Mint-Frauen Diese Ansprüche stellen Ingenieurinnen an Arbeitgeber

Autor / Redakteur: Simone Käfer / Wolfgang Ernhofer

Sie lieben Technik und lösen mit Leidenschaft Probleme – für ihre Kunden. Doch in vielen Unternehmen fehlen Ingenieurinnen. Entwicklerinnen haben uns erzählt, was ihnen im Beruf wichtig ist. Ingenieurinnen wollen ...

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Weibliche Fachkräfte für Ihr Unternehmen zu begeistern, ist nicht so schwer, wie Sie denken.
Weibliche Fachkräfte für Ihr Unternehmen zu begeistern, ist nicht so schwer, wie Sie denken.
(Bild: ©Grafvision - stock.adobe.com)

Weder eine Frauenquote noch etliche Girls‘ Days konnten dem geringen Frauenanteil unter Ingenieuren etwas anhaben. Doch Ingenieurinnen steigern die Unternehmensleistung und Rentabilität, sorgen für mehr Innovation und Entwicklung und sind gut für die Reputation, verkündet der Personaldienstleister Kelly Services. „Frauen wollen Macht, Geld und Zeit“ titelte im Sommer 2013 der Tagesspiegel, das Manager Magazin schloss sich 2015 mit „Sie wollen Macht“ an. Während sich die einen auf die deutsche Soziologin Jutta Allmendinger berufen, geben die anderen eine Umfrage der London Business School wieder. Das Problem ist nur, dass Industrieunternehmen Frauen keine Macht geben können, wenn ihnen die Frauen fehlen. Wie also erreichen Unternehmen Technikerinnen und wie können sie sie halten?

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  • Die Ingenieurin – eine Minderheit: Frauen, die ihre Begeisterung für Technik leben, fallen aus unserem Gesellschaftsbild
  • Frauen wollen Frauen: Es fehlt an Kolleginnen, Mentorinnen und Vorbildern
  • Leidenschaft für Technik und Kunden: Ingenieurinnen schätzen die Herausforderungen

Dass Ingenieurinnen in Deutschland immer noch zu einer Minderheit gehören, merkt Petra Rapp an der Verwunderung – und gelegentlich auch Unsicherheit – ihrer Kunden. „Sie sehen oft zuerst meinen Mann an und stellen ihm die technischen Fragen. Dabei kann er die gar nicht so detailliert beantworten“, lacht sie. Denn Rapp ist nicht nur die Gründerin des 3D-Drucker-Herstellers Multec, sondern auch die Entwicklerin der Maschinen. Ihr Mann fühlt sich mehr im kaufmännischen Bereich des Unternehmens zu Hause. Rapp hat also bereits Macht. Doch als Ingenieurin zählt sie immer noch zu den Exoten. Aber Frauen wollen keine Exoten sein.

... keine Exoten sein

Prof. Birgit Vogel-Heuser, Ordinaria des Lehrstuhls für Automatisierung und Informationssysteme an der Technischen Universität München, sieht darin auch das Problem der Girls‘ Days. Die Veranstaltung findet seit 2001 statt und soll Schülerinnen für Mint-Berufe interessieren. Die Ergebnisse erreichen allerdings nicht die gewünschten Effekte, Frauen sind immer noch eine Seltenheit in den Mint-Studiengängen. „Der Girls‘ Day ist eine Sonderbehandlung für Mädchen. Aber sie wollen nichts Besonderes sein“, betont Vogel-Heuser. „Bei meinen Erstsemestern kann ich das auch beobachten. Sie sind ganz normale Studenten der Ingenieurwissenschaften und wollen auch so behandelt werden.“

Die wenigsten Frauen berichten von Geschlechterproblemen im Beruf, doch heißt das nicht, dass sie nicht da sind. Und diese führen oft zu Selbstzweifeln und zum Absprung vom Ingenieurleben. „Als frische Absolventin hätte ich fast aufgegeben”, erinnert sich Rapp. „Denn in der nur von Männern besetzten Abteilung war es für mich als 23-jährige Ingenieurin sehr schwer, mich gegen Vorurteile und Herablassung durchzusetzen.” Frauen, denen solche Probleme begegnen, rät sie: „Formuliert euch deutlich, sachlich und mit Nachdruck. Lasst euch nicht auf Diskussionen und Erklärungen ein, wenn es um eure fachliche Meinung geht!” Anders formuliert: Sich von technischen Argumenten überzeugen lassen: ja. Sich auf Machtkämpfe einlassen: nein!

Die Entscheidung für oder gegen ein Ingenieurstudium findet im Teenageralter statt. „Ich hatte während meiner Schulzeit immer schon Spaß an technisch-naturwissenschaftlichen Fächern“, erklärt Franziska Kaut. Bei Procter & Gamble verantwortet sie die Erforschung und Entwicklung von Verfahren und Prozessen zur Herstellung in den Produktbereichen Oral-B, Braun und Gillette. Außerdem hatte sie in ihrer Schulzeit gerne handwerklich gearbeitet. Also begann sie mit einer Ausbildung zur Schreinerin, machte sich mit Werkstoffen und deren Leistungsfähigkeit vertraut. „Diese Zeit war entscheidend für meine spätere Studienwahl“, erinnert sie sich. Ein Mädchen, dem beigebracht wurde, mit Puppen zu spielen anstatt mit Autos, und dem in seiner Schulzeit keine passenden Vorbilder begegnet sind, wird wahrscheinlich nie herausfinden, ob es eine erfolgreiche Ingenieurin geworden wäre.

Hinzu kommt, dass „es nicht sexy ist, einfach nur ,Ingenieur‘ zu sein. Da muss schon was dazu. Umwelt-Ingenieurin zum Beispiel, da können Frauen auch gleich Gutes bewirken“, führt Vogel-Heuser weiter aus. Ihrer Tochter ist „Ingenieur“ ein zu altbackenes Modell.

Unterstrichen wird diese Aussage von Katharina Danner, Geschäftsführerin von Snow Leopard Projects. Sie begann mit einem Studium für internationales Management. Aber: „Darin waren mir zu wenige Zahlen enthalten.“ Deshalb wechselte sie zum Wirtschafts-Ingenieurwesen, denn „Maschinenbau wäre mir zu speziell gewesen“, erklärt sie ihre Wahl.

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Auch Franziska Dinse aus der Entwicklung für User Experience/User Interface bei Audi ist nicht einfach Ingenieurin geworden. Sie hat Produktdesign studiert. Denn „es hat mich schon immer gereizt, meine kreative Ader mit meiner großen Affinität für Technik zu verbinden”, erklärt sie.

Die von uns befragen Entwicklerinnen sind sich im Großen und Ganzen einig, dass den jungen Frauen nichts fehlt, um sich für Technik zu begeistern. „Letztendlich sollte jede Frau genau dem Berufsbild folgen, für das sie eine Leidenschaft hat“, erklärt Kaut. Diese Aussage bekräftigt Dinse: „Wer mit Spaß bei der Sache ist, wird auch erfolgreich sein.” Trotzdem hält Kaut es für wichtig, jungen Mädchen und Frauen frühzeitig die Möglichkeiten und Vorteile einer Ausbildung in den naturwissenschaftlichen und technischen Bereichen zu zeigen und sie zu motivieren, in diese Bereiche tiefer hineinzuschauen. Oder mit den Worten von Sonja Klass, Entwicklerin bei Leuze: „Jungen Frauen fehlt die Akzeptanz in der Gesellschaft und Vorbilder.”

... Vorbilder & Mentorinnen

Vorbilder sind ein wichtiges Thema. Es gab so viele Frauen, die stark in technisch-naturwissenschaftlichen Bereichen waren, angefangen bei Ada Lovelace. Wer sind die Vorbilder der heutigen Generation? Natascha Jafari, Application Specialist bei EOS, stammt aus einer Ingenieurfamilie. Mit dem Onkel bestaunte sie Riesenräder und die Funktionsweise dahinter, dem Vater sah sie fasziniert dabei zu, wie er Modelle von Brücken erstellte, um deren Statik besser berechnen zu können.

Auch Danner hatte ein männliches Vorbild, ihren Vater, der sich seit 30 Jahren mit nachhaltiger Stromerzeugung beschäftigt. „Dadurch bin ich mit der Thematik aufgewachsen. Das hat mich fasziniert und wahrscheinlich auch geprägt.“ Frauen, die keine Vorbilder hatten oder sich deren nicht bewusst waren, haben sich von gesellschaftlichen Konventionen nicht schrecken lassen und sind ihrer „Neugier bezüglich technischer Neuentwicklungen und Innovationen gefolgt”, wie es Klass ausdrückt. Auch die Lenze-Frau ist keine „reine Ingenieurin”, sondern hat internationales Projektingenieurwesen studiert.

Jo Hannaford, ist die Technikchefin für den EMEA-Raum bei Goldman Sachs. Im Blog des Unternehmens gibt sie Impulse, wie Industrie-Unternehmen sich für Mint-Frauen interessant machen können. Sie merkt an, dass es wohl einen Wandel im Verständnis von Technik und Industrie gegeben haben muss, der Frauen den Zugang vergällt. Es müssen also Maßnahmen her, die Frauen wieder in die Branche bringen – und sie hier halten.

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„Es gibt heute eine Reihe von herausragenden Frauen in der Technik, zu denen man aufschauen kann”, schreibt sie. Doch am Arbeitsplatz fehlen sie. Wie wichtig das direkte, greifbare Vorbild ist, wird durch die Erfahrungen von Vogel-Heuser bestätigt. Sie beobachtet, wie an ihrem Lehrstuhl die Zahl der Doktorandinnen signifikant zunimmt, seit sie dort lehrt. Auch Sophia Hatzelmann, amtierende Engineer Powerwoman, beschreibt dieses Phänomen. Sie ist Geschäftsführerin von AHC. In ihrem Unternehmen liegt die Bewerberquote bei 50:50 und die Mitarbeiterquote beträgt 70 % Frauen, 30 % Männer. „Dadurch, dass ich sichtbar war, haben sich die Frauen beworben”, bekräftigt Hatzelmann die Aussage von Hannaford.

... Mehrwert liefern & Gutes tun

Ein wenig klischeehaft mutet die Aussage von Danner zu ihrer beruflichen Inspiration an: „Es ist schön, morgens aufzustehen, um Sinnvolles zu tun: Die Umwelt zu schonen und Menschen, speziell von in Armut geprägten Ländern, zu helfen.“ Allerdings ist Danner auch Geschäftsführerin im Familienunternehmen Snow Leopard Projects, das sich auf Biogas- und Photovoltaikanlagen spezialisiert hat. Sie kann auf viele Projekte in technisch ärmeren Ländern zurückblicken, in denen sie die Hygiene verbessern und umweltfreundliche Bedingungen schaffen konnte. So träumt sie auch von „einer Biogasanlage, die ohne Steuerung oder Kontrolle von außen funktioniert. Denn die Anlagen funktionieren nur so gut, wie das Wissen und die Sorgfalt des zuständigen Betreibers es zulassen.“

Ein Gerät mit dem man die Zeit sowohl vor- als auch zurückspulen kann, würde Jafari gerne erfinden. „So kann man sich die Auswirkungen von Entscheidungen ansehen und gegebenenfalls eine andere treffen. Oder man dreht die Zeit zurück, um etwas noch mal zu tun.“ Zu Jafaris aktuellsten Entwicklungen gehört die Datenvorbereitungssoftware EOS-Print 2. „Es macht mich stolz zu sehen, wie gut die Software bei Kunden und Kollegen ankommt“, so Jafari. Bei Dinse steht der Autofahrer im Fokus ihrer Entwicklungen, doch schon bei der Studienwahl stand fest, dass sie sinnvolle Dinge erfinden wolle, die umsetzbar sind, die Kunden ansprechen und bezahlbar sind.

Hatzelmann hat das auf dem Womenpower-Kongress 2018 prägnant zusammengefasst: „Uns Frauen ist das technische Produkt gar nicht so wichtig, sondern das, was man damit machen kann.“

... Motivation & Leidenschaft

Wie die FAZ im Januar 2018 berichtete, fanden Psychologen heraus, dass Frauen bei der Stellenwahl diejenigen Angebote bevorzugen, in denen zu den wichtigeren Anforderungen Motivation und Leidenschaft zählen. Besonders Leidenschaft ist ein Wort, das fast allen Befragten wichtig war: „Ich habe mich bewusst für den Ingenieurberuf entschieden, da er sehr vielseitig ist, mir viel Freude bereitet und ich Leidenschaft dafür habe“, war eine Antwort von Kaut. „Heute lebe ich meine Leidenschaft für meinen Beruf”, erklärt Rapp. Aber auch unmöglich scheinende Dinge umzusetzen und dabei noch gegen organisatorische Unbill zu fechten, spornt die Technikerinnen anscheinend an. „Gerade wenn es schwierig wird, beginnt es spannend zu werden”, begeistert sich Klass. „Ich tüftle gerne an neuen Ideen“, drückt Danner ihre Motivation aus.

„Es ist magisch, wenn man selbst etwas schafft“, erklärt Jafari ihre Begeisterung. An ihrem Job gefallen ihr die Abwechslung und die Herausforderungen. „Vor allem gefällt es mir aber auch, dass ich eigenverantwortlich arbeiten kann“, betont sie. Auch Kaut schätzt die täglichen Herausforderungen, Probleme zu lösen und neue Prozesse zu entwickeln. Sie betont zusätzlich die Freude am komplexeren Arbeiten: „Nicht nur technisches Fachwissen und Kreativität sind gefordert, sondern auch die Kommunikation in interdisziplinären und internationalen Teams.“ Ihre Motivation liegt darin, „Prozesse und Verfahren zu entwickeln, um Produkte herzustellen, die das Leben unserer Kunden vereinfachen und verbessern“.

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Klass erfüllt der 2D-Codeleser DCR 55 mit Stolz. Denn er ist ein internationales Projekt, an dem Menschen aus drei unterschiedlichen Ländern arbeiteten. „Trotz vieler Herausforderungen, die die internationale Projektarbeit mit sich bringt, haben wir es als über mehrere Standorte verteiltes Projektteam gemeinsam geschafft, dieses Produkt erfolgreich auf den Weg zu bringen und die Bedürfnisse der unterschiedlichen Märkte einfließen zu lassen”, fasst Klass die Schwierigkeiten und Ergebnisse kurz zusammen. Sie wird davon inspiriert, ihrem Kunden einen Mehrwert zu bieten und durch die Begeisterung und Kreativität ihrer technischen Fachexperten.

Die Arbeit von Dinse können viele selbst erleben, denn sie digitalisiert Kfz-Fahrzeuge bei Audi. Zuletzt hat sie eine sensorische Schaltleiste für die Modelle A8, A7, und A6 entwickelt. Hier ist sie besonders auf die elegante Verbindung aus Technik und Design stolz. Doch die meiste Freude bringen ihr schwierige Aufgaben: „Es motiviert mich unheimlich, Lösungen zu finden, die es angeblich gar nicht gibt.” Wenn diese dann auch noch mit den komplexen Prozessen und Strukturen eines großen Unternehmens unter einen Hut zu bringen sind, kommt Dinse erst richtig in Fahrt. „Das Erfolgserlebnis ist dann natürlich umso größer, je genialer und sichtbarer die Lösung im Auto ist”, ergänzt sie.

Für jene, die besorgt einer smarten Zukunft entgegensehen, sind die Ideen von Dinse allerdings nichts. Denn die User-Experience-Entwicklerin träumt von Interaktionsmodalitäten über Gedankensteuerung, komplett variablen Anzeigeflächen im gesamten Interieur oder sogar einem adaptiven Interieur, das dem Insassen immer genau das bietet, was er gerade benötigt, und das nicht an der Fahrzeugtür enden muss.

Dass unsere gesellschaftlichen Gewohnheiten oft eine Bremse für Frauen sind, spürt Rapp immer noch. Zwar hat sie festgestellt, dass als Frontfrau eines Unternehmens die berufliche Anerkennung fast von selbst kommt – und mit ihr ein selbstbewussteres Auftreten. Trotzdem schickt sie bei Vorträgen, bei denen sehr viele Männer in den Reihen sitzen, ihren Mann vor. Die Erfahrung, dass Männer von anderen als kompetenter eingestuft werden, ist zu allgegenwärtig. Womöglich ist es deswegen in den Augen Hannafords wichtig, in Menschen zu investieren und sie auszubilden. „Ein positives und integratives Arbeitsumfeld kann bei der Bekämpfung von Missverständnissen im Zusammenhang mit aggressiven, von Männern dominierten technischen Arbeitsumgebungen sehr hilfreich sein”, schreibt sie im Goldman-Sachs-Blog und rät Frauen: „Arbeiten Sie für ein Unternehmen, in dem Vielfalt und Integration in der Kultur und in den Menschen verankert sind!”

Der Beitrag ist zuerst auf dem Portal unserer Schwestermarke MM Maschinenmarkt erscheinen.

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