Transformation gestalten – aber wie ESG, Digitalisierung, demografischer Wandel – Wie Chefs damit umgehen sollten
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Die Prozessindustrie in Deutschland steht unter einem hohen Transformationsdruck. Als innovationsgetriebene Branche sind die Herausforderungen Chance zugleich. Denn sie bieten Potenzial, den Wandel zu einer klimaneutralen und innovativen Wirtschaft aktiv mitzugestalten. Die Unternehmensführung hat die Aufgabe, den Zielkonflikt zugunsten der Ökologie zu lösen und dem mittleren Management den Weg hierfür zu weisen. Was bedeutet das für das Anforderungsprofil von CEOs in der Prozessidustrie? Wie hat es sich unter den neuen Rahmenbedingungen verändert?

Die Prozessindustrie ist mit einer Vielzahl an Herausforderungen konfrontiert. Auf der einen Seite stehen solche, die im Zusammenhang mit der Transformation der Chemieindustrie eine dauerhafte Aktualität erfahren. Sie haben für die Unternehmen einen ganzheitlichen Charakter und müssen integrativ gelöst werden. Zu diesen zählen die Digitalisierung und die damit verbundene technologische Entwicklung ebenso wie der demographische Wandel samt einem zunehmenden Fachkräftemangel.
Hinzu kommen rechtliche Verpflichtungen wie die im Zuge der CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) definierten Transparenz über ESG (Environmental, Social, Governmental) oder die durch die CSDDD (Corporate Sustainability Due Diligence Directive) umgesetzte Verpflichtung zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels.
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Interview
Die Antworten auf ESG treiben Innovationen voran
Es bleibt jedoch nicht bei den dauerhaften Herausforderungen – die Branche steht zudem im Kreuzfeuer aktueller Entwicklungen. Die massiven Kostensteigerungen im Energie-Sektor treffen alle Unternehmen, doch gerade im Mittelstand ist die Gefahr groß, dass die hohen Energiekosten existenzbedrohend werden. Daran schließen sich Fragen zur Standortpolitik an.
Das Gespenst der Deindustrialisierung geistert seit Monaten durch die mediale Welt und sorgt für Unsicherheiten. Sie muss auch volkswirtschaftlich gestellt werden im Hinblick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Wie stark ist der Wirtschaftsstandort Deutschland mit Blick auf neuen Technologien? Kann Deutschland seine Führungsrolle innerhalb Europas auch global festigen?
Was bedeuten die Umbrüche für das Aufgabenprofil von Führungskräften?
Ein wichtiger Anker ist ESG. Doch hier braucht es neben der politischen Positionierung auch die Führungsverantwortung innerhalb der Unternehmen. Beispielhaft für den Wandel des Aufgabenprofils von Führungskräften ist die Verpflichtung auf das Klimaziel „net zero“. Denn es macht eine Transformation notwendig, um ESG -Ziele als integralen Bestandteil des Unternehmens aufzunehmen. ESG-Ziele konsequent zu verfolgen und in den Unternehmenszielen zu verankern, ist nicht mehr nur eine kommunizierte Selbstverpflichtung.
Es entsteht ein Handlungsdruck, da in Verbindung mit der CSRD das faktische, nachhaltige Handeln in der Nachhaltigkeitsberichterstattung transparent und an klar definierten Kennzahlen über alle Funktionsbereiche und Prozesse nachvollziehbar wird. Es handelt sich um ein ganzheitliches Thema. Es geht um die Kultur und das Selbstverständnis, die Organisation und die Abläufe des Unternehmens.
Für den CEO bedeutet dies, dass er eine klare Vorbildfunktion übernehmen muss, um sein Unternehmen durch die Transformation zu führen. Er muss den Handlungsrahmen vorgeben und messbare Ziele definieren. Welche Eigenschaften sind hierbei insbesondere von Bedeutung?
Warum der CEO einen Purpose vermitteln muss
Geht es um Kultur und Management, ist der Purpose das Stichwort – die Betonung der gesellschaftlichen Verantwortung fördert die Transformationsfähigkeit eines Unternehmens. Die Veränderung muss über das gesamte Top-Management hinweg getragen und von diesem konsistent in das Unternehmen hineingetragen werden. Cross-funktionales Denken und der Blick über den eigenen Tellerrand müssen gefördert werden. Nur so kann die angestrebte Transformation und unternehmenskulturelle Veränderung zugunsten ökologischer Ziele erreicht werden.
Authentizität und eine intrinsische Motivation sind hierbei von zentraler Bedeutung. Der CEO muss Innovationskräfte mobilisieren, um mit neuen Produkten, Prozessen und Technologien den Markterfolg sicherzustellen. Letztere Anforderung stellt sich um so mehr, da hier – so die Erkenntnisse des Manager Barometers von Odgers Berndtson aus dem Herbst 2022 – ein Nachholbedarf erkennbar ist – vor allem in der jüngeren Managergeneration.
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Je jünger die Teilnehmer:innen der Studie, desto unwichtiger ist ihnen die Mitwirkung an Veränderungen in einem innovativen Unternehmen. Während fast die Hälfte der Babyboomer für ihren Berufsweg durch die Mitwirkung in einem innovativen Unternehmen „sehr stark“ motiviert sind, gilt dies nur für lediglich 40 Prozent der Generation Y.
Zugleich wird der Wohlfühlfaktor im Unternehmen immer wichtiger: 73 Prozent der Befragten setzen eine passende Unternehmenskultur als Rahmenbedingung für einen Arbeitgeberwechsel und mehr als die Hälfte der Befragten (54,6 %) bezeichnen die Sinnhaftigkeit und Freude an der eigenen Aufgabe als wichtigste Motivation für ihren Berufsweg.
Dies betont einmal mehr die Bedeutung von Purpose in der Unternehmenskultur. Als exponierte Träger der Unternehmenskultur sind Führungskräfte deshalb in der Verantwortung, den kulturellen Wandel in das Unternehmen zu tragen.
Die Transformation erfordert eine klare Guidance
Die Auflösung des (vermeintlichen) Spannungsfelds zwischen kurzfristigen finanziellen Notwendigkeiten und dem Erreichen langfristiger Nachhaltigkeitsziele erfordert eine klare Guidance. Das kann ein verändertes Vorgehen im Vergleich zum in der Vergangenheit vielfach verfolgten ökonomischen Imperativ bedeuten. Dafür bedarf es einer klaren Verpflichtung, die sich auch über klar kommunizierte Ziele und Maßnahmen und deren Messbarkeit erstreckt. Für alle Zielgruppen – vor allem die Mitarbeiter – muss nachvollziehbar sein, was den kulturellen Wandel bedingt und wie jeder persönlich hierauf einzahlt.
Um dieses Ziel zu erreichen, muss der CEO eine Moderatorenrolle in der Unternehmenstransformation übernehmen, insbesondere im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung der Geschäftsmodelle, der Unternehmenskultur, den Zielen und der internen Zusammenarbeit. Er muss ein agiles Entscheidungsverhalten und Handeln auf kurzfristige Veränderungen der Rahmenbedingungen sicherstellen. Und er muss ein hohes Maß an Vertrauen in das mittlere Management besitzen und dieses auch vermitteln, damit hier konsistent gehandelt werden kann.
ESG-Kompetenz: von der Kür zur Pflicht
Wie am Beispiel des Klimaziels „net zero“ dargelegt, ist die Umsetzung von ESG-Zielen längst keine Selbstverpflichtung mehr, sondern steht unter dem Druck von Regularien. Die Führungskräfte sind für deren Entwicklung, Umsetzung und Kommunikation entscheidend mitverantwortlich. Hieraus leitet sich ab, dass sie um so mehr darauf achten müssen, die ökologischen, sozialen und Governance-Auswirkungen ihres Verantwortungsbereichs übergreifend zu erkennen und ihren Beitrag für die die Erreichung der ESG-Ziele des Unternehmens zu leisten.
Das Verfehlen der Ziele oder gar deren Nichtbeachtung kann massive Auswirkungen haben, bis hin zur persönlichen Haftung der Geschäftsleitung. Operativ kann und darf dies nicht ausschließlich bei einem (etwaig installierten) CSO (Chief Sustainability Officer) oder in einer anderen Führungsrolle verankert werden.
Was erfordert dies von der Führungskraft? Sie muss in der Lage sein, finanzielle Ziele mit den ESG-Zielen zu integrieren und die Zielerreichung zu verfolgen (in der Strategie und Umsetzung). Sie vermittelt dafür die Bedeutung von ESG und stellt einen Zusammenhang zum Unternehmens-Zweck her.
Ziele müssen gesteuert und messbar gemacht werden
Die Nachverfolgung von Zielen erfordert auch eine klare Definition von Messwerten. Der CEO stellt sicher, dass das Steuerungs- und Bewertungsinstrumentarium hierfür bereitgestellt wird, um die definierten Ziele in den jeweiligen Verantwortungsbereichen dezidiert verfolgen zu können – inklusive der Anpassung der Anreizsysteme. Die letztlich größte Hürde liegt dann noch im letzten Schritt – in der tatsächlichen Umsetzung der Ziele: Den Ergebnissen der Sustainability und Leadership Studie, die Odgers Berndtson 2021 durchgeführt hat, gaben rund 80 Prozent der Befragten an, Indikatoren und Prozesse entwickelt zu haben, mit denen sie die Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen messen können.
Eine konsequente Umsetzung in Maßnahmen erfolgte jedoch nur bei rund der Hälfte. Ursachen für diese Diskrepanz liegen oft in hohen Investitionskosten und regulatorischen Auflagen. Hier kommt dem Top-Management abermals die Aufgabe zu, dem mittleren Management den richtigen Handlungsrahmen vorzugeben, Nachhaltigkeitsbestrebungen klar zu vermitteln und konsequent nachzuverfolgen.
Wie findet man einen passenden „Transformations-Manager“?
Die Aufgaben des CEO sind komplexer denn je. Und damit auch das optimale Kandidatenprofil. Die Basis im Executive Search bilden deshalb ein gutes Netzwerk und die kontinuierliche Beobachtung des Marktes sowie des ESG- und Innovations-Reifegrads der Unternehmen. Daneben gibt es im Executive Search psychologisch hinterlegte Programme zur Identifizierung wie auch zur Entwicklung von Führungskräften, die die Anforderungen für transformationale Führung allgemein und speziell im Kontext ESG erfüllen.
Führung ist eine ganzheitliche Aufgabe, die an sich schon auf der Fähigkeit zur Transformation und Agilität angelegt ist. In der heutigen Zeit kommt aber einer klaren, richtungsweisenden Kommunikation des CEOs eine noch stärkere Bedeutung bei. Er ist der Kapitän auf der Brücke und darf diese Rolle nicht delegieren. Das Schicksal der Titanic darf der deutschen Wirtschaft nicht widerfahren.
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