DART Interview: DART bewirkt Paradigmenwechsel im eigensicheren Explosionsschutz

Redakteur: Gerd Kielburger

Hinter dem Akronym DART verbirgt sich eine gemeinsam von Pepperl+Fuchs und der Physikalisch Technischen Bundesanstalt (PTB) entwickelte Technologie, die den eigensicheren Explosionsschutz völlig neu definieren kann. Im Frühjahr 2009 könnten erste Produkte für den Markt zu Verfügung stehen. Dr. Gunther Kegel, Geschäftsführer von Pepperl+Fuchs im exklusiven PROCESS-Interview.

Anbieter zum Thema

PROCESS: Herr Dr. Kegel, gemeinsam mit der PTB macht sich Ihr Unternehmen auf den Weg die Eigensicherheit neu zu definieren. Was verbirgt sich hinter DART?

Dr. Kegel: Das Akronym DART steht für Dynamic Arc Recognition and Termination und ist eine dynamische Methode des eigensicheren Explosionsschutzes. Während Eigensicherheit bisher immer die elektrische Leistung auf der Leitung unterhalb der Zündgrenzkurven gewährleisten musste, erlaubt DART die Einspeisung sehr viel größerer Leistungen. Die Entstehung eines Funkens wird messtechnisch erfasst und der Funke wird in weniger als 10 µs – also bevor der Funke genügend Energie gespeichert hat, um zu einer Zündung zu führen – durch Ausschalten der Energiezufuhr sicher gelöscht.

PROCESS: Wie stufen Sie diese Entwicklung historisch ein – als technologische Revolution oder eher Evolution?

Dr. Kegel: DART ist ein Paradigmenwechsel: Leistung wird zum Zwecke des eigensicheren Explosionsschutzes nicht mehr limitiert, sondern die Funkenbildung dynamisch überwacht und verhindert – insofern sicher eine technische Revolution. Unsere Zielindustrien allerdings betreiben Anlagen mit Standzeiten von 25 Jahren und mehr und müssen Gefahren für Menschen, Umwelt und Vermögen in einem erheblichen Umfang absichern. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass auch vielversprechendste Technologien in der Prozessindustrie keine revolutionäre, sondern doch eher evolutionäre Verbreitung finden.

PROCESS: Haben Sie eine Kalkulation erstellt, wie viele Geräte durch die Leistungserweiterung eigensicherer Stromkreise (von derzeit maximal 2 Watt) auf bis zu 50 Watt in die Klassifizierung „Eigensicher“ überführt werden könnten?

Dr. Kegel: ‚The sky is the limit‘ könnte man hier sagen. 50 Watt sind mehr, als jeder handelsübliche Laptop an Leistung aufnimmt. Ganze Bedienstationen, aber auch Analysegeräte, Leistungsventile etc. lassen sich mit DART eigensicher einspeisen. Die Eigensicherheit kann so zur dominanten Methode des elektrischen Explosionsschutzes überhaupt werden.

PROCESS: Sie bieten mit „PowerHub“ und „Segment Protector“ erstmals zwei Gerätefamilien der neuen Technologie an: für Feldbusse und High-Power-Anwendungen. Warum sind diese Unterscheidungen notwendig?

Dr. Kegel: Auch in der Feldbustechnik sind wir mittlerweile Marktführer für eigensichere Feldbus-Installation geworden und viele unserer Kunden bemängeln, dass wir mit unserer „High Power Trunk“-Philosophie zwei elektrische Explosionsschutzarten ex-e und ex-i mischen. Mit DART werden bei vergleichbaren Leistungsdaten sowohl der „Trunk“ (Verbindung vom Host zur Field Barrier) als auch die „Spurs“ (Verbindung von der Field Barrier zum Feldgerät) eigensicher. Da wir den durch das Gehäuse vorgegebenen Formfaktor aber nicht ändern wollten, haben wir hier die DART-Parameter auf 25 V/360 mA beschränkt. Dass die neue Technologie noch viel mehr kann, zeigen wir mit einem eigensicheren 50 Watt High Power DART-Einsspeisebaustein, der eigensichere DART-Geräte unterschiedlicher Hersteller eigensicher versorgt.

PROCESS: Können weitere Segmente folgen?

Dr. Kegel: Mit Sicherheit werden andere Segmente folgen, aber das hängt natürlich sehr stark von den Geräteherstellern ab, die die DART-Technologie nutzen wollen.

PROCESS: Gibt es Applikationen bei denen der Einsatz der DART-Technologie keinen Sinn macht?

Dr. Kegel: DART ist nur eine Möglichkeit des elektronischen Explosionsschutzes, der durch die hohe verfügbare Leistung viele neue Applikationen erschließt. Geräte, die beispielsweise druckfest gekapselt sind, können durchaus noch immer sinnvoll sein, wenn zum Beispiel der mechanische Schutz aus anderen Gründen ohnehin erforderlich ist.

PROCESS: Welche Entwicklung kann oder soll Ihre Neuentwicklung jetzt in der Ausrüsterindustrie auslösen?

Dr. Kegel: Wir reden zurzeit mit einer ganzen Reihe von Herstellern, die hoffentlich sinnvoll Einsätze von DART in ihren Geräten identifizieren und mit uns gemeinsam die Implementierung vorantreiben.

PROCESS: Können Sie die Kostenersparnis durch die neue Technologie für Anwender schon beziffern?

Dr. Kegel: Wenn Sie heute zum Beispiel eine Bedienstation mit Display und Tastatur in Zone 1 betreiben wollen, ist dazu eine aufwändige Kapselung notwendig, die auch an die Gehäusekonstruktion erhöhte Anforderungen stellt. Zwischen einer Bedienstation im sicheren Bereich und der Zone-1-Ausführung liegt deshalb ein Preisfaktor von drei bis vier. Die Hälfte dieser Mehrkosten könnte man, so schätzen wir, mit DART einsparen.

PROCESS: Sie haben angekündigt die DART-Technologie gegebenenfalls in einer Foundation zu öffnen. Warum wollen Sie sich den Wettbewerbsvorteil nicht alleine sichern?

Dr. Kegel: Bei DART handelt es sich eine grundlegende Technologie, die sich nur durchsetzen wird, wenn möglichst viele Anbieter Lösungen in den Markt bringen, die auf dieser Technologie aufsetzen. Anwender machen sich technologisch nur sehr ungern von einem einzigen Lieferanten abhängig. Ob eine Foundation oder ein Lizenzmodell hier der richtige Weg ist, wissen wir noch nicht.

PROCESS: Können Sie sich auch einen DART-User-Club vorstellen?

Dr. Kegel: Warum nicht – den Anwender in Produktentwicklungen einzubinden, ist immer ratsam, wenn man Akzeptanzprobleme vermeiden will und in den Design-Prozess von Beginn an eine gewisse Anwendungsnähe hineinbringen möchte.

PROCESS: Wie schnell kann sich diese neue Technologie aus Ihrer Sicht als Standard im Markt eta-blieren?

Dr. Kegel: Endgültig wird DART zum Standard, wenn die entsprechenden Normen diesbezüglich erweitert sind. Die europäische Atex-Richtlinie und die dazu korrespondierenden Normen werden im Zyklus von etwa drei Jahren überarbeitet. Spätestens dann ist DART auch ein international anerkannter Standard.

PROCESS: Herr Dr. Kegel, wir danken für das Gespräch.

Artikelfiles und Artikellinks

(ID:253784)