Motorstarter Einsatz von Hybrid-Motorstartern in der Zigarettenproduktion
Anspruchsvolle Prozessabläufe mit hohen Taktzyklen kennzeichnen die Zigarettenproduktion. Daher spielen auch die Schaltelemente, die die zahlreichen Elektromotoren ansteuern, eine wichtige Rolle. Reemtsma hat sich für Motorstarter von Phoenix Contact entschieden.
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Um die vielfältigen Aufgabenstellungen bei der Zigarettenproduktion am Beispiel der Reemtsma Cigarettenfabriken GmbH zu verdeutlichen, erweist sich ein Überblick über den gesamten Prozessablauf als sinnvoll. Grundsätzlich wird hier zwischen zwei Fertigungsschritten unterschieden: der Verarbeitung des Tabaks (Primary) und der Herstellung der Zigaretten (Secondary). Für den ersten Schritt wird der Tabak in großen getrockneten Ballen aus den verschiedenen Anbaugebieten angeliefert und zwischengelagert. Der in einer Zigarette verarbeitete Tabak besteht in den seltensten Fällen aus einer Sorte. Vielmehr handelt es sich um ein Blend, also eine Mischung aus bis zu 50 unterschiedlichen Tabak-Partien.
Vielschichtige Tabakverarbeitung
Der getrocknete Tabak verhält sich wie ein welkes Blatt, würde bei der Verarbeitung somit staubfein zerbröseln. Deshalb muss er für die weitere Verarbeitung konditioniert werden. Zunächst zerschneidet ein Slicer die großen Tabakballen in kleinere Portionen (Bild 1). Anschließend wird der Rohtabak in Wasserdampf geschmeidig gemacht. Dabei lösen sich die einzelnen Blätter voneinander und die Poren öffnen sich für den folgenden Verarbeitungsschritt. Das Tabakblatt und die Blattrippen, die voneinander getrennt wurden, durchlaufen separate, aber ähnliche Prozesse.
Die eigentliche Herstellung der Tabakmischung (Blend) erfolgt in Mischboxen (Bild 2). Zu diesem Zweck werden Mischwagen über Förderbänder mit den unterschiedlichen Tabaksorten beliefert. Sind die Mischboxen mit bis zu zehn Tonnen Tabak befüllt, entleeren sie sich über großen rotierenden Kämmen. Der Tabak wird dann vom Band der Mischbox geharkt und zu einer lockeren homogenen Mischung verarbeitet. Im nächsten Produktionsschritt schneiden rotierende Messer die Tabakblätter mit hoher Geschwindigkeit in exakt 0,75 Millimeter breite Fasern. Der so genannte Feinschnitt erhält danach in Trommeln einen exakt festgelegten Sollfeuchtegrad. Nachfolgend werden die zerkleinerten Blattgerippe zugefügt und die fertige Tabakmischung bis zur Weiterverarbeitung in Silos deponiert (Bild 3).
Ultraschnelle Zigarettenherstellung
Die Produktion der Zigaretten findet im so genannten Maker statt. Ihm wird die vorbereitete Tabakmischung über Rohrleitungen aus den Silos zugeführt. Im ersten Verarbeitungsschritt schiebt die Maschine einen vorgeformten Endlosstrang der Tabakmischung auf ein laufendes Band Zigarettenpapier. In einer Formatkammer wird der Tabak vom Papier umhüllt und die Nahtstelle verklebt. Messer schneiden den Endlosstrang auf die geforderte Länge. Anschließend wird der Filter angesetzt, der vorab aus großen Zelluloseballen durch Anlösen mit Alkohol und entsprechende Formung hergestellt worden ist. Die Filterstücke werden im Maker zwischen zwei der filterlosen Zigarettenstücke gebracht und mit einem Streifen Filterpapier daran verklebt. So entsteht eine Doppelzigarette, die am Filter zusammenhängt. Der folgende Verarbeitungsschritt trennt den Filter mittig, wobei die beiden Zigaretten über riesige Materialspeicher zur Verpackungsanlage transportiert werden (Bild 4 + Bild 5). Ein moderner Maker fertigt bis zu 20.000 Zigaretten pro Minute.
Kompakte und robuste Bauform
Die Beschreibung des Produktionsverfahrens lässt erahnen, dass der Materiallogistik eine besondere Bedeutung zukommt. Insbesondere die Tabakverarbeitung erfordert unzählige Förderbänder, Schwingrinnen und Mischwagen, um den Materialfluss sicherzustellen (Bild 6). Bei der Verpackung der Zigaretten werden viele Rollenförderer und zur Energieversorgung Kompressoren und Pumpen verwendet, die Gas, Wasser und Druckluft für die unterschiedlichen Verarbeitungsprozesse sowie Rohrleitungssysteme zur Silobeschickung zur Verfügung stellen. Sämtliche Nebenaggregate werden bei der Reemtsma Cigarettenfabriken GmbH mit Elektromotoren angetrieben und müssen entsprechend der Vorgaben der übergeordneten Steuerungen ein- und ausgeschaltet oder gemäß Einsatzbedingungen in der Drehrichtung umgekehrt werden, beispielsweise bei Mischwagen.
Daher spielen die Schaltelemente, die zur Ansteuerung der zahlreichen Elektromotoren zum Einsatz kommen, eine große Rolle. Sie müssen in der rauen Industrieumgebung robust ausgelegt und langlebig sein, möglichst wartungsfrei arbeiten und den Elektromotor sicher vor einer Zerstörung durch dauerhafte Überlastung schützen.
Die bislang von Reemtsma genutzten Schaltelemente erfüllten die Anforderungen bereits gut, wiesen jedoch einen entscheidenden Nachteil auf: Aufgrund ihrer komplizierten Konfiguration und Bedienung sorgten sie in der weltweiten Verwendung häufig für Probleme. Herbert Heil, Mitarbeiter im Project Engineering des Standorts Berlin, suchte deshalb nach einer alternativen Lösung.
Schnell stellte sich heraus, dass dies nicht einfach war, denn es sollte eine weitere Anforderung umgesetzt werden. So ist in Neuanlagen und beim Retrofit bestehender Anlagen Schaltschrankfläche einzusparen und kleine, dezentral an den Anlagenteilen verbaute Schaltkästen sind zu bevorzugen. Vor diesem Hintergrund kamen Motorstarter, die auf Basis elektromechanischer Schaltelemente aufgebaut sind, nicht mehr in Frage, weil Schütze für diese kleinen Antriebe bereits eine Baubreite von 45 Millimeter haben. Bei Antrieben, die im Reversierbetrieb laufen müssen, ist ein weiterer Schütz notwendig, sodass sich die Baubreite auf 90 Millimeter erhöht. Außerdem waren einige Schaltelemente zu teuer, was einem flächendeckenden Einsatz dieser Variante ausschloss.
Zehnfach höhere Lebensdauer
Eine Anzeige machte Herbert Heil auf die Hybrid-Motorstarter „4 in 1“ der Produktfamilie Contactron von Phoenix Contact aufmerksam. Die Module fassen die vier Funktionen Rechtslauf, Linkslauf, Motorschutz und Not-Halt auf einer Baubreite von lediglich 22,5 Millimeter zusammen (Bild 7). Bei den modernen Hybrid-Schaltern handelt es sich um eine Kombination aus Leistungshalbleitern, die den Einschaltvorgang des Antriebs verschleißfrei übernehmen, sowie Relais-Kontakten zum verlustleistungsarmen Tragen des Dauerstroms bis 9 A. Mittels einer ausgeklügelten Schaltung bringen beide Schaltelemente – Relais und TRIAC – ihre positiven Eigenschaften in das Gesamtschaltverhalten des Motorstarters ein. Eine integrierte Stromüberwachung schützt den Antrieb zuverlässig vor Überlast. Die Verlustleistung der kompakten Hybrid-Schalter ist nur wenig höher als bei einem elektromechanischen Schalter. Gleichzeitig verlängert sich die Lebensdauer des Hybrid-Schalters allerdings um den zehnfachen Wert eines Schützes. Der Contactron-Motorstarter spart also nicht nur Platz im Schaltschrank ein, sondern reduziert auch die Wartungskosten und optimiert die Verfügbarkeit der Anlage.
Heil bestellte sofort einige Geräte und testete sie an einem Mischwagen in einer Applikation im französischen Reemtsma-Werk. Nach der erfolgreichen Nutzung der Platz sparenden, leistungsfähigen Lösung wurden die Hybrid-Motorstarter erstmals in größerem Umfang im spanischen Werk Altadis S.A. in Logrono verwendet.
Höchste Sicherheit bis SIL 3 und PL e
Der Weg zu einer endgültigen Lösung war jedoch noch holprig. An einigen Schwingrinnen im Werk in Logrono traten Probleme auf, da die Hybrid-Motorstarter häufig in Störung gingen (Bild 6). Mitarbeiter von Phoenix Contact reisten nach Spanien, um den Grund dieser Störungen vor Ort zu ermitteln. Als primäre Ursache erwies sich der grundsätzliche Aufbau der Schwingrinnen. Diese werden über Kurbelbetrieb oder Exzenter in Vibration versetzt und befördern das auf ihnen befindliche Gut nach oben. Die Kurbel- oder Schwingbewegung erzeugt permanent wechselnde Belastungszustände für den antreibenden Elektromotor, die sich zwischen Volllast und generatorischem Betrieb bewegen. Daraus ergibt sich ein Stromverlauf, der Frequenz und Amplitude kontinuierlich in signifikanter Größenordnung von einer Halbwelle zur nächsten ändert (Bild 8).
Das beschriebene Verhalten wurde vom Hybrid-Motorstarter der Produktfamilie Contactron als kritischer Zustand gewertet und der Antrieb daher abgeschaltet. Dies zu Recht, denn das Gerät beinhaltet Safety-Funktionen. Deshalb kann es zum sicheren Abschalten gemäß SIL 3 und PL e eingesetzt werden und überwacht zudem das Netz auf Phasenausfälle und unerlaubte Asymmetrien. Nachdem die Mitarbeiter von Phoenix Contact die Firmware des Hybrid-Motorstarters entsprechend modifiziert hatten, kam es zu keinen Ausfällen mehr. Der Nutzung der Geräte in ersten Applikationen in Spanien, Frankreich, Polen und Deutschland stand also nichts mehr im Weg.
* Dipl.-Ing. Frank Döllerer arbeitet im Interface Digital Marketing Relay/Cabling bei der Phoenix Contact Electronics GmbH, Bad Pyrmont.
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