Life Cycle Costs Feldbeobachtung als Teil einer richtungsweisenden Zuverlässigkeitsstrategie

Autor / Redakteur: Detlef Kohlmeier / Dipl.-Ing. (FH) Reinhold Schäfer

Die Lebenszykluskosten einer Maschine werden maßgeblich von ihrer Verfügbarkeit einer bestimmt. Maschinenbauer und deren Zulieferer werden deshalb schon bei der Angebotsabgabe verpflichtet, Zuverlässigkeitskennwerte zuzusichern. Sollen diese nicht nur rechnerisch ermittelt werden, ist eine konsequente Feldbeobachtung von Komponenten und Anlagen sowie eine zukunftsgerichtete Zuverlässigkeitsstrategie erforderlich.

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Ein Produktionsausfall mindert den Gewinn und kann hohe Vertragsstrafen nach sich ziehen. Kein Wunder also, dass Industrieunternehmen nach Wegen suchen, das Risiko von Anlagenausfällen zu minimieren und auf mehrere Schultern zu verteilen. Betreibermodellen wie „Pay on Production“, bei dem der Hersteller von Produktionsanlagen auch den Anlagenbetrieb übernimmt, kommt daher eine immer größere Bedeutung zu.

Zuverlässigkeitsstrategie muss „gelebt“ werden

Aber auch beim Kauf von Maschinen lassen sich die Unternehmen von den Maschinenherstellern und diese wiederum von ihren Lieferanten umfassende Zuverlässigkeitsgarantien in Form entsprechender Kennzahlen wie etwa der Fehlerhäufigkeit (MTBF, Mean Time Between Failures) geben. Soll damit keine unwägbare Verschiebung des Risikos zu Lasten des Lieferanten einhergehen, benötigt dieser eine wohl definierte und im gesamten Unternehmen gelebte Zuverlässigkeitsstrategie.

Diese sollte optimalerweise nicht nur darauf ausgelegt sein, die Ausfallwahrscheinlichkeit so exakt wie möglich anzugeben, sondern auch eine kontinuierliche und zielgerichtete Produktverbesserung im Auge zu behalten. Dazu gehört, die in der Vergangenheit aufgetretenen Fehler ebenso einzubeziehen, wie Risiken bei der Anlagen- oder Produktentstehung sowie potenzielle Fehler aus den Produktionsprozessen.

Zuverlässigkeitsstrategie baut auf drei Phasen auf

Genau diese Forderungen erfüllt die richtungsweisende Zuverlässigkeitsstrategie von Lenze, die entsprechend der unterschiedlichen Phasen eines Produktlebenszyklusses auf drei Säulen aufbaut: Der ‚Retrospektive’, der ‚Risikoerkennung’ und der ‚Verifikation’ (Bild 1).

Am Anfang jeder Produktentwicklung steht dabei die Retrospektive, im Sinne einer ganzheitlichen Felddatenanalyse. Dazu gehören das kontinuierliche Sammeln, Aufbereiten und Auswerten der in der Vergangenheit über die gesamte Lebensdauer eines Produktes gesammelten Erfahrungen und Daten. Das Ziel dabei ist, bereits aufgetretene Fehler künftig bei gleichen oder ähnlichen Produkten zu vermeiden.

Elektronische Geräte zeigen keinen konstanten Ausfallverlauf

Elektronische Geräte zeigen im Allgemeinen keinen konstanten Ausfallverlauf. Wird die Ausfallrate über die gesamte Lebensdauer eines Produkts aufgetragen, ergibt sich die Form einer Badewannenkurve: Direkt mit dem oder kurz nach dem ersten Ein-schalten eines Geräts führen Bauteilefehler oder produktionsbedingte Mängel, wie fehlerhafte Lötverbindungen, zu einer Häufung von Ausfällen.

An diese Phase der Frühausfälle schließt sich die Nutzungsphase, eine weitgehend ausfallfreie Phase – der Wannenboden – an, in der fast ausschließlich ‚zufällige’ Fehler zu Ausfällen führen. Am Ende der Lebensdauer eines Produkts steigt dann die Ausfallrate wegen Ermüdungserscheinungen der Bauteile wieder deutlich an, die Verschleißgrenze der Komponenten ist erreicht. (Bild 2)

Mit Prozessqualifikation und Burn-in-Tests Zuverlässigkeit von Geräten prüfen

Diese theoretische Verteilung gilt es im Zuge der Felddatenanalyse durch die Beobachtung von Einzelgeräten (zum Beispiel über vertragliche Vereinbarung mit ausgesuchten Kunden oder Dauertests im eigenen Betrieb) sowie die Auswertung von Rückläufern aus Reparaturen praktisch zu hinterlegen.

Als ein qualitätsorientierter Hersteller sorgt Lenze allerdings mit einer ausgefeilten Zuverlässigkeitsstrategie (siehe Bild „Lenze-Zuverlässigkeitsstrategie“) dafür, dass Frühausfälle durch Prozessqualifikation und Burn-in-Tests sowie andere Prüfverfahren vor Auslieferung der Geräte an den Kunden, erkannt werden.

Diese Zuverlässigkeitsstrategie sorgt auch dafür, dass die Produkte von Lenze bis zum Ende der Lebensdauer zuverlässig sind. In der Praxis führt dies dazu, dass Maschinen und Anlagen nicht wegen der Lenze-Produkte an das Ende ihrer Nutzungsdauer kommen, sondern neue technische Anforderungen zu einer Verschrottung oder Generalüberholung der Anlage oder Maschine führen.

Feldbeobachtung bezieht sich auf Garantiefälle und Reparaturen

Die Feldbeobachtung muss und kann sich damit in erster Linie auf Geräte konzentrieren, die im Rahmen der Nutzungsdauer als Garantiefälle oder Reparaturen an den Hersteller zurückgeschickt werden. Auf Grundlage der so gewonnenen Informationen können dann die MTBF-Zeiten ermittelt und Fehlerquellen identifiziert und analysiert werden.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass zwischen dem Verkauf beispielsweise eines Antriebs und der tatsächlichen Inbetriebnahme einer Maschine, in der der Antrieb verbaut ist, mehrere Monate vergehen können. Bleibt dieser Aspekt bei der MTBF-Berechnung außen vor, verfälscht dies die Aussagen zum Fehlerverlauf oder die Berechnung der MTBF-Zeiten.

Umfassende Informationen müssen vorliegen

Um aussagekräftige Rückschlüsse über die Fehlerursachen ziehen zu können, müssen möglichst umfassende Informationen über die umgebungs- und funktionsbedingte Beanspruchung des Gerätes vorliegen. Diese Informationen steuern die Service-Teams von Lenze bei, die im Servicefall auf die geräteinternen Betriebs- und Netzstundenzähler sowie die integrierten Fehlerspeicher der Antriebe zugreifen und wichtige Informationen über den Zeitpunkt der Inbetriebnahme, die Betriebsart, die Einsatzdauer oder die während des Betriebs aufgetretenen Störungen (zum Beispiel Temperaturüberschreitungen) zur weiteren Auswertung liefern.

Diese Angaben werden von firmeninternen Expertenteams ergänzt, die die Ursache eines Bauteilausfalls ermitteln können. Auftretende Fehler werden dann von interdiszipliären Teams auf Basis der gesammelten Daten und des spezifischen Know-hows der unterschiedlichen Teammitglieder bewertet und klassifiziert (in bekannte und abgestellte Fehler oder neues Fehlerbild).

Datensammlung muss ständig fortgeführt werden

Die Datensammlung muss bereits während der Produktentwicklung aufgenommen und ständig fortgeführt werden und darf nicht erst mit dem ersten defekten Gerät beginnen, will man ein vollständiges Bild der Situation erhalten und schnell reagieren können.

Gleichzeitig müssen die mit unterschiedlichen (Test-) Systemen in Entwicklung, Produktion und Feldbeobachtung sowie weiteren EDV-Systemen gesammelten Informationen so korreliert und aufbereitet werden, dass sie für die unterschiedlichen Adressaten im Unternehmen und beim Kunden zeitgerecht, aussagekräftig und je nach Aufgabenstellung in Form und Inhalt angepasst zur Verfügung stehen.

Lenze hat die dazu erforderliche Infrastruktur einschließlich der dazugehörigen Arbeitsprozesse und Teams seit geraumer Zeit entwickelt und etabliert. Schon bei der Produktentstehung werden alle Informationen zu Bauteilen, Baugruppen, Geräten und Kundenaufträgen in einem Tracability-System gesammelt und miteinander verknüpft. So lassen sich Bauteilchargen exakt einzelnen Kundenaufträgen oder einzelne Geräte den ursprünglichen Produktionslosen zuordnen.

Online-Tools informieren über Ausfallrate eines bestimmten Produkts

Den Mitarbeitern in Entwicklung, Produktion und Service stehen Online-Tools zur Verfügung (Bild 3), mit denen sie schnell und flexibel Recherchen über die aktuelle Ist-Situation zum Beispiel an ihrem Fertigungsstandort oder die Ausfallrate eines bestimmten Produkts vornehmen können. Auf Basis der Kundenumsätze und der Rückläufer des Kunden lassen sich ferner kundenspezifische Auswertungen (wie Fehlerrate eines Produkt über alle Maschinen- oder Anlagenstandorte hinweg) erzeugen, die eine neutrale Analyse der bisher entstandenden und der zu erwartenden Fehlerkosten (Wartungsaufwand) sowie deren Ursachen erlauben.

Mit dem Kunden vereinbarte Ziele können so transparent und objektiv verfolgt werden. Vergleiche mit Fehlerraten, die bei ähnlichen Anwendungen ermittelt wurden, oder ein zeitlicher Rückblick, lassen Anomalien schnell zu Tage treten und können dem Kunden Hinweise für die Lösung anwendungsspezifischer Probleme liefern.

Dipl.-Ing. Detlef Kohlmeier ist Leiter Managementsysteme bei der Lenze SE in 31763 Hameln.

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