China Market Insider Diesel aus dem Wok – China entwickelt Verfahren zur Altölnutzung
Anbieter zum Thema
Ein neues patentiertes Verfahren und der große Hunger der Chinesen nach Speisen aus dem gut geölten Wok könnten für eine große Menge Kraftstoffe sorgen. Biodiesel der zweiten Generation aus altem Speiseöl und ähnlichen Abfällen sollen bald in großem Maßstab produziert werden.

Peking/China – Chinesische Ingenieure in der Hafenstadt Qingdao haben ein neues Verfahren zur Produktion von Biodiesel aus Speiseöl entwickelt. Die am Institut für Bioenergie und Prozesstechnik der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften entwickelte neue Technologie hat gerade in einer ersten Anlage mit der industriellen Massenproduktion begonnen – eine Weltneuheit.
Die Wissenschaftler hätten gemeinsam mit der Firma Changyou Bioenergy die erste kommerzielle Massenproduktion von Biodiesel der zweiten Generation mit Hilfe von Flüssig-Molekular-Katalyse aufgebaut, berichtet die chinesische Technologiezeitung Keji Ribao.
Gemeinsam haben die Wissenschaftler und Ingenieure dem Bericht zufolge ein auf Wirbelschicht-Transformation beruhendes homogenes Hydrierungs-Verfahren entwickelt. Die Anlage mit einer Kapazität von 200.000 Jahrestonnen sei im Juli erfolgreich in Betrieb genommen worden und produziere bereits mit einer Auslastung von bis zu 80 %, schreibt die Fachzeitung.
Die Produktion von BtL-Kraftstoff (Biomass to Liquids) gilt als prozesstechnisch schwierig, und bislang sind dazu weltweit überwiegend Verfahren mit Festbett-Hydrierung im Einsatz. BtL-Kraftstoffe hatten es daher bislang schwer, sich am Markt durchzusetzen. Sowohl die Verfügbarkeit der Rohstoffe (wie hier etwa von Speiseöl-Resten), wie auch ein verlässliches, erschwingliches Produktionsverfahren waren bislang ein ungelöstes Problem.
In China aber wären nun zum ersten Mal beide Probleme gelöst, sollte sich die gerade angelaufene Anlage bewähren: Genügend Rohmaterial in der Form von Ölabfällen ist vorhanden und ein guter Prozess für seine Verarbeitung scheint nun auch zur Verfügung zu stehen.
Auf bis zu zehn Millionen Tonnen schätzen Experten die jährlich in China anfallende Menge von Speiseöl-Resten. Die große Mehrheit davon, rund neun Millionen Tonnen, wird aus dem städtischen Abwasser gefiltert. Chinesen garen oder frittieren täglich mit großen Mengen von Speiseöl, das in Privathaushalten und Restaurants im Ausguss endet und anschließend wieder mühsam aus der Kanalisation gezogen werden muss. Weitere Ölreste fallen im Zuge der Fleischproduktion an.
Biodiesel der ersten Generation, meist gewonnen durch die Umesterung von Rapsöl oder Sojaöl, hatte eine Weile lang als Zukunftstechnologie gegolten, die zum Erreichen anspruchsvoller Klimaschutz-Ziele eingesetzt werden könnte. Seit einiger Zeit ist die Technologie jedoch wieder umstritten, unter anderem weil dabei Nahrungsmittel verfeuert werden, für deren Anbau in manchen Ländern dann auch noch Wälder abgeholzt werden.
Bei dem neuen Verfahren in China gibt es solche ökologischen Bedenken nicht. Im Gegenteil – die chinesische Regierung hat großes Interesse daran, das sogenannte Gutter Oil aus dem Wirtschaftskreislauf ihrer Gastronomie zu entfernen, weil es immer wieder zu Gesundheitsskandalen durch zu altes, illegal eingesetztes Speiseöl kommt.
Und während Biodiesel der ersten Generation durch relativ einfache Verfahren gewonnen werden kann, sind sowohl dessen CO2-Bilanz, als auch seine Leistung als Kraftstoff umstritten. Das neue Verfahren aus Qingdao, erklärt sein Erfinder Chen Yong in Interviews, produziere dagegen dank der Katalysator-Hydrierung ein Produkt mit einer ganz verschiedenen chemischen Struktur. Sein Biodiesel sei rein und ähnele dem aus Mineralöl gewonnenem Diesel unter anderem in puncto Viskosität und Brennwert, sagt Chen.
Die chinesische Regierung unterstützt die Entwicklung von BtL-Kraftstoffen, weil bei ihrer Verbrennung weniger Schadstoffe in die Atemluft gelangen. Statistiken zufolge sind LKW mit Dieselmotoren in der Region Beijing-Tianjin-Hebei für nur 7,8 % aller Zulassungen, dafür aber für 57,3 % aller Stickoxid-Emissionen und sogar für 77,8 % aller Feinstaubemissionen verantwortlich. Mit Biodiesel könne man also gewissermaßen zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, kommentierte kürzlich die China Chemical Industry News – mehr Hygiene in der chinesischen Gastronomie und der Kampf gegen die Luftverschmutzung.
* Henrik Bork, langjähriger China-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Rundschau, ist Managing Director bei Asia Waypoint, einer auf China spezialisierten Beratungsagentur mit Sitz in Peking.. „China Market Insider“ ist ein Gemeinschaftsprojekt der Vogel Communications Group, Würzburg, und der Jigong Vogel Media Advertising in Beijing.
(ID:46859200)