Mobile Abwasserstation Innovative Automatisierung mobiler Abwasserpumpwerke

Autor / Redakteur: Dipl.-Ing. Wigbert Glorius / Dr. Jörg Kempf

Viele Industrieunternehmen müssen ihr Abwasser vorbehandeln, bevor es in die öffentlichen Kläranlagen eingeleitet werden darf. Dabei kommt es durchaus vor, dass Abwasserkanäle saniert und daher trocken gehalten werden müssen. Die Stadtentwässerung Braunschweig hat hierfür eine mobile Abwasserstation entwickelt, die sich effizient betreiben und überwachen lässt.

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Auch Abwasserleitungen müssen – oftmals kurzfristig – überholt werden. Im laufenden Betrieb eine besondere Herausforderung ...
Auch Abwasserleitungen müssen – oftmals kurzfristig – überholt werden. Im laufenden Betrieb eine besondere Herausforderung ...
(Bild: Phoenix Contact)

Im laufenden Betrieb eines verzweigten, fast 1400 Kilometer langen Kanalnetzes passiert es immer wieder, dass Abwasserleitungen kurzfristig überholt oder einzelne Leitungsteile aufgrund von Kanalarbeiten trocken gehalten werden müssen. In diesen Fällen verwenden die Mitarbeiter der Stadtentwässerung Braunschweig (SE|BS) mobile Abwasserpumpwerke. Diese leiten das Abwasser, das normalerweise durch die unterirdischen Rohre strömt, über provisorische, über der Erde verlegte Leitungen um.

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In der Vergangenheit setzten sich die mobilen Pumpwerke aus einem Dieselaggregat zur Stromerzeugung, einem Leistungsteil für den Betrieb der großen, elektrisch angetriebenen Pumpe sowie einer Mobilfunk-Meldeeinheit zusammen. In der Praxis hat sich die Lösung als unflexibel erwiesen, denn jedes Meldegerät ist einem bestimmten Leistungsteil fest zugeordnet. Außerdem musste bei jedem Einsatz zeitintensiv geprüft werden, ob alle Meldungen korrekt im Leitsystem ankommen. Da das System aus den 1980er Jahren stammt, ist eine Ersatzteilversorgung nicht mehr sichergestellt. Überdies kommuniziert die Meldeeinheit nur Störmeldungen in Form von Meldelinien und keine Betriebsmeldungen oder Höhenstände. An das zentrale Leitsystem lässt sich das System lediglich mit erheblichem Aufwand anbinden.

Vor diesem Hintergrund geschah es in der Vergangenheit durchaus, dass der Ausfall eines Pumpwerks nicht an die Leitzentrale gemeldet wurde. Es erfolgte bislang auch keine Überwachung der Live-Daten. Ein weiterer Nachteil der bisherigen Lösung resultiert aus der Emissionsbelästigung der Anwohner durch das Dieselaggregat. Daher suchte Fabian Arlt, bei der SE|BS als Elektroniker beschäftigt, nach einer besseren Lösung zum Betrieb der mobilen Abwasserpumpwerke. Im Rahmen einer Schulung hatte er die Steuerungen und die zugehörige Programmierumgebung PC Worx sowie das Visualisierungs-Tool Web-Visit von Phoenix Contact kennengelernt. Aus den Möglichkeiten der Hard- und Software erarbeitete Arlt einen neuen, kostensparenden Ansatz: eine modular aufgebaute mobile Abwasserstation.

Variable Kopplung

Die neue Lösung umfasst drei unabhängige Einheiten, die variabel miteinander gekoppelt werden können: das Notstromaggregat, einen Schaltschrank mit dem Leistungsteil sowie einen weiteren Schaltschrank, der als Steuer- und Meldeeinheit fungiert. Aus dem Steuerschrank zweigen zwei Kabel mit 16-poligem codierten Steckverbinder ab. Wegen der Codierung können die Leitungen nicht vertauscht werden. Das erste Kabel wird in das Notstromaggregat gesteckt, während die zweite Leitung dem Anschluss an den Schaltschrank mit integriertem Leistungsteil dient. Der Steuerschrank erkennt selbständig, welche Module an ihn angebunden wurden und unterscheidet bei den Leistungsteilen nach Einpumpen- oder Zweipumpen-Leistungsteil.

Die jeweilige Stecker-Codierung aktiviert anschließend die entsprechenden Programme in der Steuerung. Wenn das Leistungs- und Steuerteil miteinander gekoppelt sind, sendet das Messgerät Vegamet 624, das im Schaltschrank mit dem Leistungsteil installiert ist, den Füllstand des Abwasserkanals per 4…20 mA-Signal an die SPS. Diese steuert die Pumpe nun gemäß den Einschaltpunkten, die der Mitarbeiter entweder über das vor Ort im Steuerschrank eingebaute Panel oder das Leitsystem vorgeben kann. Das Leistungsteil lässt sich aber auch ohne Steuerteil betreiben, dann regelt die Höhenstandmessung die Pumpen.

Zehn Stunden ohne Netz

Für die unterschiedlichen wasserwirtschaftlichen Aufgaben bietet eine Vielzahl von Herstellern passende Komponenten an. Durch den Einsatz der Steuerungen von Phoenix Contact fügen sich die verschiedenen Geräte so in das Gesamtkonzept des Abwasserpumpwerks ein, dass der Nutzer des Leitsystems nichts von der Herstellervielfalt bemerkt. Fabian Arlt berichtet: „Mit der neuen Lösung können wir uns die aktuellen Betriebszustände der mobilen Stationen jederzeit im zentralen Leitsystem anzeigen lassen. Außerdem ist es möglich, die Pumpstationen von hier aus ein- und auszuschalten. Und wir bemerken sofort, wenn eine Pumpstation nicht mehr erreichbar ist“.

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Im zentralen Steuerschrank ist eine unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) der Produktfamilie Trio verbaut. Auf diese Weise arbeitet die Gesamtlösung auch ohne Netzanbindung respektive Notstromaggregat bei vollem Betrieb bis zu zehn Stunden weiter. Wenn der Schaltschrank mit integriertem Leistungsteil an die zentrale Steuereinheit angekoppelt wird, übernimmt die Spannungspufferung des Steuerschranks die Versorgung der Messtechnik im Leistungsschrank.

In die SPS ist eine Intelligenz programmiert, die eine automatische Steuerung und Überwachung des Aggregats erlaubt. Es läuft also nicht mehr wie früher durch, sondern schaltet sich lediglich ein, sofern Energie für die Pumpe benötigt wird oder die USV aufgeladen werden muss. So reduziert sich die Lärm- und Umweltbelastung. Zudem spart die SE|BS Energie ein, denn das Dieselaggregat muss nicht mehr ohne Last arbeiten.

Der zentrale Steuerschrank ist mit einem Panel vom Typ TD 1030T von Phoenix Contact ausgestattet. Über das Panel können die Mitarbeiter die Station bedienen und Sollwerte variabel einstellen. Zudem hat Fabian Arlt eine Fehlerliste in das Panel eingebaut: „Damit kann der Bediener in Klartext lesen, wann welches Ereignis am mobilen Abwasserpumpwerk aufgetreten ist.“

Priorisierte Alarm-Meldung

In die SPS, die die Applikation steuert, wurde ein Fernwirkprotokoll implementiert. Zur Weiterleitung der Meldungen vom Pumpwerk zum Leitsystem kommt das Modbus-basierte ODP-Protokoll von Videc zum Einsatz. ODP kann zwischen Alarmen und historischen Werten unterscheiden, folglich Informationen priorisiert übermitteln. Die Daten, die sich über das Protokoll feingranular konfigurieren lassen, werden via GPRS kommuniziert, der Datenverkehr auf der Mobilfunkstrecke lässt sich somit eingrenzen. Das ODP-System verfügt über einen OPC-Server, sodass es der Anwender einfach an unterschiedliche Leitsysteme ankoppeln kann.

Fazit: „Mit der neuen Lösung haben wir jetzt ein einheitliches und durchgängiges System vom Feldgerät bis in die Leitebene“, erklärt Timo Grünhoff, Teamleiter Bereich BTL (Betrieb Technik – Leitsysteme) bei der SE|BS. „Auf diese Weise können wir die mobilen Pumpwerke effizienter betreiben und überwachen.“

* W. Glorius, Industriemanagement Infrastruktur, Phoenix Contact Deutschland GmbH, Blomberg.

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