Wasserelektrolyse Elektrolyseure vom Fließband: Wird so der Traum von der Wasserstoffwirtschaft wahr?

Autor Anke Geipel-Kern

Damit Wasserstoff zum Motor der Energiewende wird, braucht die Industrie Elektrolysekapazitäten und zwar viel, so schnell wie möglich und zu erschwinglichen Preisen. Ein neues BMBF-Leitprojekt die Wasserelektrolyse reif für die Fließbandfertigung machen. Ein lukrativer Weltmarkt winkt. Warum Technologie aus Deutschland am Ende das Rennen machen könnte.

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Montage eines Wasserelektrolyse-Moduls zur Herstellung von grünem Wasserstoff.
Montage eines Wasserelektrolyse-Moduls zur Herstellung von grünem Wasserstoff.
(Bild: Thyssenkrupp Steel Europe)

Grüner Wasserstoff ist der Hoffnungsträger der Energiewende: Ob für grünen Stahl, grünen Zement, grüne Chemie oder grüne Antriebstechnik für Schiffe und Lkw – das Gas ist ein Alleskönner, der Wissenschaft und Industrie zum Schwärmen bringt. Die Methode, Wasser mittels Elektrolyse in seine Bestandteile zu spalten, gibt es seit 120 Jahren und sei eine lange etablierte Technologie mit hoher Reife, sagt Dr. Alexis Bazzanella von der Dechema. Gute Voraussetzungen also, um Wasserstoff zum Motor einer defossilierten Industrie zu machen, sollte man meinen. Doch leider gibt es einen Haken. Von Serienfertigung sind heutige Elektrolyseure weit entfernt, die Stacks zusammenzufügen ist klassische Manufakturarbeit – jeder Apparat ein Einzelstück. Geringe Fertigungstiefe und hohe Kosten seien die Folge, erklärt Bazzanella.

Soll grüner Wasserstoff bezahlbar werden, muss sich das schnell ändern, und deshalb soll ein neues Leitprojekt innerhalb der nationalen Wasserstoffstrategie der Fertigung Beine machen. In den nächsten vier Jahren wollen die in H2Giga vereinten Unternehmen Elek­trolyseapparate fit fürs Fließband machen. Dabei ist alles, was in der Entwicklung von Elek­trolyse Rang und Namen hat: Siemens Energy, Linde, MAN Energy Solutions, Thyssenkrupp und Sunfire werden sich das Scale-up vornehmen. An einer zweiten Generation von Elektrolyseuren arbeiten Schaeffler, Enapter und die neu gegründete WEW. Auch Universitäten und Forschungseinrichtungen, darunter die RWTH Aachen University, Fraunhofer-Insti­tute sowie Insti­tute der Helmholtz-Gemeinschaft und der Max-Planck-Gesellschaft, sind dabei. Ihre Themen sind: Materialforschung, Lebensdauer und Zelltests, Recycling, Fertigungstechnologien und Digitalisierung. Insgesamt investiert das Forschungsministerium 500 Millionen Euro in die Aktivitäten.

Das Ziel der Bundesregierung: bis 2030 sollen allein in Deutschland fünf Gigawatt Elektrolyse-Kapazität entstehen. PEM-Elektrolyse, alkalische Wasserelektrolyse, und Hochtemperatur-Elektrolyse stehen im Fokus, außerdem wollen die Forscher zusätzlich die Elek­trolyse mit anionenleitender Membran (AEM) zur technologischen Reife bringen. Es gehe um „Design for Production“ betonte Dr. Isabel Kundler von der Dechema auf dem digitalen Projekt-Kick-off. Das bedeutet neue, automatisierte Fertigungstechnologien für die Stacks z. B. durch Robotereinsatz.

Wer entwickelt am schnellsten?

Für die beteiligten Unternehmen geht es um viel. Weltweit ist ein Rennen um die sich gerade ent­wickelnden Märkte entstanden. „Über 30 Länder haben bereits Wasserstofftechnologien aufgesetzt. Wir müssen das Entwicklungstempo hochhalten, ambitioniert und schnell vorgehen“, sagt Dr. Stefan Kaufmann, Innovationsbeauftragter „Grüner Wasserstoff“ des BMBF und Bundestagsmitglied. Australien, Japan, China und Südkorea marschieren gerade kräftig vorweg. Vor allem Südkorea pumpt große Summen in den Aufbau einer nationalen Wasserstoffwirtschaft.

Die Technologie sei reif, jetzt gehe es darum, dass Kosten gesenkt werden, und das gehe nur mit Skalierung, sagte ITM Linde-Electrolysis Chef Andreas Rupieper im Gespräch mit dem DWV-Vorsitzenden. Das Linde-Joint Venture hat mit seiner Gigafactory in Sheffield übrigens bereits eine Blaupause für eine halbautomatische PEM-Elektrolyseur-Fertigungsanlage vorgelegt.

Auch von Dr. Ralph Kleinschmidt, Head of Green H2 Product Development bei Thyssenkrupp, kommen auf dem H2Giga-Kickoff positive Signale. Elektrolysezellen von einem Gigawatt seien heute schon möglich, sagt er. Mittelfristig sieht er auch die Erweiterung auf eine fünf Gigawatt-Lieferkette, allerdings nicht mit klassischen Scale-up-Methoden. Vor allem will Thyssenkrupp die Investionskosten um den Faktor 3,5 bis 5 senken.

Bei aller Euphorie gibt es jedoch noch einige Stolpersteine. Wettbewerbsfähig werde in Deutschland erzeugter grüner Wasserstoff mit den hiesigen Strompreise nicht sein, sind sich die an H2Giga Beteiligten einig. Auch weiß keiner so genau wo der ganze Strom herkommen soll. Am Ende werde es wohl verteilte Lieferketten geben, glaubt Linde-Electrolysis Chef Rupieper: Wasserstoffproduktion dort, wo viel Sonnen- und Windenenergie die Gestehungskosten wirtschaftlich interessant machen, die Verbraucher stehen dann in anderen Regionen. ●

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