Anlagen-/Apparatebau Große Leistung mit Mikrostrukturen
Die effiziente und kontrollierbare Wärmeübertragung zählt zu den Schlüsselproblemen in der chemischen Verfahrenstechnik. Viele Prozesse müssen unter suboptimalen Bedingungen, unter Zusatz von Lösungsmitteln oder unter Verwendung indirekter Reaktionswege betrieben werden, da die erzeugte Wärme in konventionellen Apparaten nicht schnell genug abgeführt werden kann.
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Die effiziente und kontrollierbare Wärmeübertragung zählt zu den Schlüsselproblemen in der chemischen Verfahrenstechnik. Viele Prozesse müssen unter suboptimalen Bedingungen, unter Zusatz von Lösungsmitteln oder unter Verwendung indirekter Reaktionswege betrieben werden, da die erzeugte Wärme in konventionellen Apparaten nicht schnell genug abgeführt werden kann.
So genannte Mikrostrukturapparate bieten hier vielfach eine praxisgerechte Lösung – nicht nur für das Labor, sondern auch bereits im Produktionsmaßstab. Seit einigen Jahren bereits werden am Forschungszentrum Karlsruhe Mikroreaktoren, Mikrowärmetauscher und Mikromischer für die chemische Prozesstechnik entwickelt. Solche Mikrostrukturapparate haben charakteristische Maße im Sub-Millimeter-Bereich und besitzen dementsprechend extrem geringe Abstände zwischen Wärmeerzeugung und Wärmeabtransport bzw. zwischen den zu mischenden Reagenzien.
Zusammen mit dem extrem hohen Oberfläche/Volumen-Verhältnis von bis zu 30000 m2/m3 führen diese Eigenschaften zu Wärmeübertragungskapazitäten und Mischleistungen, die um Größenordnungen über denen konventioneller Apparate liegen. Somit kann eine bisher nicht erreichte, äußerst präzise Temperaturkontrolle von chemischen Umsetzungen erreicht werden, was zu einer Erhöhung der Selektivität und schlussendlich zu einer höheren Ausbeute des Zielprodukts führt.
Die hohe Überdruckfestigkeit aller Mikrostrukturapparate und ihre explosionshemmende Wirkung tragen darüber hinaus erheblich zur Betriebssicherheit bei - ein beruhigender Gedanke, wenn man mit giftigen und/oder explosiven Stoffen umgeht. Mikrostrukturapparate bzw. Mikroreaktionssysteme können so als vielseitiges Werkzeug zur beschleunigten Optimierung von Prozessparametern bei der Entwicklung neuer kontinuierlich betriebener Verfahren und zur Weiterentwicklung bekannter Verfahren genutzt werden.
Nicht nur das: Aufgrund der einfachen Skalierbarkeit der Apparate können neu entwickelte Verfahren schnell vom Labor in die industrielle Produktion umgesetzt werden.
Prozessoptimierung der Ethanoloxidation
Um zu beweisen, dass Mikrostrukturapparate optimale Werkzeuge für die schnelle Optimierung und Neuentwicklung von Prozessen mit Flüssig/Flüssig-Reaktionen sind, wurde als Testreaktion die homogen katalysierte Oxidation von Ethanol zu Essigsäure mittels 35-prozentigen Wasserstoffperoxids untersucht. Diese Reaktion kann mit unverdünntem Ethanol in konventionellen Rührkesseln nicht durchgeführt werden; es kommt immer wieder zu Oszillationen und die Ausbeute schwankt zwischen 30 und 95 Prozent. Erwartungsgemäß war diese extrem exotherme Reaktion (DH = -730 kJ/mol) selbst mit mikrostrukturierten Apparaten mit standardisierten Rohranschlüssen nicht kontrollierbar, da das nicht temperaturkontrollierte Totvolumen in den Anschlüssen im Vergleich zum mikrostrukturierten Reaktionsvolumen zu hoch war.
Daher wurde ein modular aufgebautes Mikroreaktionssystem entwickelt, dessen Module mit standardisierten Flanschen verbunden werden (Bild oben). Das hier vorgestellte System weist zwischen den einzelnen Modulen ein nicht temperaturkontrolliertes Totvolumen von weniger als 0,1 cm3 auf. Es bietet die Möglichkeit, eine nahezu beliebig lange Reaktionsstrecke mit genauer Temperatursteuerung aufzubauen. Dabei wird die bei Mikrostrukturbauteilen gewohnt hohe Wärmeabfuhr- bzw. Wärmezufuhr-Leistung erreicht.
Die Module sind im Einzelnen sechs Zentimeter lang und arbeiten als Kreuzstrom-Wärmeübertrager. Mischer, die ebenfalls totraumarm angeflanscht werden können, sind ebenfalls verfügbar. In einem modular aufgebauten Mikroreaktionssystem mit einem Mischer und vier Reaktormodulen konnte die Oxidation von Ethanol bei einem Gesamt-Massenstrom von 3,7 kg/h und einem Ethanol-Massenstrom von etwa 700 kg/h sicher durchgeführt werden. Es wurden drei Kilowatt thermische Leistung abgeführt, Selektivität und Ausbeute lagen bei über 99 Prozent.
Vom Rührkessel zur kontinuierlichen Prozessführung
Zusammen mit DSM Fine Chemicals sollte gezeigt werden, dass die Umstellung vom Rührkessel zu kontinuierlich betriebenen Anlagen mit Mikrostrukturapparaten bei der Produktion von Feinchemikalien die postulierten ökologischen und ökonomischen Vorteile bietet. Dazu wurde eine Reaktion mit sehr hohen apparatebaulichen Ansprüchen ausgewählt, die zwar im Rührkessel zufriedenstellend, aber nicht optimal durchzuführen ist. Die Reaktion ist hochexotherm, sehr schnell und die Reagenzien sind zum Teil korrosiv, toxisch, viskos und bei den Reaktionsbedingungen instabil.
Für die Untersuchungen im Labor wurde ein flexibles Mikromischer-Mikroreaktor-Kombinationsbauteil entwickelt, das einen Durchsatz von etwa einem Kilogramm/Stunde bei einem Druckverlust von 4 bar erlaubt. Kernstücke sind ein mikrostrukturierter Zyklonmischer und eine mikrostrukturierte Folie aus Hastelloy C22, die auf der einen Seite die Reaktionskanäle und auf der anderen Seite die Kühlkanäle trägt (Bild oben rechts). Sowohl der Mischereinsatz als auch die Reaktionsfolie können leicht gereinigt und gewechselt werden. Mithilfe dieses Apparats wurden Reaktionsparameter wie Temperatur, Verweilzeit und Stöchiometrie optimiert und die erforderliche Wärmeabfuhrleistung ermittelt.
Die gewonnen Daten wurden zur Auslegung und Konstruktion des mikrostrukturierten Produktionsreaktors verwendet. Vor allem hier war die Devise „nur so klein wie nötig“ wichtig. Die Dimensionen der Misch-, Reaktions- und Kühlkanäle des Produktionsreaktors wurden mithilfe von CFD-Simulationen und wärmetechnischen Berechnungen so ausgelegt, dass die benötigte Wärmeabfuhr bei geringst möglichem Druckverlust erreicht wird. Es wurden Kanaldurchmesser von mehreren hundert Mikrometern gewählt (der Vorteil: Ablagerungen und Verstopfungsgefahr werden minimiert).
Der Produktions-Mikroreaktor ist 65 Zentimeter lang und 290 Kilogramm schwer. Bei einer Durchströmzeit von nur vier Sekunden können 1,7 Tonnen/Stunde flüssige Ausgangsstoffe gemischt und zur Reaktion gebracht werden. Eine mit dem neuen Reaktor ausgestattete Produktionsanlage wurde im Frühjahr 2005 bei DSM am Standort Linz (Österreich) in Betrieb genommen und hat bereits ihre erste Produktionskampagne erfolgreich bestanden. In einem Zeitraum von zehn Wochen wurden über 300 Tonnen des gewünschten Produktes erzeugt. Es zeigten sich deutliche Vorteile gegenüber dem konventionellen Prozess, insbesondere konnten Ausgangsstoffe gespart und die Prozesssicherheit gesteigert werden.
Katalytbrenner für explosive Gemische
Die Knallgasreaktion - die Reaktion von Sauerstoff mit Wasserstoff - ist eine Reaktion, für die ein Mikroreaktor besondere Vorteile bietet. Sie ist sehr schnell, stark exotherm (DH = -242 kJ/mol) und hat eine sehr niedrige Aktivierungsenergie. Im konventionellen Festbettreaktor kann die Wärme nicht so schnell abgeführt werden, wie sie entsteht, was aufgrund der exponentiellen Temperaturabhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit zu einer deutlichen Beschleunigung derselben führt - der Reaktor „geht durch“. Mikroreaktoren dagegen haben im Vergleich zu Festbettreaktoren und Wabenreaktoren wesentlich höhere Wärmedurchgangskoeffizienten und Austauschflächen.
Für verschiedenste Anwendungen wie die Erzeugung von reinem Wasser oder das Aufheizen oder Verdampfen von Reaktionsgemischen wurden katalytisch aktive Mikroreaktionssysteme zur vollständigen und sicheren Umsetzung von Wasserstoff und Sauerstoff im explosiven Bereich entwickelt. Ein zusammen mit Astrium getestetes Mikroreaktionssystem besteht aus einem Mikromischer, einem innen katalytisch beschichteten Mikroreaktor mit einer Reaktions- und Kühlpassage und einem Mikrowärmeübertrager, der die Reaktionsprodukte abkühlt, um flüssiges Wasser zu erhalten. Zur Kühlung des Reaktors und des Wärmeübertragers wird Luft eingesetzt.
Als Träger für den Palladiumkatalysator wurde eine Aluminiumoxid-Beschichtung entwickelt, die auf die Wände der Mikrokanäle mittels der Sol/Gel-Methode aufgebracht wurde. Das Mikroreaktionssystem wurde bei Astrium am Ausgang einer elektrolytischen Zelle erfolgreich getestet, wobei Wasserstoff- und Sauerstoffdurchflüsse benutzt wurden, wie sie z.B. für eine Anwendung in der Raumfahrt zu erwarten wären. In allen Untersuchungen zeigte es eine hohe katalytische Aktivität. Die Stationarität des Reaktionssystems wurde schnell erreicht, d.h. das System zeigte ein sehr gutes Anspringverhalten.
Die vollständige Umwandlung des stöchiometrischen Wasserstoff/Sauerstoff-Gemisches konnte erreicht werden. Das Reaktionsprodukt war flüssiges, gasblasenfreies Wasser bei 40 bis 50 °C. In einem zweiten Mikroreaktionssystem wurden Mikromischer und Mikroreaktor in ein kompaktes Bauteil integriert (Bild oben links), wodurch eine noch gleichmäßigere Temperaturverteilung längs der Reaktionskanäle erreicht wurde. Fazit: Der Einsatz von Mikrostrukturapparaten bietet sowohl bei Flüssigphasen- als auch bei Gasphasenreaktionen eine Reihe von Vorteilen.
Die Palette an verfügbaren Apparaten umfasst mittlerweile Mikrowärmetauscher, Mikromischer und Mikroreaktoren verschiedenster Bauart und reicht vom Laborapparat mit Durchsätzen von wenigen hundert Gramm pro Stunde bis hin zum Produktionsapparat mit Durchsätzen von mehr als einer Tonne pro Stunde. Da beim Transfer vom Labor in die Produktion weder die Geometrien der Wärmetausch- noch der Mischeinheiten verändert werden müssen, können die Ergebnisse der Laborarbeiten einfach und ohne größeres Risiko in den größeren Maßstab umgesetzt werden.
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