomation GmbH & Co. KG, Schwerin.
(ID:259241)