EU-Chemikalienverordnung Industrie wünscht sich mehr Standardisierungen für Reach
Seit 10 Jahren ist die EU-Chemikalienverordnung Reach in Kraft. Bei dem Praktikertreffen der Akademie Fresenius in Köln diskutierten Industrievertreter aktuelle Entwicklungen und gesetzliche Anpassungen. Die Experten forderten mehr Standardisierungen. Zudem ist die Industrie gerade dabei, neue Lösungen für eine bessere Prozessdokumentation zu entwickeln.
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Köln – In diesem Jahr jährt sich das Inkrafttreten der EU-Chemikalienverordnung Reach – Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals zum zehnten Mal. Für die Unternehmen, die Ihre Stoffe bei der EU-Chemikalienagentur (ECHA) registrieren, bleibt aber wenig Zeit für Festakte: Im Mai 2018 endet die dritte Registrierungsfrist (Reach 2018). Bis dahin müssen die Unternehmen bereits vorregistrierte Stoffe, die in einer Menge von 1 bis 100 Tonnen pro Jahr (t/a) hergestellt oder importiert werden, anmelden.
Das Fresenius Anwenderforum „Reach für Praktiker“ am 15. und 16. November in Köln bot Stoffherstellern, Anwendern und Importeuren wichtige Hilfestellung für die Registrierung. Volker J. Soballa von Evonik Industries zog eine vorläufige Bilanz der dritten Reach-Registrierungsphase. Seinen Recherchen zufolge kommt knapp ein Drittel der Registrierungsanträge in der dritten Phase aus Deutschland. Soballa bemängelte die Planungsunsicherheit insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen. So sorge zum Beispiel die spezielle Plattform SIEF für Verwirrung: Das Forum zum Austausch von Stoffinformationen (substance information exchange forum, SIEF) ist eine spezielle Plattform für die Zusammenarbeit im Hinblick auf eine Reach-Registrierung, die von den Mitregistranten organisiert und in der Regel durch eine Vereinbarung formalisiert wird. Oft sei den Beteiligten aber unklar, wie viele Mitregistranten im SIEF tatsächlich registrieren wollen, so Soballa.
Software Iuclid 5 ab jetzt in der Cloud
Zur Datenaufbereitung und Speicherung von Informationen über Chemikalien steht unter Reach die Software Iuclid 5 zur Verfügung. Seit diesem Jahr gibt es auch eine Cloud-Variante, die die Installation auf dem eigenen Rechner überflüssig macht. Die Veröffentlichung weiterer Servicefunktionen ist für November dieses Jahres geplant.
Soballa warf auch einen Blick auf Reach nach dem Brexit. Er betrachtet das Thema mit gemischten Gefühlen. Einerseits sei Umweltrecht seit jeher sehr von den Einzelstaaten geprägt, da die EU hier nur den Rahmen setze. Andererseits hat Großbritannien mit einem pragmatischen die bisherige EU-Chemikalien-Gesetzgebung mitgeprägt und ein Gegengewicht zu regulierungsfreudigeren nordischen Staaten gebildet. „Dieses Gegengewicht wird uns bei den zukünftigen Verhandlungen fehlen“, bewertete Soballa den möglichen Brexit aus Sicht der Industrie. Die Gesamtkosten eines Austritts Großbritanniens aus der EU für das Reach-System sieht Soballa in „zweistelliger Millionenhöhe“. „Die Auswirkungen hätten also eher untergeordneten Einfluss“, so der Experte.
Industrie drängt auf standardisierte und vereinfachte Zulassung
Andrea Paetz vom Bayer-Konzern betrachtete in ihrem Vortrag die Möglichkeiten eines standardisierten und vereinfachten Zulassungsverfahrens und stellte die Ergebnisse eines Projekts von Industrie und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Baua) vor.
Für die Industrie bedeuten die Zulassungsverfahren unter Reach einen hohen zeitlichen und materiellen Aufwand: „Um nichts falsch zu machen, wird der Zulassungsantrag immer länger“, beobachtet Paetz. Deshalb drängt die Industrie darauf, die Zulassungsanträge zu vereinfachen und zu standardisieren. Bayer hat gemeinsam mit der Baua Vorschläge erarbeitet und mit der Europäischen Chemikalienagentur ECHA diskutiert. Daraufhin hat die Agentur einige Vorschläge in ihre Anleitung „How to apply for authorization aufgenommen“. Allerdings gebe es immer noch keine Untergrenze für die Autorisierung von Kleinstmengen, wie Paetz bemängelte. Auch gebe es für Stoffe in geschlossenen Kreisläufen weiterhin keine Ausnahmen und keine vereinfachte Zulassung.
Medienbrüche bei der Übermittlung von Sicherheitsdatenblättern vermeiden
Einen Blick auf die gesamte Lieferkette unter Reach warf Helmut Möbus vom Baufarbenhersteller DAW. Gemeinsam mit Berufsgenossenschaften der Bauwirtschaft hat die DAW eine Lösung zum digitalen Austausch von Sicherheitsdaten in der Lieferkette entwickelt. Obwohl heute viele Betriebe für die Erstellung von Sicherheitsdatenblättern bereits spezielle Software einsetzen, dominiert in der Lieferkette nach wie vor eine papierbasierte Übermittlung von Daten und Informationen. Es gibt noch keinen elektronischen Standard. Im Rahmen des geförderten Projekts SDB Transfer haben die DAW und ihre Partner einen durchgängigen elektronischen Prozess für den elektronischen Austausch von sicherheitsrelevanten Daten in der Lieferkette der Bauwirtschaft entwickelt. „Mit der Etablierung eines digitalen Sicherheitsdatenblattes können bestehende Medienbrüche beseitigt und wichtige Beiträge zur Kostenreduzierung geleistet werden“, so Möbus. Er will den Ansatz weiterverfolgen und wünscht sich weitere Partner, die ebenfalls auf das digitale Sicherheitsdatenblatt setzen.
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